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Medwedew auf Asienkurs

Moskau setzt Prioritäten im Osten: Rußlands neuer Präsident besucht bei erster Auslandsreise Kasachstan und China

Von Rainer Rupp *

Die Reihenfolge der ersten Auslandsbesuche eines neuen Staatspräsidenten ist immer von großer symbolischer Bedeutung, werden damit doch politische Signale gesetzt. Exemplarisch dafür steht die erste Auslandsvisite des neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in dieser Woche in Kasachstan und China. Moskau unterstreicht damit einerseits gegenüber den USA und der Europäischen Union, daß Rußland auch ein asiatisches Land ist, und daß es der Entwicklung guter Beziehungen zum längst nicht mehr schlafenden chinesischen Riesen große Bedeutung beimißt. Zum anderen zeigt der erste Stopp in Kasachstan am Donnerstag und Freitag, wie sehr Moskau die enge Zusammenarbeit mit den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien am Herzen liegt, zumal deren Öl- und Gasvorkommen starke US-amerikanische, europäische und chinesische Begehrlichkeiten geweckt haben.

Wirtschaftsabkommen

Mit seinem zweitägigen Besuch in Peking am Freitag und Samstag folgt Medwedew, der sein Amt am 7. Mai angetreten hatte, einer Einladung von Chinas Staatschef Hu Jintao. Wie der russische Botschafter in China, Sergej Rasow, vorab bereits angekündigt hatte, werden die beiden Staatspräsidenten bei diesem ersten Zusammentreffen eine Reihe von Dokumenten unterzeichnen, darunter ein Abkommen über die Kooperation im Atomenergiebereich und eine gemeinsame Deklaration zu grundlegenden internationalen Fragen. Rußland, China und Kasachstan sind Gründungsmitglieder der sicherheitspolitischen »Schanghai- Organisation für Zusammenarbeit« (Shanghai Cooperation Organisa­tion– SCO), zu der auch die meisten zentralasiatischen Staaten gehören. Die SCO ist darauf ausgerichtet, in der Region ein Gegengewicht zum selbstherrlich-aggressiven globalen Gebaren der USA und deren NATO-Verbündeten zu schaffen. Daher ist davon auszugehen, daß die gemeinsame russisch-chinesische Deklaration mit Blick gen Westen unter Berufung auf das geltende Völkerrecht einen Verhaltenskodex für die friedliche Gestaltung der internationalen Beziehungen präsentieren wird.

Die geopolitische Symbolik von Medwedews erstem Auslandsbesuch wird in Brüssel und Washington nicht unbeachtet bleiben, zumal westliche »Kreml-Experten« bereits von einer stärkeren Westorientierung des neuen russischen Präsidenten als bei Putin sprachen. Doch alle in den kommenden Monaten stattfindenden Veranstaltungen, die für Moskau von Bedeutung sind, werden »asiatisch« sein. So steht im Juni jenseits des Urals in Chanty-Mansijsk der Rußland-EU-Gipfel bevor. Im Juli tagt auf der japanischen Insel Hokkaido der G-8-Gipfel. Darauf folgt das SCO-Gipfeltreffen in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, bei dem auch die Aufnahme der Islamischen Republik Iran zur Diskussion steht.

Rechnung mit Realitäten

Mit seinen ersten Auslandsreisen, die von der russischen Diplomatie noch unter Präsident Putin festgelegt worden sind, reflektiert Medwedew die Realitäten der Lage seines Landes. Kasachstan ist der wichtigste Verbündete Rußlands unter den ehemaligen Republiken der UdSSR. Daher hat Medwedews erster Stopp in der kasachischen Hauptstadt Astana große Symbolkraft. – Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war erwartet worden, daß die Ukraine als am meisten entwickeltes Land nach Rußland in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) die wichtigste Rolle spielen würde. Aber die Ukraine versank in einem politischen Chaos, dessen Höhepunkt die »orange Revolution« im Winter 2003/2004 bildete. In der Folge gelangte mit Hilfe von USA und EU in Kiew eine antirussisch eingestellte Regierung ans Ruder. Im Ergebnis verlor die Ukraine ihren Einfluß in der GUS-Zone; um ihre wirtschaftlichen und sonstigen Aussichten steht es nicht gut. Kasachstan dagegen entwickelte sich unterdessen zu einem eurasischen Wirtschaftswunder. Es hat Rußland in bezug auf Lebensstandard und viele andere Pro-Kopf-Zahlen überholt. Und mit keinem anderen Land in der GUS hat Moskau gleich enge Verbindungen wie mit Kasachstan.

Auch zu Peking sind die Beziehungen Moskaus so eng wie nie zuvor. In den letzten zehn Jahren stand China abwechselnd an zweiter und dritter Stelle unter Rußlands Wirtschaftspartnern – nach Deutschland und bisweilen Italien. Russen und Chinesen finden bei vielen globalen Fragen sofort eine gemeinsame Sprache, oder sie stören sich nicht gegenseitig bei ihren Aktivitäten in Afrika oder Lateinamerika. In den 90er Jahren, während der vom Westen gestützten Jelzin-Regierung, hatte die damals in Rußland starke amerikanisch-europäische Propaganda versucht, Angst gegenüber China zu schüren. Das Reich der Mitte wurde als Gefahr bezeichnet. Dieser Propaganda glaubten weder die politische Klasse noch die einfachen Bürger. Dennoch gibt es auch in den Beziehungen zu Peking Probleme: vor allem deshalb, weil China für Rußland in der Rangfolge der Prioritäten ganz vorne steht, nicht aber Rußland für China. Das kühl-wohlwollende Verhalten der Chinesen zu den Russen ist nicht zu übersehen und kündet von zukünftigen Problemen.

* Aus: junge Welt, 24. Mai 2008


Kremlchef in Kasachstan

»Wir sprechen eine gemeinsame Sprache« *

Anläßlich des Besuchs des neuen Präsidenten Rußlands, Dmitri Medwedew, bei seinem Amtskollegen Nursultan Nasarbajew in der zentralasiatischen Republik Kasachstan wurden am Donnerstag in Astana mehrere bilaterale Wirtschafts- und Forschungsabkommen unterzeichnet. Zugleich schlug die zentralasiatische Republik Moskau ein langfristiges Abkommen über die ökonomische Kooperation und Integration beider Länder vor. Medwedew wertete »die festen und vielfach getesteten« Beziehungen zwischen den beiden Ländern als »besonders vertrauensvoll«, die beiden Wirtschaften seien gut ineinander integriert. »Wir sprechen eine gemeinsame Sprache, und damit hängt auch der Beschluß zusammen, meinen ersten Besuch gerade Kasachstan abzustatten«, sagte der russische Präsident, bevor er am Freitag nach Peking weiterflog.

Unmittelbar vor seinem Reiseantritt am 22. Mai hatte der neue Kremlchef betont, Rußland plane, die wirtschaftlichen Strukturen zu optimieren, um die Beziehungen zu China weiter zu verbessern und den bilateralen Güteraustausch bereits in naher Zukunft auf ein Volumen von 70 Milliarden Dollar jährlich zu steigern. Der russisch-chinesische Handel hat in der Tat rasante Wachstumsraten vorgelegt. Allein im Jahr 2007 war der bilaterale Güteraustausch um 44 Prozent auf insgesamt 48 Milliarden Dollar hochgeschnellt. Obwohl Rußland über ungeheure Rohstoffreserven verfügt, insbesondere Gas und Öl, steht deren Exportsteigerung nicht an erster Stelle der wirtschaftlichen Prioritätenliste Moskaus. Statt dessen will der Kreml die Innovationen fördern und den Export von zivilen Hochtechnologieprodukten nach China forcieren. Zugleich sucht er mit dem Reich der Mitte die verstärkte Kooperation im Bereich der Forschung und Entwicklung. »Ich bin sicher, daß das 21. Jahrhundert bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Rußland und China ein Jahrhundert von High-Tech-Kooperation, Nanotechnologien, Schiff- und Kraftfahrzeugbau sein wird. Das ist es, was für das Wachstum unserer Wirtschaften notwendig ist«, betonte Medwedew. (rwr)

* Aus: junge Welt, 24. Mai 2008


Präsidenten Russlands und Kasachstans nehmen Erklärung über Förderung bilateraler Kooperation an **

Die Präsidenten Russlands und Kasachstans, Dmitri Medwedew und Nursultan Nasarbajew, haben am Donnerstag (22. Mai) eine Erklärung über die Förderung der bilateralen Kooperation angenommen.

Das Dokument kam zum Abschluss der Verhandlungen beider Präsidenten in Astana zustande, hieß es in der kasachischen Hauptstadt. Medwedew hält sich zu einem Antrittsbesuch als Staatschef in Kasachstan auf.

In der Erklärung bekunden die beiden Staatschef das Interesse ihrer Länder an der Entwicklung und Festigung guter Nachbarschaft, Freundschaft und gegenseitig vorteilhafter Zusammenarbeit. "Russland und Kasachstan werden auch weiter reguläre politische Kontakte auf höchster und hoher Ebene pflegen sowie im Interesse der Entwicklung der umfassenden regionalen Kooperation zwischen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zusammenwirken. Die Präsidenten bekräftigen die große Bedeutung der weiteren effektiven Nutzung des Raumbahnhofs Baikonur (auf dem Territorium Kasachstans) im Interesse Russlands, Kasachstans und anderer Länder", heißt es in der Erklärung.

"Russland und Kasachstan wollen ihre Beziehungen ausbauen und die Zusammenarbeit in der Verteidigung und im militärtechnischen Bereich als einer wichtigen Komponente der strategischen Partnerschaft im Interesse der Erhaltung der regionalen und globalen Sicherheit festigen... Beide Seiten wollen eng im Rahmen der militär-strategischen Partnerschaft auf der Grundlage des Vertrages über die kollektive Sicherheit vom 15. Mai 1992 zusammenwirken", heißt es in dem Papier.

Russland und Kasachstan hätten übereinstimmende bzw. ähnliche Positionen zu den wichtigsten internationalen Problemen und wollten ihre Kontakte im außenpolitischen Bereich erweitern, stellen Medwedew und Nasarbajew fest.

Die beiden Präsidenten wollen die Regierungen ihrer Länder beauftragen, einen gemeinsamen Aktionsplan für 2009/2010 zu erstellen und bis Ende 2008 zur Bestätigung vorzulegen.

Medwedew war am Donnerstag (22. Mai) zu einem zweitägigen Besuch Kasachstans in Astana eingetroffen. Das ist seine erste Auslandsreise als russischer Präsident.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 22. Mai 2008


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