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Warschau ruft nach NATO-Truppen

Russland empört über Äußerung von Polens Außenminister Sikorski

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Warschau fühle sich von Russland akut bedroht und sähe es daher gern, wenn in Polen NATO-Kontingente zwecks Abwehr einer Aggression aus dem Osten stationiert würden. So Außenminister Radoslaw Sikorski bei seinem Besuch in Washington.

Seine Befürchtungen begründete der polnische Chefdiplomat vor allem mit den jüngsten russisch-belarussischen Manövern an Polens Ostgrenze. Dort hatten Luftlande-Einheiten, die von mehreren hundert Panzern unterstützt wurden, die Besetzung gegnerischer Küstenstriche geübt. Zwar war der Gegner namentlich nicht benannt worden. Militärexperten behaupteten jedoch, für die Übung sei im Raum Kaliningrad ein Gelände ausgewählt worden, das der polnischen Ostseeküste sehr ähnlich sei. Auch habe laut Manöver-Legende eine Rebellion der polnischen Minderheit in Belarus den Anlass für die Invasion geliefert.

Russland reagierte empört auf Sikorskis Äußerung. Derartige Erklärungen, warnte Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma, in einem Interview für Radio »Echo Moskwy«, seien unannehmbar, sie könnten die russisch-polnischen Beziehungen belasten. Polen versuche, seine inneren Probleme auf dem Wege der Dämonisierung Russlands zu lösen. Faktisch habe Sikorski die NATO aufgerufen, die in den 90er Jahren mit Russland getroffenen Abmachungen zu revidieren. Darin verpflichtete sich der Pakt, auf dem Territorium seiner Neumitglieder keine nennenswerten Truppen zu stationieren.

Derzeit sind die USA in Polen daher offiziell mit ganzen sechs Militärangehörigen präsent. Auch hatte US-Präsident Barack Obama Mitte September angekündigt, die geplante Stationierung von Teilen des Raketenabwehrsystems in Mittelosteuropa werde auf 2015 verschoben. Polen und Tschechien, so versprach US-Außenministerin Hillary Clinton, blieben jedoch die wichtigsten Kandidaten für die Aufstellung von Bodensegmenten des neuen Raketenschilds. Durch den aber sieht Moskau sich bedroht.

Polnische Ängste vor dem einstigen großen Bruder und das Hickhack um die Raketenabwehr sind nicht die einzigen Probleme im russisch-polnischen Verhältnis. Für Verstimmung sorgt auch, dass Russland seit 2005 den 4. November als Tag der Einheit und höchsten Nationalfeiertag begeht. Das Datum erinnert an die Vertreibung polnischer und litauischer Okkupanten aus dem Moskauer Kreml im Jahr 1612.

* Aus: Neues Deutschland, 6. November 2009

Meldungen der Russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti

Polen sieht sich durch Russlands Panzer bedroht - Außenminister bittet um Nato-Truppen

MOSKAU, 05. November (RIA Novosti). Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hat die Nato aufgerufen, ihre Streitkräfte in Zentraleuropa zu stationieren. Nach seiner Ansicht braucht diese Region eine "strategische Aufmunterung" durch Washington.

Eine solche Truppenstationierung würde die Wichtigkeit Zentraleuropas für die Nordatlantische Allianz hervorheben, hieß es.

Polen und Tschechien haben zwar den Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden im vergangenen Monat begrüßt, ein Militärpotential wäre aber überzeugender als nur Worte, sagte Sikorski bei einer Konferenz im Zentrum für strategische und internationale Studien in Washington.

Momentan befinden sich sechs US-Militärangehörige in Polen, während Russland und Weißrussland vor kurzem eine Militärübung vor der polnischen Grenze abgehalten haben (Fotostrecke), an der mehrere hundert Panzer teilnahmen.

"Werden Sie sich sicher fühlen, wenn sie auf der einen Seite sechs Militärangehörige und auf der anderen 900 Panzer haben?" so Sikorski.

Philip Gordon, Assistent des US-Außenamtschefs, erwiderte in der Konferenz, dass "Zentral- und Osteuropa ein Hauptteil unserer Allianz sind". Die "Aufmunterung", um die Sikorski bittet, "muss aber nicht eine ausschließlich militärische Frage sein", hieß es.

Am 17. September hatten US-Präsident Barack Obama und Pentagon-Chef Robert Gates eine Änderung des Raketenschild-Plans verkündet. Dabei wurde die geplante Stationierung von Teilen des Raketenabwehrsystems in Zentraleuropa auf 2015 verschoben. US-Außenamtschefin Hillary Clinton erklärte, dass Polen und Tschechien, die ihre Bereitschaft bekundet hatten, Teile dieses Systems bei sich zu stationieren, die Hauptkandidaten für die Aufstellung von Bodensegmenten des Raketenabwehrsystems bleiben.


Russland befremdet über polnische Einladung an USA zur Truppenstationierung

MOSKAU, 05. November (RIA Novosti). Moskau ist dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zufolge über die Berichte von der Absicht Polens befremdet, auf eigenem Territorium US-Truppen stationieren zu lassen.

Laut Medienberichten hatte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski am Donnerstag die USA und die Nato aufgefordert, ihre Truppen in der Region zu stationieren, und in diesem Zusammenhang auf die jüngsten russisch-weißrussischen Militärübungen in der Nähe der polnischen Grenze verwiesen.

„Ich kenne Radoslaw Sikorski. Er hat immer einen erfahrenen Eindruck gemacht und Verständnis für die in Europa laufenden Prozesse gezeigt. Bevor ich Stellung dazu nehme, möchte ich mich davon überzeugen, dass diese Aussage wirklich von ihm stammt“, sagte der russische Außenminister am Donnerstag.

„Wenn er das wirklich gesagt hat, bin ich äußerst darüber verwundert. Denn ich habe mit Sikorski Probleme, die im Kontext der europäische Sicherheit zu lösen sind, die Ziele, die die Initiative Russlands zum Abschluss eines neuen Vertrages über die europäische Sicherheit verfolgt, sowie unsere Position hinsichtlich der Raketenabwehr ausführlich besprochen“, so Lawrow.

Beide Meldungen aus: RIA Novosti, 5. November 2009; http://de.rian.ru




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