Duda will Staat "reparieren"
Neuer polnischer Präsident fordert mehr Waffen
Von Reinhard Lauterbach, Nekielka *
Der am 24. Mai gewählte polnische Staatspräsident Andrzej Duda ist am Donnerstag in Warschau in sein Amt eingeführt worden. Nach seiner Vereidigung einschließlich religiöser Eidesformel hielt er eine programmatische Rede, es folgten eine Messe in der Warschauer Kathedrale und diverse Kranzniederlegungen.
Duda forderte eine »Reparatur« des polnischen Staates, mit dem es heute auf vielen Gebieten schlecht stehe. Er nannte die Dauerbrenner Emigration, Gesundheitswesen und Armut. Als er davon sprach, dass auf dem Land viele Kinder unterernährt seien, erntete er Zwischenrufe von den Abgeordneten der noch regierenden Bürgerplattform PO. Duda versprach, das von der PO auf 67 Jahre angehobene Rentenalter wieder zu senken, und kündigte an, eine neue Behörde zu berufen, die sich der historischen Wahrheit aus polnischer Sicht widmen soll. Was genau die Aufgabe dieses Amtes sein soll, erläuterte er nicht. Weiter versprach er, sich für eine Vergrößerung und Aufrüstung der polnischen Armee einzusetzen – damit führt er die Politik seines Amtsvorgängers Bronislaw Komorowski fort, der dafür gesorgt hat, dass Polen eines der wenigen Länder ist, dessen Militärausgaben der NATO-Forderung von zwei Prozent des Bruttosozialprodukts entsprechen. Von der NATO forderte er stärkere Unterstützung für die östlichen Frontstaaten an, ohne ausdrücklich von festen Basen auf polnischem Boden zu sprechen. Polnische Medien hatten zuletzt berichtet, dass die BRD und Frankreich dies nach wie vor im NATO-Rahmen ablehnten, was ein solches Vorhaben als Bündnisprojekt unrealistisch macht. Statt dessen deutet sich eine bilaterale Militärzusammenarbeit Warschaus mit den USA außerhalb des NATO-Rahmens an. Die amtierende Regierung hat dem US-Militär angeboten, eine derzeit nicht genutzte Panzerkaserne in Ciechanów nördlich von Warschau zu nutzen, und soeben hat der Bau einer geplanten Basis des US-Raketenabwehrsystems in Redzikowo bei Slupsk in Pommern begonnen.
Außenpolitisch will Duda seine Aktivität auf Polens unmittelbare Nachbarschaft »zwischen Ostsee und Adria« konzentrieren. Das ist insofern eine interessante Nuance, als es polnische Vorreiterrollen gegenüber der Ukraine nicht umfassen würde. Die Formel »Ostsee-Adria« könnte damit die Light-Version polnischer Einflussnahme in Osteuropa sein, deren Originalkonzept von Ostsee und Schwarzem Meer als Eckpunkten polnischer Geopolitik spricht.
Bei der Anhängerschaft der nationalkonservativen Oppositionspartei PiS löste die Amtseinführung Dudas großen Jubel aus. Zehntausende Menschen säumten die Warschauer Straßen, um den neuen Präsidenten und seine Frau auf dem Fußweg von der Kathedrale zum Königsschloss zu beklatschen. Im konservativen Fernsehsender TV Republika schürten Duda-Anhänger derweilen Machtergreifungsstimmung. Man werde sich nicht noch einmal wie bei den Kommunalwahlen im letzten November den Sieg nehmen lassen. Alles andere als ein Durchmarsch der PiS bei der Parlamentswahl am 25. Oktober könne nur das Ergebnis von Fälschungen sein. Dass der Sieg Dudas der Unterstellung widerspricht, die PO-Regierung habe die Neigung, Wahlen zu fälschen, wurde nicht zum Thema gemacht.
Die Wahrscheinlichkeit ist unterdessen hoch, dass die Duda-Anhänger ihre Verschwörungstheorien im Schrank lassen können. Die Umfragen für die Oktoberwahl zum Sejm deuten im Moment darauf hin, dass die PiS es sogar zu einer absoluten Mehrheit der Mandate bringen könnte. Die liberalkonservative PO würde demnach abgeschlagen bei etwa 30 Prozent landen – soviel, wie lange Jahre die PiS hatte – , während die Protestbewegung des rechten Rocksängers Pawel Kukiz inzwischen von ursprünglich über 20 auf etwa 10 Prozent zurückgefallen ist. Andere Parteien, insbesondere die heute noch mitregierende Bauernpartei PSL und die postsozialistische Sozialdemokratie SLD, wären demnach im künftigen polnischen Parlament nicht mehr vertreten.
* Aus: junge Welt, Samstag, 8. August 2015
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