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Noch ein Erfolg der Berliner Hegemonialpolitik: Klaus Johannis aus Sibiu winkt die zweite Runde der rumänischen Präsidentenwahl

Von Jörg Kronauer *

Umfragen geben ihm gute Chancen: Klaus Johannis könnte bei der Präsidentenwahl in Rumänien am 2. November den zweiten Platz nach dem amtierenden Ministerpräsidenten Victor Ponta erringen und in die Stichwahl am 16. November einziehen. Das wäre eine Premiere: Johannis zählt nicht nur zur deutschsprachigen Minderheit des Landes; er ist auch Mitglied der führenden rumänischen »Deutschtums«-Organisation, des »Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien« (DFDR), das er von 2002 bis 2013 leitete. Das DFDR und Johannis persönlich unterhalten enge Beziehungen nach Deutschland und vor allem zu Berliner Regierungsstellen, die das rumänische »Deutschtum« systematisch fördern.

Die deutschsprachige Minderheit Rumäniens hat vor allem in den Jahren von 1990 bis 2004 hohe Summen aus dem Bundeshaushalt erhalten – insgesamt mehr als 88 Millionen Euro. Die Mittel hatten damals einen doppelten Zweck: Zum einen sollten sie die »Deutschtums«-Strukturen stärken, die aus Sicht des deutschen Staates stets auch ein wichtiges Einflussinstrument waren und sind. Zum anderen sollten sie aber auch die Minderheit im Lande halten. Das ist nicht wirklich gelungen: Wurden die »Rumäniendeutschen« 1989 noch auf rund 200.000 geschätzt, wird ihre Zahl heute mit 36.900 angegeben; viele sind in die Bundesrepublik ausgewandert. Dennoch erhält die Gruppierung auch weiterhin viel Geld – im Jahr 2013 mehr als 1,7 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Hinzu kommen private Mittel, etwa Fördergelder der Düsseldorfer Hermann-Niermann-Stiftung, die sich die »Unterstützung ethnischer Minderheiten und Volksgruppen« auf die Fahnen geschrieben hat.

Geld und Jobs

Die Mittel sind im bitterarmen Rumänien viel wert. Exemplarisch ist das in Sibiu (»Hermannstadt«) zu sehen, der 150.000-Einwohner-Stadt, als deren Bürgermeister Johannis seit dem Jahr 2000 wirkt; er wurde inzwischen dreimal wiedergewählt. Als er damals ins Amt kam, hatte – zusätzlich zur üblichen Förderung aus den Töpfen der Bundesregierung – gerade die Entwicklungsagentur GTZ begonnen, im Auftrag des zuständigen Bundesministeriums die Altstadt von Sibiu zu renovieren. Insgesamt ermöglichte es das deutsche Geld, Sibiu für 2007 zur »Kulturhauptstadt Europas« zu machen. Die Stadt gilt dabei als Produkt »deutscher« Geschichte und Kultur.

Johannis ist es gelungen, über die »Deutschtums«-Gelder und die Kulturförderung hinaus noch weitere Mittel anzuwerben: Investitionen von Unternehmen. Firmen aus der Bundesrepublik investieren in Rumänien allgemein wegen der außerordentlich niedrigen Löhne. In Sibiu etwa verdient ein ungelernter Arbeiter oft kaum mehr als den Mindestlohn von 162 Euro; die Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter und damit für Unternehmer profitabler. Außerdem sind die Lieferwege nach Deutschland kürzer als etwa bei Fabriken in China. Johannis beschreibt seine Idee so: »Es ist nun mal ein Unterschied, ob man für das Gespräch mit dem Vorarbeiter einen Dolmetscher braucht oder sich mit ihm direkt unterhalten kann.« Johannis war mit dieser Werbung sehr erfolgreich. Große Konzerne wie Siemens und Continental siedelten sich in oder nahe Sibiu an. Insgesamt stellen deutsche Unternehmen im »Kreis Hermannstadt« mittlerweile mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze.

Sprachenpolitik

Wegen der Mischung aus »Deutschtums«-Tradition und erfolgreicher Wirtschaft besuchen schon seit Jahren deutsche Politiker immer wieder Sibiu und treffen mit Johannis persönlich zusammen. 2007 würdigte der damalige Bundespräsident Horst Köhler dort das »positive Wirken der Deutschen in Osteuropa am Beispiel Hermannstadts«. Zuletzt war Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Mitte September in Sibiu und verhandelte mit Johannis und mit dessen Nachfolger an der Spitze des DFDR, Paul-Jürgen Porr, über die künftige Unterstützung aus Berlin. »Im Vordergrund des Gesprächs standen die Anliegen der deutschen Minderheit in Rumänien, insbesondere die Fördermöglichkeiten aus Deutschland und die Zusammenarbeit mit der rumänischen Regierung«, berichtete Koschyks Behörde. Zur Zeit steht die Stärkung deutschsprachiger Schulen in den betreffenden Gebieten Rumäniens im Mittelpunkt. Sie spielen eine wichtige Rolle beim Versuch, die »rumäniendeutsche« Jugend zum Gebrauch der deutschen statt der rumänischen Sprache zu veranlassen und auf diese Weise die Grundlage jeder »Deutschtums«-Politik auf Dauer zu erhalten.

Für seine Verdienste erhielt Johannis am 16. Juli 2014 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Bereits seit 2006 ist er Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Anlässlich der Verleihung lobte der deutsche Botschafter in Rumänien, Werner Hans Lauk, einem Bericht der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien zufolge, unter Bürgermeister Johannis habe »die Erhaltung des bedeutenden Kulturerbes in Hermannstadt und die Unterstützung deutscher Investoren« zu durchaus »positiven Veränderungen« geführt, »die mit der Bundesrepublik und der deutschen Minderheit assoziiert werden«. Die Hegemonie wird auf dem gesamten Kontinent markiert – mit Hilfe der deutschsprachigen Minderheit auch in Rumänien.

* Aus: junge Welt, Samstag, 1. November 2014


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