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Völkermord in Ruanda

Das Versagen der UNO

Die von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Kommission zur Untersuchung des Umgangs der UNO mit dem Völkermord in Ruanda ist zu einem vernichtenden Urteil gekommen: Hinweise auf den geplanten Völkermord, dem 1994 rund 800 000 Tutsi und gemäßigte Hutu zum Opfer fielen, seien ignoriert und, als das Morden im Gange war, ein Eingreifen verweigert worden, heißt es in dem Bericht, der am 16. Dezember in New York veröffentlicht wurde. Zu der dreiköpfigen Kommission unter Vorsitz des früheren schwedischen Ministerpräsidenten Ingvar Carlsson gehörten der frühere Außenminister Südkoreas, Han Sung-Joo, und der nigerianische General Rufus Modupe Kupolati. Sie hatte Zugang zu allen Akten und Aufzeichnungen der Vereinten Nationen einschließlich interner Dokumente und Telegramme.

Das Versagen der Weltorganisation wird an mehreren Beispielen verdeutlicht. So hatte der Befehlshaber der 1993 entsandten UN-Mission für Ruanda (UNAMIR), der kanadische General Romeo Dallaire, Anfang 1994 in einem Telegramm an die UN-Zentrale in New York auf die Gefahr eines Völkermordes hingewiesen. Diese Information sei aber nicht angemessen beachtet, geschweige denn an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet worden. Auch ein bereits im August 1993 vorgelegter Bericht des UN-Menschenrechtsermittlers für Ruanda, in dem dieser vor der Gefahr eines Massakers gewarnt hatte, sei ignoriert worden.

Die Hauptkritik des Berichts richtet sich aber gegen die Art und Weise, in der die UN auf den Beginn des Völkermords reagierten. Die Mitglieder des Sicherheitsrates seien nicht bereit gewesen, eine schlagkräftige Friedenstruppe aufzustellen. Die Erfahrung des gescheiterten Somalia-Einsatzes habe bei dieser Weigerung eine wichtige Rolle gespielt, vor allem bei den USA. Hingegen waren die in Ruanda stationierten UNAMIR-Blauhelme für einen Kampfeinsatz nicht ausgerüstet.

UN-Generalsekretär Annan, der zur Zeit des Völkermords für die UN-Friedensmissionen zuständig war, erklärte in einer Stellungnahme zu dem Bericht, er gebe das Versagen der UNO zu und bereue es zutiefst. Als Lehre müssten die Reaktionsmöglichkeiten der UNO verbessert werden, wie das auch die Untersuchungskommission verlange. Dazu wolle er bald Empfehlungen vorlegen. "Von allen Aufgaben, die mir als Generalsekretär übertragen sind, ist keine andere für mich wichtiger als jene, dafür zu sorgen, dass die Vereinten Nationen nie mehr dabei versagen dürfen, eine Zivilbevölkerung vor Völkermord und Massengemetzel zu schützen", so Annan.

Die Carlsson-Kommission fordert unter anderem, die Vereinten Nationen - vor allem die Mitglieder des Sicherheitsrats sowie jene Staaten, die Blauhelme entsenden - sollten sich darauf vorbereiten, immer einzugreifen, wenn Völkermord drohe. Erhöht werden müssten daher auch die Kapazitäten der UNO zur systematischen Erfassung, Analyse und Verarbeitung von Informationen aus Krisenregionen. Schließlich sei es unerlässlich, den Informationsfluss von nachgeordneten Stellen zum UN-Sicherheitsrat zu verbessern. Karin Adelmann
Aus: Entwicklung und Zusammenarbeit (E+Z), Nr. 2, Februar 2000, S. 50

Ende 1999 wurde ein Bericht veröffentlicht, der die Rolle der Vereinten Nationen während des Völkermords in Ruanda 1994 untersucht. Auszüge aus diesem Dokument veröffentlichte im Heft 2/2000 die Zeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik" erstmals in deutscher Übersetzung. Wegen der großen Bedeutung dieses Berichts und seiner politischen Schlussfolgerungen empfehlen wir sehr die Lektüre: UNO-Bericht

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