Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Basescu sieht sich als Retter Rumäniens

Zwei Monate vor der Präsidentenwahl zerbrach die Regierung in Bukarest

Von Anton Latzo *

Nachdem sich die Sozialdemokratische Partei (PSD) in der vergangenen Woche aus der Bukarester Regierung zurückgezogen hat, steckt Rumäniens Politik knapp zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen – wieder einmal – in einer Krise.

Am 22. November, spätestens aber in der Stichwahl am 6. Dezember möchte Rumäniens Präsident Traian Basescu für eine zweite Amtszeit gewählt werden. Allerdings zögerte er lange, seine Kandidatur anzumelden. Die Zeitung »Ziua« vermutete schon, Basescu warte, bis ihn »das breite Volk« um eine Kandidatur bitte, auf dass er das Land rette. Durch Vorschläge, die »beim Volk ankommen«, suchte er im Gespräch zu bleiben. Beispielsweise würde Basescu gleichzeitig mit der Präsidentenwahl gerne über eine drastische Verkleinerung des Parlaments abstimmen lassen – angeblich um zu sparen und die Effektivität der Parlamentsarbeit zu erhöhen. Bei den Abgeordneten machte er sich damit freilich wenig Freunde. Basescu gehe mit seinem Vorschlag nicht nur auf Stimmenfang, hieß es, sondern er wolle sich zugleich gegen die Parteien profilieren, um für den Fall seiner Wiederwahl unabhängiger von ihnen handeln zu können. Am vergangenen Sonnabend hielt er die Zeit jedenfalls für gekommen: »Ja, ich kandidiere«, erklärte der 57-jährige ehemalige Hochseekapitän.

Der Kampf ums Präsidentenamt wird, wie die Zeitung »Romania Libera« schreibt, »auf dem Schlachtfeld des Populismus ausgefochten«. Hauptrivalen sind Basescus Hauspartei, die Liberaldemokraten (PDL), und Sozialdemokraten, die seit Dezember 2008 in einer Regierung der großen Koalition verbündet waren. Statt gemeinsam zu regieren, hatten sie sich jedoch von Anfang an in gegenseitigen Beschuldigungen und Vorwürfen geübt, die eine wirksame Regierungsarbeit unmöglich machten. In der ersten Jahreshälfte übertrafen sie einander in Reformvorschlägen, die dazu dienen sollten, die Wirtschaftskrise zu überwinden und die Folgen für die Bevölkerung abzuwenden. Rumäniens erwartet in diesem Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft um rund 8 Prozent. Tatsächlich setzte die Regierung ein Gesetz über die einheitliche Besoldung im öffentlichen Dienst durch, das die Betroffenen – die Einkommensverluste befürchten – erst am Montag zum Streik auf die Straße trieb. Die ebenfalls diskutierte Reduzierung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel und ähnliche Maßnahmen zu Gunsten der Bevölkerung blieben dagegen unberücksichtigt.

Am vergangenen Donnerstag (1. Okt.) verließen die Minister der Sozialdemokratischen Partei (PSD) geschlossen die Regierung des Liberaldemokraten Emil Boc. Vorausgegangen war die Entlassung von Innenminister Dan Nica (PSD), der vor Betrugsversuchen der PDL bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen gewarnt hatte. Mit Sicherheit werden sich die gegenseitigen persönlichen Angriffe in den kommenden Wochen noch verschärfen und die wahren Probleme des Landes vollends überlagern.

Die Sozialdemokraten haben ihren Vorsitzenden Mircea Geoana als Kandidaten für das höchste Staatsamt benannt. Seine Anwartschaft hat aber auch Sorin Oprescu angemeldet, ein ehemaliger Sozialdemokrat, der aus der PSD austrat, weil er sich bei den vorjährigen Oberbürgermeisterwahlen in Bukarest nur als Unabhängiger Chancen ausrechnete. Tatsächlich gewann Oprescu die Bürgermeisterwahl und veranschaulichte damit die Zerrissenheit der Sozialdemokraten. Eine neuerliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl könnte der PSD einen lebensbedrohenden Stoß versetzen. Zumal sich eine Vereinigung ehemals führender PSD-Mitglieder gebildet hat, die eine neue linke Kraft formieren und Oprescu unterstützen will.

Rumäniens Vertreter beim Internationalen Währungsfonds, der ehemalige Finanzminister Mihai Tanasescu, äußerte kürzlich, Rumänien habe sein wirtschaftliches Wachstum bisher dem Zufall überlassen. Ein Problem sieht er darin, dass die einheimische Wirtschaft durch äußere Erschütterungen extrem verwundbar ist. Rumänien befinde sich, wie Tanasescu der Zeitung »Adevarul« sagte, an einem Kreuzweg. Das Auseinanderbrechen der Regierung zeigt, dass dies offensichtlich nicht nur auf ökonomischem Gebiet so ist.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2009


Zurück zur Rumänien-Seite

Zurück zur Homepage