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"Ein offenes und aufrichtiges Gespräch ohne Tabu-Themen"

Beiträge zum EU-Russland-Gipfel 2007 unter deutscher Präsidentschaft in Samara

Der EU-Russland-Gipfel am 17./18. Mai im russischen Samara war einer von vier Gipfeln unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft. Die anderen drei Gipfel waren beziehungsweise sind: der EU-USA-Gipfel am 30. April in Washington, der EU-Kanada-Gipfel am 4. Juni in Berlin und der ebenfalls für Juni geplante EU-Japan-Gipfel.
Im Folgenden dokumentieren wir:

  1. einen Hintergrundartikel, der vor dem Gipfel erschien,
  2. den Ergebnisbericht, der auf der Homepage der Bundesregierung erschien,
  3. einen kritischen Vorbericht, der in einer russischen Zeitung erschienen war,
  4. ein paar Meldungen über Verlauf und Ergebnisse des Gipfels, die wir der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti entnommen haben.



Nur Meinungsunterschiede?

Moskau fürchtet, dass Gegner der Kooperation Oberhand gewinnen

Von Irina Wolkowa, Moskau *


Gerüchte, wonach es ausgerechnet am Vorabend des 19. Gipfels nicht gut um das Verhältnis Russland-EU stehe, seien maßlos übertrieben. So jedenfalls Sergej Jastrschembski, der dieses »weite Feld« für Wladimir Putin beackert, auf einer Pressekonferenz einen Tag vor den Konsultationen, die gestern Abend im Gebiet Samara an der Wolga begannen.

Auch Wladimir Putin wollte keine Konflikte zwischen Russland und der EU sehen, es gebe nur »Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man einzelne Probleme lösen könnte«. Immerhin sind diese Meinungsunterschiede so gravierend, dass einige Stimmen in der EU selbst eine Verschiebung des Gipfels forderten. Und von übertriebenen Erwartungen, was die Ergebnisse der Beratungen Putins mit der amtierenden EU-Ratspräsidentin Angela Merkel und Kommissionspräsident José Luis Barroso anbelangt, kann wahrlich keine Rede sein.

Nicht ohne Schadenfreude kommentierte jetzt die lettische Zeitung »Latvijas Avize«: »Der Abtritt der alten Garde von Kreml-Freunden wie Gerhard Schröder, Silvio Berlusconi und Jacques Chirac von der politischen Bühne macht es Moskau nun schwieriger, seine Ziele in Europa durchzusetzen.« Tatsächlich bestätigt ein Blick in russische Medien, dass hierzulande die Furcht umgeht, mit dem neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bekämen die pro-amerikanischen EU-Neumitglieder – allen voran Polen und die baltischen Staaten – einen mächtigen Gönner. Die Mehrheiten innerhalb der Union würden sich dadurch verschieben, die Ausgestaltung der gemeinsamen Räume, wie sie die bisherigen Vereinbarungen vorsehen, sei akut gefährdet. Umso mehr, da es vor allem die Probleme der Neulinge mit Russland sind, die einen Temperatursturz im Verhältnis Moskau-Brüssel heraufbeschworen haben.

Nach Polen drohten auch Litauen und Estland mit Blockierung der Verhandlungen über einen neuen Rahmenvertrag. Litauen, weil Russland nach einem Pipeline-Schaden im letzten Sommer die Öllieferungen stoppte. Estland wegen der Übergriffe auf seine Botschaft in Moskau nach der – zumindest politisch unklugen – Demontage des »bronzenen Soldaten« im Zentrum Tallinns und wegen indirekter Wirtschaftsaktionen. Ende Mai wird, weil angeblich unrentabel, der Zugverkehr zwischen St. Petersburg und Tallinn, eingestellt. Mehrere russische Regionen verhängten zudem ein Embargo für estnische Waren.

Zusätzlich in Rage brachte Moskau, dass Polen einen ähnlichen Bildersturm wie Estland vorhat und sich bei Plänen zur Stationierung einer US-amerikanischen Raketenabwehr unmittelbar an Russlands Grenzen am weitesten aus dem Fenster lehnte. Für Moskau ist das Grund genug, an dem Einfuhrstopp für polnisches Fleisch festzuhalten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rang seinen Gastgebern am Dienstag in Putins Residenz Nowo Ogarjowo lediglich die Erklärung ab, man wolle das Thema Fleischimporte losgelöst von der Politik verhandeln und sich um eine »Deeskalation der Emotionen« auf der Basis der Gegenseitigkeit bemühen.

Bei Steinmeiers Besuch ging es um nicht mehr und nicht weniger als um die Rettung des Gipfels überhaupt. Denn auch bei den großen internationalen Themen, die heute zwischen Suppe und Fisch erörtert werden, liegen die Positionen weit auseinander: Bei der UN-Resolution zu Kosovo, die die südserbische Provinz faktisch in die Unabhängigkeit entlässt, drängt Moskau auf Nachbesserungen im Sinne einer allseits akzeptablen Lösung. Beim Streit um Irans Kernforschungsprogramm setzt Russland auf »weiche« Sanktionen, die beiden Seiten die Rückkehr an den Verhandlungstisch ermöglichen. Denn zu Recht ist Moskau der Auffassung, dass ohne Iran weder in Afghanistan noch in Irak Frieden einkehrt. Eine weitere »Meinungsverschiedenheit« offenbarte Putins Ankündigung, die Erfüllung des Vertrages über die Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa auszusetzen, bis das Abkommen von allen NATO-Staaten ratifiziert ist. Dazu kommt der Konkurrenzkampf um Zugriff auf die Öl- und Gasfelder Zentralasiens nebst dazugehöriger Pipelines ...

Ein neues Partnerschaftsabkommen (siehe Kasten) steht jedenfalls an der Wolga offiziell nicht einmal mehr auf der Tagesordnung.

Partnerschaftsvertrag

Die EU und Russland sind durch ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) verbunden, das Ende 2007 nach zehnjähriger Dauer ausläuft. Es soll durch ein neues, umfassenderes Abkommen ersetzt werden, in dem auch Regeln für den Energiebereich und die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen festgeschrieben werden sollen. Die Verhandlungen darüber hätten bereits im vergangenen Jahr beginnen sollen. Das Mandat, das von den EU-Außenministern einstimmig beschlossen werden müsste, wird jedoch durch Polens Veto blockiert. Warschau will dem Beginn der Verhandlungen erst zustimmen, wenn Moskau ein Einfuhrverbot für polnisches Fleisch aufhebt. Ein Abschluss des neuen Vertrages bis Ende dieses Jahres ist inzwischen unmöglich. Vereinbart ist jedoch, dass das alte Abkommen so lange in Kraft bleibt, bis ein neues beschlossen ist. (ND)



* Aus: Neues Deutschland, 18. Mai 2007


Gemeinsamer Weg trotz Schwierigkeiten **

Fr, 18.05.2007

Trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten, insbesondere beim Thema Menschenrechte, hat die EU den festen Willen zu einer strategischen Partnerschaft mit Russland. Auf dem Energiesektor, beim Klimaschutz, in der Forschung und bei der Bewältitung internationaler Konflkte wollen beide Seiten künftig enger zusammenarbeiten.

"Es gibt eine Vielzahl von Feldern, auf denen wir zusammen arbeiten können", sagte die amtierende EU-Ratspräsidentin Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Arbeitssitzung. Dabei stellte sie die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Russland heraus.

Die EU ist der grösste Handelspartner Russlands. Für die EU ist Russland ist der drittgrößte Handelspartner. Vor diesem Hintergrund haben beide Seiten großes Interesse an guten Beziehungen und einem angenehmen Investitionsklima.



Die EU zeichnet für 52 Prozent des russischen Außenhandelsumsatzes verantwortlich und ist mit über 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen wichtigster Investor des Landes. Umgekehrt ist Russland – nach den USA und China – der drittgrößte Handelspartner der EU. Das gesamte Handelsvolumen belief sich 2005 auf 166 Milliarden Euro. Die Ausfuhren Russlands in die EU beschränken sich hauptsächlich auf Erdöl, Erdgas und Rohstoffe. Daher hat Russland auf Grund der derzeit hohen Rohstoffpreise erhebliche Außenhandelsüberschüsse gegenüber der EU (2005: 50,3 Milliarden Euro). Russland deckt rund 20 Prozent des Erdöl- und 40 Prozent des Erdgasbedarfs der EU. Aus der EU werden vorrangig Maschinen und Transportausrüstung, Chemikalien, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Textilien nach Russland exportiert.



Streitpunkt Menschenrechte

Gleichzeitig drückte die EU-Ratspräsidentin ihre Sorge angesichts der Menschenrechtssituation in Russland aus: "Ich hoffe, dass die, die in Samara demonstrieren wollen, dies auch tun können", sagte Merkel. Sie habe zwar Verständnis dafür, wenn die Behörden gegen Gewaltanwendungen einschritten. Wenn Menschen jedoch friedlich auf dem Weg zu einer Demonstration seien, sei dies "eine andere Sache".

Frühwarnsystem für Energiesicherheit

Trotz aller Schwierigkeiten seien die Gespräche gleichwohl sehr konstruktiv verlaufen, berichtete die Kanzlerin. Beide Seiten, Russland wie die EU, seien daran interessiert, das demnächst auslaufende Partnerschaftsabkommen neu auszuhandeln.

Auch wenn in Samara keine konkreten Ergebnisse erzielt wurden, habe man im Bereich Energie bereits verhandelt. Gemeinsam wollen Europa und Russland hier an einem Frühwarnsystem für Lieferengpässe arbeiten.

Thema war ferner die Zusammenarbeit im grenznahen Bereich. Putin sicherte zu, das Problem überlanger Warteschlangen an den Grenzen in Angriff zu nehmen.

Auch in der Forschung soll die Zusammenarbeit intensiver werden als bisher. So bietet das europäische Satellitennavigationssytem Galileo nach übereinstimmender Auffassung ein gutes Kooperationspotenzial.

EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso zeigte sich erfreut über die Fortschritte, die bei der Freizügigkeit zu verzeichnen sind. So tritt am 1. Juni ein europäisch-russisches Abkommen über Visa-Erleichterungen in Kraft. Darüber hinaus verhandeln die Partner derzeit über teilweise Visafreiheit im Reiseverkehr.

Im Gespräch bleiben, die Probleme angehen

Das Umfeld für die Gespräche war nicht einfach: Neben dem kürzlich verhängten russischen Einfuhrverbot für polnisches Fleisch sind auch weiterhin zahlreiche Fragen zwischen Russland und der EU streitig. Etwa die Verlegung eines sowjetischen Ehrenmals aus dem Zentrum der estnischen Hauptstadt Tallinn, die von der russischen Regierung kritisiert worden war.

"Es gelingt nicht immer, einander zu überzeugen", sagte Merkel. Allerdings bedeute es bereits einen großen Wert an sich, offen und ehrlich miteinander zu diskutieren. Was das Ergebnis der vielen Gespräche, die noch zu führen sind, angeht, ist Merkel zuversichtlich: "Ich halte die Schwierigkeiten für überwindbar", so die Bundeskanzlerin.

Bereits am Donnerstagabend (17. Mai) hatten sich Kommissionspräsident Manuel Barroso, Präsident Wladimir Putin und die EU-Ratspräsidentin zu einem gemeinsamen Abendessen in einem Fischerdorf an der Wolga getroffen. An den Arbeitsgesprächen nahmen für den deutschen EU-Vorsitz auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier teil.

** Quelle: Website der Bundesregierung, 18. Mai 2007; www.bundesregierung.de


Gipfel in Samara: EU zwingt Russland zu scharfem Widerstand - "Nesawissimaja Gaseta"

Die Einmaligkeit des am Donnerstag (17. Mai) in Samara beginnenden Russland-EU-Gipfels besteht darin, dass eine Verwirklichung der Tagesordnung erstmals zu entgegengesetzten Resultaten für die Seiten - einem Sieg der EU und einem ernsthaften politisch-ökonomischen Verlust für Russland - führen würde. Das stellt Dmitri Suslow, Vizedirektor für Forschungsprogramme des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, am Donnerstag in der „Nesawissimaja Gaseta“ fest.

Gleichermaßen würde eine Nichtrealisierung der Verhandlungspunkte eine ernsthafte EU-Niederlage und einen markanten Erfolg Moskaus bedeuten. Dies ist nicht nur mit dem Stand der Russland-EU-Beziehungen, sondern auch mit inneren Problemen der EU verbunden.

Angesichts des Scheiterns der EU-Verfassung, einer Hauptpriorität Deutschlands, besteht für Berlin die letzte Möglichkeit, seinen EU-Vorsitz als einen Erfolg abzubuchen. Um der EU-Kommission Deutschlands Effektivität zu zeigen, muss es EU-günstige Beschlüsse des Gipfels in Samara durchsetzen.

Gerade aus diesem Grund sahen sich Brüssel und Berlin selbst durch die derart harten Schritte Russlands nicht gezwungen, eine Verlegung des Gipfels zu erwägen. Dazu gehören Russlands Vorwurf an die EU, zur Verunglimpfung des Andenkens des Sieges über den Faschismus (in Estland) beizutragen, die angekündigte mögliche Aussetzung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa wie auch die Verkündung eines eventuellen Ausstiegs des Vertrags über Raketen mittlerer und kurzer Reichweite und einer möglichen Ausrichtung russischer Raketen auf Objekte in der EU.

In einigen europäischen Medien wurde in den letzten Tagen ein „vertrauliches Dokument“ erwähnt, das vom EU-Rat gebilligt wurde. Sein Inhalt: Die EU wird Russland nicht in die WTO lassen, solange es eine Reihe von EU-Anforderungen in der Energiewirtschaft, im phytosanitären Bereich, in der Landwirtschaft und im Verkehr nicht erfüllt. Dies ist eine völlig gesetzwidrige Bedingung: Das Protokoll über den Abschluss der bilateralen Russland-EU-Verhandlungen über Russlands WTO-Beitritt wurde bereits vor drei Jahren unterzeichnet.

In dieser Situation bleibt Moskau nichts anderes übrig, als eine maximal harte Position zu beziehen und den EU-Forderungen nicht nachzugeben, denn solche Zugeständnisse würden eine außenpolitische Blamage bedeuten, aber auch konkrete wirtschaftliche Verluste nach sich ziehen, meint der Experte.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 16. Mai 2007; http://de.rian.ru


Aktuelle Meldungen von RIA Novosti

Russland und EU bestätigen Interesse an neuem Vertrag über Partnerschaft

MOSKAU, 16. Mai (RIA Novosti). Russland und die Europäische Union haben ihr gegenseitiges Interesse an einem neuen Grundlagenvertrag über Partnerschaft bestätigt. Das teilte der Pressedienst des russischen Außenministeriums mit.

„Die russische Seite verwies auf Wichtigkeit einer Einigung der EU über das Mandat für Verhandlungen zu diesem Vertrag“, wurde nach den Verhandlungen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier in Moskau betont.

Lawrow und Steinmeier, der als Vertreter Deutschlands als EU- und G8-Vorsitzland nach Moskau kam, trafen sich zur Vorbereitung des Russland-EU-Gipfels in der Wolgastadt Samara am 17. und 18. Mai, der hauptsächlich dem Stand der gemeinsamen Beziehungen gewidmet ist.

„Während der Verhandlungen am Dienstag zeigten die Seiten ihre Zufriedenheit über die engere Zusammenarbeit bei der Realisierung der ‚Fahrpläne’ für die vier Gemeinschaftsräume von Russland und EU“, heißt es in der Mitteilung.

Beim Treffen verwiesen die Seiten auch auf eine hohe Dynamik der russisch-deutschen Beziehungen, die sich als strategische Partnerschaft sicher entwickeln.

Das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit ist das wichtigste Dokument, das die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union regelt. Das Abkommen wurde 1997 für zehn Jahre unterzeichnet und trat im selben Jahr in Kraft.

Im Dezember vorigen Jahres legte Polen wegen Russlands Einfuhrverbot von Fleischlieferungen in der EU-Kommission ein Veto gegen die Verhandlungsaufnahme zu einem neuen Abkommen ein. Moskau reagierte darauf gelassen und bemerkte, dass es zu jederzeit zur Aufnahme der Verhandlungen bereit sei.

Die russische Seite machte mehrmals darauf aufmerksam, dass alle Änderungen, die sich in den Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau in den letzten zehn Jahren in Politik und Wirtschaft vollzogen haben, im neuen Abkommen ihren Niederschlag finden müssen.

Volles Programm bei Russland-EU-Gipfel in Samara

MOSKAU, 17. Mai (RIA Novosti). Am heutigen Donnerstag beginnt in der russischen Wolgastadt Samara der Russland-EU-Gipfel. Auf der Tagesordnung stehen das neue Partnerschaftsabkommen, die Lage in Estland, der KSE-Vertrag und die US-Raketenabwehr in Europa.

Verhandlungen über neues Partnerschaftsabkommen

Der gegenwärtig geltende Partnerschaftsvertrag zwischen Russland und der Europäischen Union läuft im Dezember dieses Jahres ab. Die Perspektiven der Verhandlungen über ein neues Abkommen, die seit November 2006 von Polens Veto blockiert werden, seien eines der zentralen Themen in Samara, sagte Sergej Jastrschembski, Sonderbeauftragter des russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Beziehungen mit der EU, am Mittwoch. Bis Jahresende sei wohl kein neues Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der EU zu erwarten, sagte Jastrschembski. Denn beide Seiten haben mit den Verhandlungen über den Wortlaut des neuen Vertrags nicht einmal begonnen. Laut Jastrschembski wird der Aufschub keinesfalls zu einem "rechtlichen Vakuum" im Verhältnis zwischen Russland und der EU führen. "Das geltende Abkommen läuft zwar im Dezember ab, doch es kann verlängert werden", sagte er.

Importverbot für polnisches Fleisch

Auch der russische Einfuhrstopp für polnisches Fleisch, der Warschaus Veto gegen die Verhandlungen über das neue Partnerschaftsabkommen zur Folge hatte, soll auf dem Gipfel zur Sprache kommen. Russland hebe sein Importverbot für die Fleischlieferungen nur dann auf, wenn Polen seine Fleischeinfuhren aus Drittländern ordnungsgemäß kontrolliere, sagte Jastrschembski. Seinen Worten nach ist Russland an Fleischlieferungen aus Polen interessiert. Doch Polen habe unter anderem auch Gammelfleisch aus dritten Ländern nach Russland exportiert.

Krise mit Estland

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Beziehungskrise zwischen Russland und Estland, die nach dem Abriß des sowjetischen Kriegsdenkmals in der estnischen Hauptstadt Tallinn begann. Russland sei über die jüngsten Ereignisse in Estland besorgt und erwarte von der Europäischen Union ein besseres Verständnis für seine Sorgen, sagte Jastrschembski. In Estland und Lettland würden faktisch die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges revidiert, äußerte er. Moskau erwarte von der EU keine Maßnahmen mehr. "Wir hatten mit einer Reaktion gerechnet, doch nun ist es schon zu spät."

Streit um Kosovo-Status

Auf der Tagesordnung des Samara-Gipfels steht auch der Streit um den Status der südserbischen Provinz Kosovo. Der Kosovo-Plan des UN-Sonderbeauftragten Martti Ahtisaari sieht eine international kontrollierte Unabhängigkeit des Kosovo vor. Moskau lehnt den Plan ab, weil Serbien dagegen ist. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bei einem Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice am Dienstag für einen weiteren Dialog plädiert, um eine für Serbien und die Kosovo-Albaner annehmbare Lösung des Kosovo-Problems zu finden. "Unsere Position, obwohl sie mit der Haltung unserer westlichen Partner nicht übereinstimmt, wurde mit Verständnis aufgenommen", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach der Unterredung Putins mit Rice.

US-Raketenabwehr in Europa

Ein weiteres Thema des Gipfels ist die geplante Aufstellung der US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien, mit der sich die USA gegen eventuelle Raketenangriffe aus Nordkorea und Iran schützen wollen. Russland betrachtet diese Argumente als haltlos und sieht die Raketenabwehr gegen sich gerichtet.

Krise um KSE-Vertrag

Die Staats- und Regierungschefs Russlands und der EU werden bei ihren Treffen in Samara auch über die Zukunft des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) beraten, teilte der russische Vizeaußenminister Alexander Gruschko mit. Ihm zufolge ist der KSE-Vertrag aus dem Jahr 1990 schon lange veraltet. Der neu angepasste Vertrag, der 1999 in Istanbul vereinbart wurde, trat bisher nicht in Kraft, weil die NATO seine Ratifizierung vom Abzug der russischen Truppen aus Georgien und Moldawien abhängig macht, was laut Moskau durchaus unbegründet ist. Ende April hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Einfrierung des KSE-Vertrags eingeräumt, sollte die NATO ihre Truppen nicht reduzieren.

Der Marsch der Nichteinverstandenen

Oppositionelle Organisationen kündigten für den 18. Mai in Samara einen "Marsch der Nichteinverstandenen" an, der gleichzeitig mit dem Russland-EU-Gipfel stattfinden soll. Jastrschembski drückte die Hoffnung aus, dass der Marsch zu keinerlei dramatischen Vorfällen führen wird, "wie sie in Deutschland waren, als die deutsche Polizei Globalisierungsgegner auseinanderjagte."

Trotz vieler Probleme gebe es im Verhältnis zwischen Russland und der EU keine Krise, sagte Jastrschembski. "Die Beziehungen Russlands mit der EU entwickeln sich nicht schlecht. In der letzten Zeit wurden mehrere Probleme gelöst, die die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union hemmten." Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, nimmt dieses Mal nicht am Russland-EU-Gipfel teil.

Putin: Keine Tabu-Themen beim Russland-EU-Gipfel

WOLSCHSKI UTJOS, 18. Mai (RIA Novosti). Russlands Präsident Wladimir Putin rechnet während des jetzigen Russland-EU-Gipfels in Wolschski Utjos nahe der Wolga-Stadt Samara mit einer aufrichtigen Diskussion. "Wir wünschen uns ein offenes und aufrichtiges Gespräch ohne Tabu-Themen", sagte Putin am Freitag zum Auftakt der Diskussion.

Ihm zufolge ist in der Wolga-Region ein bedeutendes Industrie-, Kultur- und Tourismuspotential konzentriert. Putin drückte die Hoffnung aus, dass auch die EU-Bürger in diese Region reisen werden, nachdem die russisch-europäische Vereinbarung über Visaerleicherung zwischen Russland und der EU am 1. Juni in Kraft tritt.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte ihrerseits, sie möchte dieses Treffen nutzen, um die Zusammenarbeit, insbesondere im Energiesektor fortzusetzen.

Laut EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso soll der jetzige Gipfel den Aufbau der vier gemeinsamen Räume (Wirtschaft; Freiheit, Sicherheit und Justiz; Außensicherheit sowie Wissenschaft, Bildung und Kultur) zwischen Russland und der Europäischen Union vorantreiben. Barroso würdigte die russisch-europäische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Kultur und lobte die Entwicklung von zwischenmenschlichen Kontakten.

Putin berät mit Merkel und Barroso über neues Partnerschaftsabkommen Russland-EU und polnisches Veto

WOLSCHSKI UTJOS, 18. Mai (RIA Novosti). Russlands Präsident Wladimir Putin, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso haben sich am Freitag bei einem inoffiziellen Treffen in Wolschski Utjos bei Samara (an der Wolga) für ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen Russland und der EU ausgesprochen. Das teilte ein Sprecher der russischen Delegation Journalisten mit. Ihm zufolge diskutierten Putin, Merkel und Barroso über die Aufhebung des polnischen Vetos.

Das gegenwärtig geltende Partnerschaftsabkommen läuft am 1. Dezember 2007 ab. Polen hatte im November 2006 die Verhandlungen über ein neues Abkommen, das auf neue Realitäten ausgerichtet sein soll, mit einem Veto blockiert. Als Bedingung für die Rücknahme des Vetos forderte Warschau die Aufhebung des russischen Importverbots für polnische Fleischlieferungen.

Dem Sprecher zufolge informierte Putin seine Gegenüber auch über die jüngste Gasvereinbarung zwischen Russland, Kasachstan und Turkmenien. Diese Vereinbarung "ist eine gute Nachricht für Europa und Deutschland, weil Europa und Deutschland dank dieser Vereinbarung mehr Energieträger bekommen werden", äußerte der russische Staatschef.

Wie der Delegationssprecher weiter mitteilte, sprachen Putin, Merkel und Barroso auch über den geplanten Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO). Putin bekräftigte den Wunsch Russlands, der WTO bald möglichst beizutreten. Russland fordere für sich keine Privilegien innerhalb der WTO, werde jedoch diskriminierende Beitrittsbedingungen nicht akzeptieren, sagte Putin. Sein inoffizielles Treffen mit Merkel und Barroso fand am Rande des Russland-EU-Gipfels statt.

Putin: Beim Russland-EU-Summit wurden Vereinbarungen über fast alle Fragen getroffen

WOLSCHKI UTJOS (Gebiet Samara), 18. Mai (RIA Novosti). Die Teilnehmer des heutigen Russland-EU-Summits im Gebiet Samara haben sich über nahezu alle Angelegenheiten geeinigt. Das teilte der russische Präsident Wladimir Putin am Freitag auf einer Pressekonferenz mit. Nur die Wirtschaftsprobleme mit einzelnen Ländern seien ungelöst geblieben, ergänzte er. Über diese Themen werde Moskau mit seinen Kontrahenten weiterhin diskutieren. Nach Einschätzung des russischen Staatschefs geht es „um den wirtschaftlichen Egoismus dieses oder jenes Landes.“

Darüber hinaus dementierte Putin die Behauptung, dass während des Summits keine einzige konkrete Vereinbarung getroffen worden wäre. „Das ist absolut falsch“, sagte er einem deutschen Reporter.

Putin: Russland-EU-Gipfel hat Interesse der Seiten an konstruktivem Dialog bewiesen

SAMARA, 18. Mai (RIA Novosti). Der heutige Russland-EU-Gipfel bei Samara hat bewiesen, dass die beiden Seiten an der Kooperation und an der Suche nach Auswegen aus Streitfragen interessiert sind. Das stellte Präsident Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen fest.

Zugleich gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass Moskau und Brüssel abermals ihre Bereitschaft zu gemeinsamen Bemühungen im Interesse des Friedens und der Stabilität bestätigen werden. „Zu einem wichtigen Teil des Summits wurde die Diskussion über die wichtigsten internationalen Probleme“, fuhr Putin fort. In diesem Kontext erwähnte er die Situation um das iranische Atomprogramm, die Perspektiven der Konfliktregelung im Nahen Osten, die Lage in Afghanistan und auf dem Balkan.

Weiter bedankte sich der russische Präsident bei den Teilnehmern des Treffens für das nützliche Gespräch und für ihr Verständnis dafür, dass für eine stabile Entwicklung aller europäischen Staaten ein gleichberechtigter Dialog nötig sei.

Alle Meldungen: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru


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