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Portugals Regierung fürchtet die Quittung

Konservative Sparpolitiker vor Kommunalwahlen unter Druck

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Die konservative Regierung Portugals sieht den Kommunalwahlen am Sonntag mit großen Sorgen entgegen, zumal ihr auch vom Verfassungsgericht Fesseln angelegt wurden: Die Richter haben im krisengeplagten Land Teile der Arbeitsmarktreform des vergangenen Jahres verworfen.

Eine Klatsche für Portugals konservative Regierung gab es schon vor der Wahl: Das Verfassungsgericht hat Teile ihrer Arbeitsmarktreform verworfen. Änderungen beim Kündigungsschutz wurden für verfassungswidrig erklärt, weil sie zu vage seien und weil unter anderem eine Sozialauswahl im Sommer 2012 abgeschafft wurde.

Ministerpräsident Pedro Passos Coelho beschwört zwar immer wieder den lokalen Charakter der Wahlen am Sonntag, dennoch könnten sie zur Abrechnung mit der Politik der rechtskonservativen Regierung werden, die seit gut zwei Jahren im Amt ist. Ihre Sparpolitik auf Geheiß der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hat das Land noch tiefer in die Rezession geführt und die Arbeitslosigkeit zu Rekordwerten getrieben.

Die Opposition will die Kommunalwahlen zu einer Art Plebiszit über die Kürzungs- und Sparpolitik der Regierung machen. Wie die Gewerkschaften mit Generalstreiks hatten auch Sozialisten (PS), Kommunisten (CDU) und der Linksblock (BE) auf riesigen Demonstrationen immer wieder den Rücktritt der Regierung und vorgezogene Neuwahlen gefordert. »Diese Regierung verdient es, bestraft zu werden«, sagte Manuel Alegre, der für die PS im Jahr 2006 Präsidentschaftskandidat war, bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Angeführt wird dafür auch, dass das Verfassungsgericht immer wieder zentrale Kürzungspläne der Regierung für verfassungswidrig erklärt. Erst Ende August hatten die Richter das Vorhaben gestoppt, mit dem die Konservativen Beamte – vor allem Lehrer – entlassen wollten. Zuvor wurden Rentenkürzungspläne sowie die Besteuerung von Arbeitslosen- und Krankengeld für illegal erklärt. Schon im Frühjahr hatte das höchste Gericht der Regierung ein »Suchtverhalten« bei Verfassungsverstößen bescheinigt.

Die Linke erwartet nun klare Gewinne gegenüber den Parlamentswahlen. Umfragen zeigen, dass die Sozialisten in der Hauptstadt Lissabon sogar mit einer absoluten Mehrheit rechnen können. Coelhos Sozialdemokratische Partei (PSD) – real konservativ – würde demnach auf 22,8 Prozent abstürzen. Dabei tritt sie nun in Koalition mit der rechten Volkspartei (CDS-PP) an, mit der zusammen sie auch Portugal regiert. Interessant wird, ob die PSD ihre Hochburg, die zweitgrößte Stadt Porto, verteidigen kann.

Die PS kann außer in Lissabon mit Bürgermeister António Costa, der zum dritten Mal antritt, nicht überall vom Absturz der Konservativen profitieren. Viele Wähler erinnern sich noch daran, dass sie lange die Kürzungspolitik mitgetragen hat. So könnte sie zum Beispiel die Industriestadt Matosinhos verlieren. Hier liegt der unabhängige Kandidat Guilherme Pinto bei Umfragen mit mehr als 36 Prozent vor dem PS-Kandidaten António Parada. Die PSD stürzt sogar auf nur noch zehn Prozent ab.

Auch die Kommunisten, die in Portugal seit Langem zusammen mit den Grünen als CDU antreten, und der Linksblock erwarten gute Ergebnisse. Sie wollen vom Unmut gegenüber den beiden großen Parteien profitieren. Die CDU hofft landesweit auf ein zweistelliges Resultat. Die Kommunisten regieren schon jetzt die Industriestadt Setúbal und weitere 37 Gemeinden. Nach den Wahlen sollen weitere hinzukommen. Für ihren Generalsekretär Jerónimo de Sousa ist klar, dass diese Wahlen dazu dienen, »die Ablehnung der Austeritätspolitik der Regierung deutlich zu machen«. Er hofft, dass die Rechte danach vorgezogene Parlamentswahlen nicht mehr vermeiden kann.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 28. September 2013


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