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Putin in Peking

Gespräche über verstärkte wirtschaftliche Kooperation zwischen Rußland und China geplant

Von Rainer Rupp *

Wladimir Putin, derzeit noch Premierminister Rußlands und schon bald wieder Präsident des Riesenlandes, hat heute einen zweitägigen Besuch in China begonnen. Dabei soll ein Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Modernisierung der Wirtschaft unterzeichnet und 20 Großprojekte im Gesamtwert von sieben Milliarden Dollar besiegelt werden. Der gegenseitige Warenaustausch soll im laufenden Jahr einen neuen Rekordstand von 70 Milliarden Dollar erreichen. Außerdem wird über die verbesserte Kooperation in Bereichen wie Nanotechnologie, Weltraumforschung, Biotechnologie und IT-Industrie beraten werden. Politische und militärische Gespräche stehen nicht auf der offiziellen Tagesordnung. Dennoch werden westliche Analysten Putins Besuch in Peking auch diesbezüglich ganz genau unter die Lupe nehmen.

Rußland und China treten in letzter Zeit den Hegemonialbestrebungen der USA und der von ihr geführten NATO viel bestimmter entgegen als noch vor Jahresfrist. Auf das gemeinsame Veto im UN-Sicherheitsrat am 4. Oktober gegen die antisyrische Resolution der westlichen Staaten hatte die US-Außenministerin Hilary Clinton äußerst ungehalten reagiert und verärgert eine Erklärung von Moskau und Peking gefordert. Diese bekam sie letzten Freitag vom russischen Präsidenten Medwedew in unerwartet deutlicher Form.

Die Aufgabe der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bestünde nicht darin, dem Westen zu ermöglichen, »mit pseudojuristischen Tricks die eigenen Ziele mit militärischer Gewalt durchzusetzen«, erklärte Präsident Medwedew unter Anspielung auf die Flugverbotsklausel in der UN- Resolution 1973 gegen Libyen. Dafür sei »die UNO nicht etabliert worden«. Statt dessen präsentierte Medwedew ein russisch-chinesisches Konzept zur Konfliktregelung in Syrien, das im Unterschied zu dem des Westens nicht im einseitigen Schüren der Gegensätze der Bürgerkriegsparteien, sondern auf Dialog und Ausgleich ausgerichtet ist. Zugleich soll eine militärische Einmischung von außen für unzulässig erklärt werden, um so eine Wiederholung der von westlichen Vertretern bereits als Modell gepriesenen NATO-Intervention in Libyen in Zukunft zu verhindern.

Vor dem Hintergrund, daß China und Rußland im nächsten Jahr die Führungsspitze auswechseln, wird dem Besuch Putins in Peking besondere Beachtung geschenkt. Die bilateralen Beziehungen sind trotz aller diplomatischer Bekenntnisse zu gemeinsamen sicherheitspolitischen Prinzipien, der engen Zusammenarbeit im Schanghai-Kooperationsrat und des rapide wachsenden Handels nicht ohne potentielle Spannungsfelder und altem Mißtrauen. So dürfte Peking sicherlich neugierig auf Putins Erläuterungen zu dessen jüngst vorgestelltem Plan einer eurasischen Wirtschaftszone sein, die die meisten der ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion umfassen soll. Inwieweit dadurch Chinas massive Energieinteressen in Zentralasien betroffen werden, ist für Peking von großem Interesse.

Dennoch werden beide Länder Putins Besuch nutzen, um sich gegenüber dem Westen als geopolitische Partner zu präsentieren, wobei das enge Verhältnis zwischen dem großen Energieexporteur Rußland und dem importabhängigen China eine besondere Rolle spielt. Nicht zuletzt signalisiert Moskau dadurch an die Adresse Europas, das bei neuen Energiedeals mit Rußland zaudert, daß es in Asien ausreichend Kunden für sein Gas gibt.

* Aus: junge Welt, 11. Oktober 2011


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