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Rumänien bleibt neoliberal

Alles wie vorhergesagt: Am 16. November kommt es zur Stichwahl zwischen Victor Ponta und Klaus Johannis um das Präsidentenamt

Von Roland Zschächner *

Bei der Präsidentschaftswahl in Rumänien am Sonntag konnte sich keiner der 14 Kandidaten durchsetzen, weswegen es am 16. November zur Stichwahl zwischen dem derzeitigen Ministerpräsidenten Victor Ponta und dem Bürgermeister der Stadt Sibiu, Klaus Johannis, kommen wird. Ponta erhielt laut am Montag abend bekanntgegebenen Endergebnis 40,4 Prozent der Stimmen, Johannis konnte 30,4 Prozent erringen. Alle weiteren Kandidaten landeten abgeschlagen auf den Plätzen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50 Prozent.

Das linke rumänische Internetportal Critic Atac nannte den Urnengang eine »Abstimmung ohne Wahlmöglichkeit«, denn alle Kandidaten propagierten eine neoliberale Politik. Die Unterschiede zwischen Johannis und Ponta sind marginal: Beide treten für eine bedingungslose Westanbindung ein und die Unterordnung der Rechte der Arbeiter unter die Interessen des Kapitals.

Johannis ist Vorsitzender der konservativen Nationalliberalen Partei (PNL) und Bürgermeister der transsylvanischen Stadt Sibiu. Er gibt sich öffentlich als Gegenmodell zum typischen korrupten rumänischen Politiker. Sibiu hat in den vergangenen Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Dieser ist – Johannis gilt als Politiker mit guten Kontakten zur Europäischen Union und »Vertrauter« von Bundeskanzlerin Angela Merkel – auf das Abschöpfen von EU-Fördermitteln zurückzuführen. Nicht unwesentlich dürfte dazu seine Mitgliedschaft im »Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien«, einer »Deutschtums«-Organisation, beigetragen haben.

Ponta ist Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und seit 2012 Ministerpräsident. Er ist damals infolge von Protesten in Bukarest und anderen großen Städten an die Macht gekommen. Er löste mittels einem von ihm initiierten Misstrauensvotum die konservative Regierung ab.

Ursachen der Proteste am Jahresanfang 2012 waren weitreichende Kürzungen. 2008 war Rumänien von der weltweiten Finanzkrise betroffen, die Regierung reagierte mit einer harten Austeritätspolitik. So wurden die Gehälter im öffentlichen Dienst um 25 Prozent gesenkt, im Gesundheitsbereich wurden staatliche Zuschüsse gestrichen und Renten gekürzt.

Die sozialliberale Regierungskoalition von Ponta machte zwar einige der Entscheidungen rückgängig, änderte aber nichts an der generellen neoliberalen Ausrichtung. Das betrifft vor allem die Rechte der Arbeiter, die immer weiter beschnitten wurden. Zudem wurde die vom damaligen Präsidenten Traian Băsescu durchgesetzte Einheitssteuer von 16 Prozent beibehalten.

Mit dem Aufstieg von Ponta ist auch die Kooperation mit den USA intensiviert worden. 2012 wurde bekannt, dass der ehemalige US-General Wesley Clark als Berater für die Regierung tätig ist. So empfahl Clark, der das Kommando über die KFOR-Truppen im Kosovo-Krieg innehatte, den Kauf von F-16-Kampfflugzeugen. Außerdem sprach er sich für die Förderung von Schiefergas mittels der umweltschädlichen Methode des »Frackings« aus.

Zwar waren nach Protesten unter anderem im nordrumänischen Dorf Siliștea Probebohrungen abgebrochen und ein Fracking-Verbot verhängt worden. Doch bereits ein Jahr später erteilte die Regierung der US-Firma Chevron eine Lizenz für neue Probebohrungen, mit denen im Mai dieses Jahres begonnen wurde. Auch das Unternehmen BNK-Petroleum, in dessen Vorstand Clark sitzt, ist an der Ausbeutung der rumänischen Lagerstätten beteiligt.

Rumänien ist als Schwarzmeer-Anrainer und mit seinen Bodenschätzen wie Kohle und Erdgas sowohl für die Europäische Union als auch die USA geopolitisch interessant. Der Balkanstaat ist Teil der postsozialistischen Peripherie: Westliche Firmen nutzen die niedrigen Kosten für die Produktion nahe am europäischen Absatzmarkt. Durch Privatisierungen von vormaligen Staatsbetrieben konnte sich zudem westliches Kapital einen großen Anteil an der Wirtschaft sichern, inklusive der Ausbeutung der Rohstoffe. Außerdem ist das Land durch die schlechten Lebensbedingungen ein Arbeitskraftreservoir, vor allem für Spanien und Italien, wo Rumänen meist ohne Verträge schuften.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. November 2014


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