Polen rüstet sich für weitere militärische "Missionen"
Warschau präsentiert sich als allzeit willig
Von Julian Bartosz, Wroclaw *
»Noch nie in der Geschichte ist die
Bedeutung Polens in der Europa- und
Weltpolitik so rapide gestiegen wie in
der letzten Zeit«, erklärte Außenminister
Radoslaw Sikorski vorige Woche
in seinem Jahresbericht vor dem
Warschauer Sejm.
Am selben Tag, als im afghanischen
Ghazi der 39. Soldat des
polnischen Kontingents der ISAFStreitkräfte
fiel, dozierte Polens
Chefdiplomat über die Lehren polnischer
Geschichte, leistete erneut
einen Treueschwur gegenüber den
USA und der NATO, meldete Polens
Bereitschaft, bei Bedarf seine
Truppen in den »Kampf für die
Demokratie und gegen den Terrorismus
« auf »Missionen« zu entsenden,
und begrüßte mit großer
Genugtuung, dass Polens Wirtschaft
in den kommenden Jahren
zusätzliche 140 Milliarden Zloty
(35 Milliarden Euro) für die nötige
Aufrüstung ausgeben wird.
Wie aus Informationen des Büros
für Nationale Sicherheit« beim
Staatspräsidenten hervorgeht,
geht es konkret um die Entwicklung
moderner Kampfhubschrauber,
schneller Panzerfahrzeuge
und um Drohnen. Die Rüstungsaufträge,
so wurde betont, werden
selbstverständlich auch dem Arbeitsmarkt
zugutekommen, insbesondere
der Schwerindustrie um
Labedy und Mielec.
Am selben Tag ließ sich im
Morgengespräch von Polskie Radio
der polnische Verteidigungsminister
Tomasz Siemoniak zum 10.
Jahrestag der Invasion US-amerikanischer
und britischer Truppen
in Irak vernehmen, an der sich
auch das »willige« Polen beteiligt
hatte. Seit diesem Einsatz habe das
Land »eine ganz andere Armee«,
sagte Siemoniak und unterstrich,
man habe gelernt, »heute ganz
anders über die Teilnahme des
Wojsko Polskie (Polens Armee –
d.R.) an solchen Missionen zu reden
«. Es treffe nicht zu, dass Polen
gegenwärtig nicht mehr so wichtig
für die USA sei wie zu Beginn des
Feldzugs gegen die von Saddam
Hussein ausgehende Gefahr.
Übrigens gab es an diesem Tag
in allen elektronischen Medien
Kommentare, die so klangen, als
habe Irak damals tatsächlich über
chemische Waffen verfügt und enge
Kontakte zu Osama bin Laden
unterhalten. Was heute im Zweistromland
vor sich geht, wie die
»Demokratie« dort funktioniert,
wie viele Menschen jeden Monat
ums Leben kommen – davon erfährt
man in Polen fast nichts.
Mit der Treue zu den USA ist es indes
ein eigen Ding. Obwohl man es
in Warschau nicht an die große
Glocke hängt, sind die Regierenden
durchaus sauer auf Barack Obama,
der es mit der Errichtung von Raketenabwehrbasen
im mittelosteuropäischen
Raum nicht eilig hat.
Zwar verkündete Staatspräsident
Bronislaw Komorowski vorige
Woche, 2018 könne ein weiterer
Schritt getan werden, allerdings
seien die Abwehrraketen noch
nicht voll entwickelt.
Über die europäische Militärdimension
wurde neulich während
der Sitzung der Regierungschefs
des »Visegrader Vierecks« diskutiert.
Zu den »V4« gehören Polen
die Slowakei, Tschechien und Ungarn,
diesmal ergänzt durch Bundeskanzlerin
Angela Merkel und
den französischen Präsidenten
Francois Hollande. Beschlossen
wurde die Gründung einer 5000-
köpfigen V4-Kampfgruppe, die im
Rahmen der »Europäischen
Streitkräfte« mit 20 anderen
Kampfgruppen ab 2016 für »humanitäre
Einsätze« in der Welt
bereit stehen soll.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 26. März 2013
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