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Plünderung und Zwangsarbeit

Portugal: Weitere Privatisierungen und Kürzungen. Gewerkschaften kündigen neue Streiks an

Von Ana Kühn Paz *

Seit August 2011 läuft in Portugal das Programm zum Verkauf staatlichen Eigentums an ausländisches Kapital auf Geheiß der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank. Zuerst traf es die Banco Português de Negócios (BPN), deren Schulden die portugiesischen Steuerzahler nach ihrer Verstaatlichung im Jahr 2008 Milliarden gekostet hatten. Sie wurde für 40 Millionen Euro an die angolanische BIC veräußert. Ende Dezember gingen die staatlichen Anteile eines der größten europäischen Energieversorger, EDP, für rund 2,7 Milliarden Euro an die chinesische Three Gorges Corporation. Zuvor hatte Angela Merkel noch heftig bei Premier Passos Coelho für das Angebot des deutschen Energieriesen E.on geworben, das am Ende aus dem Rennen schied.

Die nächsten Unternehmen auf der Privatisierungsliste sind die Fluggesellschaft TAP, der Fernsehsender RTP, die Eisenbahngesellschaft CP sowie der kleinere Energieversorger REN.

Die portugiesische KP spricht von einem »Schlag gegen die nationale Souveränität«: »Das aktuelle Privatisierungsprogramm ist eine echte Plünderung des Landes. Es reiht sich ein in die Zerstörung unseres produktiven Apparates, die kolossale Höhe der Zinsen auf die öffentlichen Schulden und die ständige Kapitalflucht. Es bedeutet die Aufgabe von strategischen Unternehmen und Sektoren, wie Energie, öffentliche Verkehrsmittel, Wasser, Post, Versicherungen oder wichtige staatliche Infrastrukturen. Was fremde Hilfe genannt wird, ist in Wirklichkeit organisierter Diebstahl«, an dem sich die sozialdemokratische PS, die liberalkonservative PSD und die rechtskonservative CDS-PP aktiv beteiligen würden, hieß es in einer Stellungnahme.

Große Empörung rufen auch die Pläne hervor, den Beschäftigten vier Feier- und drei Urlaubstage zu streichen. Eine Gesetzesvorlage, die eine Verlängerung der Arbeitszeit von 2,5 Stunden pro Woche ohne zusätzliche Vergütung vorsieht, gibt es bereits. In der Praxis hieße das, daß die Portugiesen künftig einen Monat im Jahr gratis arbeiten sollen. Der nationale Gewerkschaftsverband CGTP verurteilt dieses Vorhaben als einen »feigen Angriff auf das Leben der Familien«, durch das die Regierung »Zwangsarbeit« etablieren wolle und mehr Armut und Misere schaffe. Es sei ein »krimineller Vorschlag«, der es den großen Unternehmen erlaube, »Arbeitsplätze zu vernichten« und gleichzeitig zu einer »Erhöhung der Profite auf Kosten von wachsender Arbeitslosigkeit und Ausbeutung« beitrage.

Indessen gab die Regierung neue mit der Troika vereinbarte Maßnahmen bekannt, die weitere Kürzungen, vor allem im Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst, zur Folge haben werden.

Demgegenüber steht der anhaltende Protest der portugiesischen Bevölkerung, der sich auch nach dem erfolgreichen Generalstreik vom 24. November fortsetzt. Über die Weihnachtstage mußten aufgrund eines Streiks bei der staatlichen Eisenbahngesellschaft über 2700 Züge gestrichen werden, Anfang Januar wird es erneute Arbeitsniederlegungen geben. Auch die Angestellten der öffentlichen Verkehrsmittel haben neue Streiks angekündigt. Sie protestieren gegen Lohn- und Personalkürzungen, gegen die stückweise Privatisierung des Transportwesens sowie die Erhöhung der Ticketpreise und die Streichung von Fahrplänen.

Für die nächsten Wochen sind weitere Ausstände und andere Protestaktionen geplant, an denen sich Lehrer, Studenten, Streit- und Sicherheitskräfte sowie Arbeiter des öffentlichen Dienstes und der Industrie beteiligen sollen.

* Aus: junge Welt, 6. Januar 2012


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