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Diplomatenpost nach Polen: Zwei Pakete mit Dollarscheinen

Geheimdienst in Warschau erhielt Millionen für das CIA-Gefängnis in seinem Schulungszentrum

Von Julian Bartosz, Wroclaw *

Die »Washington Post« hatte ihrem Bericht am Donnerstag unter den Titel »Geheime Geschichte des CIA-Kerkers in Polen« gestellt. Schon am Abend lieferte diese Geschichte reichlich Stoff für Polens Medien.

In den Spätnachrichten bei TVP-Info berichtete der Autor des Artikels, Adam Goldman, er habe die Information über das CIA-Gefängnis im nordostpolnischen Stare Kiejkuty direkt von einem CIA-Offizier erhalten. Der sei selbst in dem ehemaligen Schulungszentrum tätig gewesen, dass der polnische Geheimdienst den US-Amerikanern in den Jahren 2002/2003 zur Verfügung gestellt hatte. Der Hinweis auf die Eignung Stare Kiejkutys mit der Landepiste im nahen Szymany sei vom CIA-Residenten in Warschau gekommen.

Für die Bereitschaft der polnischen Seite wie für den speziellen Um- und Ausbau einer Villa auf dem streng abgeschotteten Gelände – so Goldman – habe die CIA den polnischen Kollegen 15 Millionen Dollar bezahlt. Da der polnische Dienst keine elektronische Überweisung gewollt habe, wurde das Geld in zwei in Deutschland aufgegebenen Paketen als diplomatische Post an die Warschauer Botschaft der USA geschickt. Von dort brachten zwei amerikanische Offiziere die Sendung zum damaligen Vizechef der polnischen Aufklärung, Oberst Andrzej Derlatka.

Goldman sagte, das »schwarze Loch« in Kiejkuty – Tarnname »Quartz« – sei wohl seinerzeit das wichtigste Element im System der geheimen CIA-Gefängnisse im Ausland gewesen. Aus Thailand waren am 5. Dezember 2002 zwei prominente Vertreter des Netzwerks Al Qaida nach Szymany geflogen worden: Abu Subaida und Abd al-Rahim al-Naschiri. Fünf Tage später hätten die Verhöre begonnen, an denen »Quartz«-Chef Mike Sealy und sechs weitere CIA-Leute teilnahmen. Die Gefangenen wurden unter anderem durch das sogenannte Waterboarding und durch Schlafentzug gefoltert. Der im März 2003 eingeflogene Chalid Sheik Mohamed, das mutmaßliche Hirn der Anschläge vom 11. September 2001, sei wochenlang derart gepeinigt worden. Das »schwarze Loch« in Kiejkuty war demnach bis September 2003 in Betrieb. Danach wurden die des Terrors Verdächtigten an andere Orte in Rumänien und Marokko, später nach Litauen verlegt. Die Schilderung Adam Goldmans wurde am Freitag auch in der »Gazeta Wyborcza« veröffentlicht.

Marian Wojciechowski, Sprecher des polnischen Außenministeriums, überging diesbezügliche Fragen der Journalisten: »Zu medialen Nachrichten äußert sich das Amt nicht.« General Stanislaw Koziej, Chef des Sicherheitsbüros im Präsidentenamt, formulierte in »Polskie Radio«, er werde sich nicht zu Dingen äußern, die in der Presse »durchsickern«. Im Übrigen rief er dazu auf, doch bitte kein innenpolitisches Spektakel daraus zu machen. Krzysztof Kosinski, Sprecher der Bauernpartei PSL, Juniorpartner der Bürgerplattform (PO) in der Regierung, will die »Angelegenheit« immerhin an den Sejmausschuss für Sicherheitsfragen weitergeleitet wissen. Außenminister Radoslaw Sikorski, von Reportern im Sejm angehalten, wich dem Thema völlig aus und riet, Fragen doch besser an Leszek Miller zu richten.

Miller, heute wieder Chef des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), war zwischen 2001 und 2004 Regierungschef. Er hatte zuvor jegliche Stellungnahme zum Thema Stare Kiejkuty abgelehnt. Jetzt äußerte er: »Für mich ist das geradezu lächerlich, es klingt wie ein schlechtes Drehbuch aus Hollywood.« Ein Premier hätte von den Geheimoperationen gar nichts wissen dürfen, »jeder Premier«, betonte er. Ein Problem sähe er allenfalls, wenn der polnische Geheimdienst Geld ausgegeben hätte. Wenn er aber Geld erhält – »ist doch super«, witzelte Miller.

Von einer unerhörten Blamage für den polnischen Staat sprach dagegen Senator Józef Pinior, der sich in der Sache des geheimen CIA-Kerkers in Polen seit Jahren engagiert. Als Mitglied eines Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments hatte Pinior bereits vor drei Jahren Aufklärung und Konsequenzen gefordert. Er verurteilte das Schweigen der offiziellen Politik Polens ebenso wie die fünfjährige Verschleppung von Untersuchungen durch die polnische Staatsanwaltschaft und die Nicht-Reaktion auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Wie derweil im Internet das Verhalten Leszek Millers kommentiert wird, sei hier besser nicht wiederholt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 25. Januar 2014


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