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Deutscher will Präsident Rumäniens werden

Der liberale Siebenbürger Johannis tritt gegen den aussichtsreichen sozialdemokratischen Premier Ponta an

Von Silviu Mihai, Bukarest *

Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag zeichnet sich ein Duell zwischen dem amtierenden sozialdemokratischen Premier Victor Ponta und dem nationalliberalen Klaus Johannis ab.

In Rumänien steigt das Wahlkampffieber: Im Fernsehen, in den sozialen Medien und in den schicken Cafés der Hauptstadt wird heftig debattiert. Insgesamt 14 Kandidaten aller politischen Couleur lächeln von zahlreichen bunten Plakaten die Wählerschaft an. Bei der Präsidentschaftswahl, die am 2. November stattfindet, werben sie um die Stimmen der rund 18 Millionen Wahlberechtigten.

Das Staatsoberhaupt Rumäniens verfügt über nur geringe Vollmachten im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich. Aber seine Rolle in der Sicherheits- und Außenpolitik, sowie seine repräsentative Funktion machen ihn in der Regel zu einem wichtigen Akteur. Dementsprechend sind das Interesse und die Beteiligung des Publikums an den Präsidentschaftswahlen meist größer als bei den Parlamentswahlen.

Allen Umfragen zufolge hat im Moment der sozialdemokratische Premier Victor Ponta die größten Chancen, für die nächsten fünf Jahre Staatschef zu werden. Seine Partei, die PSD, regiert seit 2012 das Land und kann eine relativ gute Bilanz in der Wirtschaftspolitik vorlegen. Das rumänische Bruttoinlandsprodukt hat wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Die drastischen Sparmaßnahmen, die die wirtschaftsliberalen Vorgängerregierungen eingeführt hatten, konnten an entscheidenden Stellen rückgängig gemacht werden. Darauf beruht auch Pontas Popularität vor allem unter den Angestellten des öffentlichen Sektors, auf dem Land und in Kleinstädten sowie bei vielen Rentnern und Industriearbeitern.

Ponta vertritt eine gemäßigte sozialdemokratische Linie, die die EU-Fiskalvorlagen im Auge behalten hat, ohne dafür das Wachstum des Landes aufs Spiel zu setzen oder horrende soziale Kosten in Kauf zu nehmen. Angesichts dieser positiven Entwicklung – und der besseren Konjunktur – betrachten viele Anhänger des Premiers die zahlreichen Korruptionsaffären, in denen prominente Sozialdemokraten verstrickt sind, als zweitrangig, nicht zuletzt weil auch das wirtschaftsliberale Lager ebenso viel von Skandalen geplagt ist.

Pontas Gegenkandidat, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf Platz zwei landen und damit in die Stichwahl am 16. November gehen wird, ist der Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis. Mit der Unterstützung der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) wirbt der Vorsitzende der Nationalliberalen Partei vor allem um die Stimmen der Mittelschicht aus den Großstädten. Genau wie Ponta vertritt er eine Vertiefung der EU-Mitgliedschaft Rumäniens, die baldmögliche Einführung des Euro und eine klare und gemeinsame europäische Position gegen eine Einmischung Russlands in die Ukraine und in die Republik Moldau. Diese zwei Länder sollen laut beiden Kandidaten mittelfristig in die NATO und in die EU aufgenommen werden. Rumäniens und Europas energetische Abhängigkeit von Russland soll hingegen mit allen verfügbaren Mitteln rasch reduziert werden.

Zudem spricht sich Johannis für einen Ausbau der Beziehungen mit Deutschland und für die Fortsetzung der liberalen Steuerpolitik. So soll die Flatrate-Einkommensteuer von 16 Prozent weiter gelten, ebenso wie die 2011 eingeführten Lockerungen des Arbeitsrechts, die mitteleuropäische Investoren nach Rumänien ziehen sollen. Außerdem vertritt Johannis – anders als Ponta – die in Mittel- und Nordeuropa verbreitete Ansicht, Schuldenreduzierung sei wichtiger als Wachstum in der Realwirtschaft.

Doch vor allem zieht der Kandidat der Opposition viele Wähler mit der oft wiederholten Behauptung an, er als Deutscher sei eben anders als seine Gegner und könne dem Land eine neue Kultur der Arbeit, der Ehrlichkeit und der Effizienz bescheren. Damit punktet Johannis allen voran bei den zahlreichen Rumänen, die von der gesamten politischen Klasse enttäuscht sind und sich eine grundlegende Reform der politischen Kultur wünschen

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 30. Oktober 2014


Weniger Show und kein Gequatsche

Der Vorsitzende der Nationalliberalen Partei sieht die Chancen in einer Stichwahl bei 50:50 **

Der 55-jährige Klaus Johannis hat 2000 das Bürgermeisteramt in Hermannstadt übernommen und wurde drei Mal wiedergewählt. Seit diesem Sommer ist er Vorsitzender der Nationalliberalen Partei (PNL). Mit ihm sprach Thomas Roser.

Warum haben Sie sich entschieden, in die Schlangengrube der rumänischen Politik zu steigen?

Ich bin einfach unzufrieden über die Art und Weise, wie Politik in Rumänien gemacht wird. Und darum möchte ich in eine Position gelangen, wo ich das verändern kann. Ich denke, dass ich weiß, was zu tun ist. Ich glaube, dass ich dazu fähig bin – und dass ich genug Energie habe, meine Pläne auch zu verwirklichen.

In den Umfragen belegen Sie einen ehrenwerten zweiten Platz.

Im ersten Wahlgang am 2.November werde ich wohl auf dem zweiten Platz landen. Denn von 14 Kandidaten ist nur einer aus dem Mitte-Links-Lager, der jetzige Premier Viktor Ponta. Alle anderen sind Mitte-Rechts – und mit ihnen muss ich die Prozente teilen. Die Umfragen zeigen aber, dass bei der Stichwahl die Chancen mehr oder weniger bei 50:50 liegen.

Mit fast der Hälfte der Stimmen ist die Stichwahl nicht gewonnen.

Ich bin optimistisch. Der Zuspruch für mich steigt – und der Zuspruch für meinen Gegenkandidaten stagniert.

Sie sagen, Ihr Gegner sei nicht Ponta, sondern das System. Was meinen Sie damit?

Ponta steht nicht alleine da. Es ist ein ganzes System, das ihn vorschiebt – und stützt. Gerade jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen zahlreiche Mitglieder seiner Partei eingeleitet – alle mit schweren Anschuldigungen. Meines Erachtens ist Ponta kein freier Kandidat, sondern der Exponent der Interessen seiner Partei-Barone. Das finde ich schlecht. Und viele Wähler auch.

Sie sind als Siebenbürger Sachse Angehöriger einer inzwischen sehr kleinen Minderheit in Rumänien. Ist das im Stimmenstreit ein Nach- oder Vorteil?

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es ein Vorteil ist, dass ich ein ethnischer Deutscher bin. Aber ich glaube auch nicht, dass mir daraus ein Nachteil erwächst.

Aber es gab Angriffe, dass Sie kein echter Rumäne und kinderlos seien.

Ja, es gab schon eine ganze Menge Attacken gegen mich – oft mit völlig erfundenen Themen. Das hat mich nicht beeindruckt, die Wähler auch nicht – und geht völlig an dem vorbei, was die Leute erwarten. Es ist schade, dass viele Gegenkandidaten solche Angriffe als Wahlkampf verstehen.

Ist Ihnen der von der kommunalen in die nationale Politik schwer gefallen?

Der Wechsel ist mir nicht schwer gefallen. Ich habe den Eindruck, dass es den Leuten gefällt, dass einer da ist, der weniger quatscht und mehr tut. Ich bin einfach für eine Politik von weniger Show, weniger unnötigem Gerede – und mehr Lösungsvorschlägen. Darum werde ich hier als der schweigsame Kandidat betrachtet, was in gewisser Weise auch stimmt. Doch den Menschen gefällt es, dass nun einer gekommen ist, der auch zuhört anstatt nur von morgens bis abends im Fernsehen zu quasseln.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 30. Oktober 2014


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