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Portugals Sozialisten schwenken nach links

António Costa soll die PS wieder auf die Regierungsbank bringen und dem Sparkurs ein Ende bereiten

Von Ralf Streck *

Die Anhänger der portugiesischen Sozialistischen Partei setzen auf einen neuen Herausforderer für das Amt des Ministerpräsidenten. António Costa hat sich als Bürgermeister von Lissabon bewährt.

António José Seguro hatte sich fast schon auf dem Posten des Regierungschefs von Portugal gesehen. Doch nur wenige Monate vor der Parlamentswahl kann er seine Hoffnungen begraben. Ein anderer António wird die Sozialistische Partei (PS) in den Wahlkampf führen – Lissabons Bürgermeister António Costa.

Erstmals haben in Portugal vor einer Woche nicht nur Mitglieder der PS über den Spitzenkandidaten für die Wahl im kommenden Jahr entschieden, sondern auch Sympathisanten der Partei. Das Votum der 90 000 Mitglieder und der 150 000 Anhänger, die zur Abstimmung aufgerufen waren, fiel klar aus. Mit nur knapp 32 Prozent wurde nach einem harten innerparteilichen Streit der PS-Generalsekretär Seguro abgewatscht. Eindeutig entschieden sich die mehr als 174 000 Abstimmenden dafür, dass Lissabons Bürgermeister António Costa die gebeutelten Sozialisten wieder an die Regierung bringen soll.

Der deklassierte Seguro trat als Konsequenz nach drei Jahren von seinem Posten als Parteichef zurück. In nur einem der 21 Wahlbezirke bekam er eine Mehrheit. Dagegen wurde der beliebte Bürgermeister in der Hauptstadt sogar von mehr als 87 Prozent gewählt. Die Partei konnte enorme Aufmerksamkeit auf sich lenken, die Einschaltquote lag bei einem TV-Duell bei 32 Prozent. Seguro hatte auch geschadet, dass er Costa »Machtgier« und »Verrat« vorwarf, nur weil der ihn herausgeforderte.

Costa konnte für sich verbuchen, dass er seit 2007 Lissabon regiert und anders als die PS im Land nicht zahllose Stimmen verloren hat. Er wurde nicht aus dem Amt gespült, nachdem die Partei wegen ihrer Kürzungspolitik die vorgezogenen Neuwahlen 2011 und damit die Macht verlor. Bei den Kommunalwahlen 2013 hielt er Lissabon, während die PS landesweit kaum vom Absturz der beiden regierenden konservativen Parteien profitierte. Die radikale Linke und unabhängige Kandidaten gewannen hinzu und übernahmen auch die zweitgrößte Stadt Porto.

»Es ist der erste der letzten Tage der Regierung«, zeigte sich Costa nach seinem Sieg selbstbewusst. Seine Wahl zum Generalsekretär ist nur noch eine Formsache. Der Parteikongress wird vermutlich vorgezogen. Er war erst für Mitte Dezember geplant.

Laut Costa sei eine »neue und entscheidende Etappe« eingeleitet worden. »Was die Sozialisten und die Portugiesen mobilisiert, ist die Hoffnung auf eine neue Mehrheit, die ihnen die Hoffnung auf eine Zukunft für das Land zurückgibt.« Deshalb forderte er Seguro heraus und wurde dabei auch von der grauen Eminenz der PS unterstützt. Mario Soares, Ex-Regierungschef und Ex-Präsident des Landes machte sich für Costa stark. Mit Blick auf Seguro, dessen Namen übersetzt »sicher« bedeutet, sagte Soares: »Seguro ist unsicher«.

Auch der hatte ihn für die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten in sieben Krisenjahren mitverantwortlich gemacht. Die Konservativen hatten den Kurs, den die PS einst einleitete, nur unter dem Mandat der Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank verschärft. Das Ergebnis: Rekordarbeitslosigkeit, eine Auswanderungswelle, Lohn- und Rentenkürzungen sowie massive Einschnitte in Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales, auch um Banken zu retten. Erst im August wurde die größte Bank Espirito Santo mit knapp fünf Milliarden Euro verstaatlicht.

Seguro hatte das Abkommen mit der Troika unterzeichnet und lange den Austeritätskurs der Konservativen gestützt, der auch in Portugal »Austeritäts-Suizid« genannt wird. Beschränkt wurde er nur durch Urteile des Verfassungsgerichts und von Generalstreiks. Anders als Soares unterstützte Seguro die Proteste nicht, weshalb sein später Meinungsschwenk hin zum Sturz der Regierung unglaubwürdig erschien.

Costa hingegen zeigte im Wahlkampf, dass auch er Kontra geben kann: »Wenn du nur ein Zehntel der Aggressivität gezeigt hättest, die du mir zeigst, wäre die Regierung schon gestürzt«, wie es die Gewerkschaften und die Parteien links der PS immer wieder versucht haben. Costa will nun das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen. Die Austeritätspolitik will er »aggressiv« bekämpfen und könnte damit den Weg für eine Koalition mit den Kommunisten oder dem Linksblock ebnen.

* Aus: neues deutschland, Montag, 6. Oktober 2014


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