Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Energiesicherheit bleibt Thema Nummer 1

EU-Spitzenpolitiker bei Putin und Medwedjew / Westeuropa sauer über Russlands Autoimport-Politik

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Knapp drei Wochen nach Ende des Gasstreit ist der russische Präsident Medwedjew am Freitag (6. Feb.) in Moskau mit EU-Kommissionspräsident Barroso zusammengetroffen.

Es war eine sehr umfangreiche Tagesordnung, die Russlands Regierung und die EU gestern in nur wenigen Stunden in Moskau abzuarbeiten hatten. Und es waren vor allem Probleme, die auf der Agenda standen: Probleme, zu denen beide Seiten eine höchst unterschiedliche Sicht haben.

Ganz oben an stand Energiesicherheit. Aus gutem Grund. Bei Gas ist Russland Europas größter, bei Öl und dessen Derivaten zweitgrößter Lieferant. Durch den Gaskrieg, den Kiew und Moskau sich zu Jahresbeginn lieferten, wurde es in weiten Teilen Süd- und Westeuropas im Wortsinn fußkalt.

Sauer war der EU auch aufgestoßen, dass Russland Mitte Januar die Einfuhrzölle für ausländische Gebrauchtwagen drastisch erhöht hatte. Damit will Moskau die heimische Autoindustrie schützen. Diese hatte wegen erheblicher technischer Rückstände schon vor der Krise mit Absatzproblemen zu kämpfen. Brüssel sprach von Protektionismus, musste sich aber von Russland vorhalten lassen, dass auch Europa bisweilen zu diskriminierenden Praktiken greift.

Premier Wladimir Putin nutzte die Gelegenheit, um nochmals für gemeinsames Krisenmanagement zu werben. Die EU und Russland müssten ihr Auftreten beim so genannten Gipfel der 20 in London koordinieren. Dort treffen sich am 2. April die größten Industrienationen und die wichtigsten Schwellenländer zu einer zweiten Runde. Die erste fand im November in Washington statt.

Die EU, mit der Russland knapp 50 Prozent ihres Außenhandels abwickelt und auf die rund 80 Prozent aller in Russland getätigten ausländischen Investitionen entfallen, sei »einer der größten wirtschaftlichen und politischen Partner Russlands«, sagte Präsident Dmitri Medwedjew, mit dem Kommissionspräsident José Manuel Barroso und die ihn begleitenden EU-Kommissare am Nachmittag zusammentrafen. Er hoffe daher, dass »die Wiederaufnahme der regulären Arbeit zwischen der russischen Regierung und der Europäischen Kommission produktiv« sein und eine gute Grundlage für den nächsten Gipfel im Mai schaffen werde.

Das letzte Jahr, so zuvor Medwedjews außenpolitischer Berater, Sergej Prichodko, sei für die bilateralen Beziehungen ein »Härtetest« gewesen. Beide hätten die Prüfung jedoch bestanden und gezeigt, dass sie fähig sind, »Meinungsverschiedenheiten effektiv zu überwinden«.

Der Beamte bezog sich dabei auch auf den August-Krieg im Kaukasus, der Brüssel veranlasst hatte, die Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen auszusetzen. Sie begannen erst im Dezember und sind, wie gestern aus russischen Delegationskreisen verlautete, sehr problematisch. Moskau möchte neben der wirtschaftlichen auch die politische Zusammenarbeit auf eine qualitativ neue Stufe stellen und wirbt dabei insbesondere für einen von Medwedjew angeregten europäischen Sicherheitsvertrag. Die EU hält sich bedeckt, weil das Dokument mit den Interessen der NATO kollidieren könnte.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Februar 2009


Zurück zur Russland-Seite

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage