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Medwedjew präsentierte der Duma durchwachsene Bilanz

Russlands Premier: Positive Wirtschaftsdaten, nachlassende Dynamik

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Für alles, was man tut, müsse man sich im Leben auch verantworten. Als er, Dmitri Medwedjew, damals Präsident Russlands, die Regel einführte, wonach der Regierungschef dem Parlament alljährlich Rede und Antwort stehen muss, hätte er sich nicht einmal träumen lassen, dass er je selbst diesen Part übernehmen werde.

Mit diesen Worten begann Russlands Ministerpräsident Medwedjew am Mittwoch seine erste Rechenschaftslegung vor dem Parlament. Und gleich im zweiten Satz forderte er von den Abgeordneten Geduld: Sein Bericht werde alles andere als kurz ausfallen. Die Warnung war berechtigt, die Bilanz selbst fiel durchwachsen aus.

Die Wirtschaftsdaten für 2012 seien zwar überwiegend positiv, sagte Medwedjew und lobte vor allem die relativ niedrige Staatsverschuldung - 10 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, in Deutschland sind es 83 Prozent - und das geringe Haushaltsdefizit: 0,06 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Löhne stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Prozent; die Arbeitslosigkeit sei mit 5,5 Prozent »konkurrenzlos niedrig«. Auch könne sich das Wirtschaftswachstum mit 3,4 Prozent im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen.

Die Dynamik habe sich jedoch in den ersten Monaten 2013 verlangsamt und das, so Medwedjew weiter, sei »mit erheblichen Risiken verbunden«. Auch für soziale Vorhaben und die ambitionierten regionalen Förderprogramme. Gemeint war vor allem das Zielprogramm für den Fernen Osten.

Das russische Wirtschaftsministerium hatte die Wachstumsprognosen schon im März nach unten korrigiert. Der Präsident sei informiert, versicherte Medwedjew. Er habe zu Wochenbeginn mit Wladimir Putin über Möglichkeiten gesprochen, »die Dynamik bei Grundkennziffern zu verbessern«. Das russische Finanzsystem sei zuverlässig und biete die Möglichkeit, günstig Geld auf dem Weltmarkt zu leihen, lobte der Regierungschef. Gleichzeitig rief er jedoch dazu auf, das Geschäftsklima weiter zu verbessern, die Wirtschaft effizienter und konkurrenzfähiger zu gestalten.

Auch müsse der Staat angesichts der nach wie vor beträchtlichen Kapitalflucht Mittel und Wege finden, jene zu unterstützen, die ihr Vermögen in Russland lassen.

Auch sein Bekenntnis zur Demokratie bekräftigte Medwedjew erneut. Bereits Mitte Februar beim Wirtschaftsforum im sibirischen Krasnojarsk hatte der Regierungschef unterstrichen: »Als ein Mensch, der in Russland lebt und den Entwicklungsprozess des Landes leitet, bin ich absolut sicher, dass es bei uns ohne Demokratie weder Wachstum noch Wohlstand geben kann.«

Um kritische Fragen kam Medwedjew dennoch nicht herum. Damit hatten die drei in der Duma vertretenen Oppositionsparteien - KPRF, die Mitte-Links-Partei Gerechtes Russland und die ultranationalen Liberaldemokraten - schon am Vorabend gedroht.

Kritisch hatte sich zuvor auch die Moskauer Hochschule für Ökonomie geäußert, die in Fachkreisen - auch in russischen - trotz ihrer Distanz zum Kreml hohes Ansehen genießt. Die Forscher monierten vor allem, dass Medwedjew zwar seit Jahren die Trommel für eine umfassende Modernisierung und Diversifizierung der russischen Wirtschaft rührt, sich praktisch aber nichts tue. Mehr noch: Der Anteil der Öl- und Gasproduktion an der Gesamtwirtschaftsleistung sei im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Sollten die Energiepreise auf den Weltmärkten weiter abstürzen, werde das für Russland »katastrophale Folgen« haben, warnten die Ökonomen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 18. April 2013


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