Widerlegte Dementis zu CIA-Gefängnis
Polens Bündnistreue und seine Staatsräson
Von Julian Bartosz, Wroclaw *
Im Sommerloch tauchte ein heikles Thema wieder in Polens Medienwelt auf:
Es geht um das geheime CIA-Gefängnis, das in den Jahren 2002 und 2003
auf polnischem Hoheitsgebiet unterhalten wurde und in dem mutmaßliche
al-Qaida-Mitglieder bei Verhören gefoltert wurden.
Nur eine halbe Stunde lang erschien diese Nachricht aus dem Dienst der
Zeitung »Rzeczpospolita« und der »Agencja Informatyczna« (IA) am
Wochenende (31. Juli/1. Aug.) auf der Internet-Plattform ONET: Der
polnische Grenzschutz hat der Helsinki-Gesellschaft für Menschenrechte
mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft den Aufenthalt von etwa 20
CIA-Gefangenen aus verschiedenen Staaten Asiens und Afrikas in einem
»Sondergefängns« auf dem Gelände der Geheimdienstschule in Masuren
bestätigt.
Diese Meldung stimmt mit einem Bericht von UNO-Beamten aus dem Dezember
2002 überein. Nur wurde die Tatsache bisher in Polen offiziell stets
geleugnet. Zwar gab der damalige Staatspräsident Aleksander Kwasniewski
nach Ende seiner Amtszeit zu, dass CIA-gecharterte Maschinen auf dem
Flugplatz Szczytno-Szymany gelandet sein könnten. Aber nur zum
Auftanken, wie er betonte. Und das sei nach einer Absprache zwischen
US-amerikanischen und polnischen Diensten völlig normal gewesen.
Aus einem jetzt bekannt gewordenen Dokument des Grenzschutzes geht
jedoch hervor, dass besagte CIA-Maschinen zwischen Dezember 2002 und
September 2003 insgesamt 16 Mal in Szymany landeten und dass nicht alle
an Bord befindlichen Passagiere die Weiterreise antraten.
Einer 2005 in der »Washington Post« veröffentlichen Nachricht darüber
hatte die polnische Seite stets scharf widersprochen. Abgelehnt wurden
auch der Bericht der Sonderkommission des Europarats unter Vorsitz Dick
Martys und eine Anfrage des Europäischen Parlaments zu diesem
Fragenkomplex. Auf Drängen der Helsinki-Stiftung, die sich nach den
Worten ihres Sprechers Adam Bodnar um die Klärung des Sachverhalts
bemühte, leitete die Staatsanwaltschaft im Jahre 2008 - als die
Bürgerplattform (PO) bereits ein Jahr lang regierte - ein Verfahren ein.
Unter den vielen in der Sache Vernommenen befanden sich Aleksander
Kwasniewski, die ehemaligen Regierungschefs Leszek Miller und Kazimierz
Marcinkiewicz sowie mehrere leitende Personen der polnischen
Geheimdienste, die sich alle auf Polens Bündnispflicht beriefen. Die
Sachlage war laut »Dziennik« auch Lech und Jaroslaw Kaczynski bekannt.
Auch sie wiesen auf die Treue zum Bündnis mit den USA als polnische
Staatsräson hin.
Im Juni 2010 bemängelten die Helsinki-Stiftung, Amnesty International
und Human Rights Watch bei der polnischen Staatsanwalt, warum das
Verfahren nach drei Jahren immer noch nicht abgeschlossen sei. Wie die
»Gazeta Wyborcza« in ihrem Nachrichtendienst schrieb, wies Jerzy
Szymanski von der Generalstaatsanwaltschaft den Vorwurf der
Nachlässigkeit scharf zurück, die Sache unterliege eben »strengster
Geheimhaltung«. Szymon Liszewski von der Berufungsstaatsanwaltschaft
sagte der Polnischen Presseagentur (PAP) am vergangenen Freitag (30.
Juli), dass eine Information über die »Angelegenheit« zur Zeit
ausgeschlossen sei.
* Aus: Neues Deutschland, 3. August 2010
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