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Bis dass der Tod …

Philippinen weiter einziges Land der Welt, in dem Scheidung verboten ist. Chancen für Gesetzesreform gering

Von Thomas Berger *

Gerade haben die Filipinos Papst Franziskus bei seinem fünftägigen Besuch in dem südostasiatischen Land begeistert empfangen. Die Philippinen sind das einzige mehrheitlich katholische Land Asiens und das einzige auf der Welt außerhalb des Vatikans, in dem die Ehescheidung gesetzlich verboten ist. Alle Versuche, dies zumindest aufzuweichen, sind bislang gescheitert. Und auch für einen neuen Vorschlag zu einem vorsichtig formulierten Scheidungsgesetz stehen die Chancen schlecht. Zu groß scheinen die Macht des Klerus und mächtiger erzkonservativer Laienorganisationen.

Diejenigen, die das Thema immer wieder auf die Tagesordnung des Parlaments in Manila setzen, sind die Vertreterinnen der Frauenpartei GABRIELA. Ihre derzeit zwei Abgeordneten Luzviminda »Luz« C. Ilagan und Emerencia »Emmi« A. de Jesus haben den neuen Gesetzentwurf im Mai 2014 eingebracht. Knapp ein Jahr zuvor hatte sich eine Mehrheit gegen die frühere Fassung ausgesprochen. Doch die Frauen wollen nicht aufgeben, denn es sei dringend nötig, Paaren in nachweislich gescheiterten Ehen einen Ausweg zu eröffnen.

Auf dem Archipel bekennen sich rund 83 Prozent der Bevölkerung zum katholischen Glauben, seit 500 Jahren ist er die vorherrschende Konfession. Doch es gab bereits einmal ein Scheidungsrecht: Bereits 1917 machten die US-Amerikaner, nach dem Sieg über die Spanier die neuen Kolonialherren im Inselreich, erstmals den Weg dafür frei. Es blieb auch in der Zeit der japanischen Fremdherrschaft im Zweiten Weltkrieg erhalten. Doch alles änderte sich mit dem 1950 verabschiedeten Familiengesetz, das ein striktes Scheidungsverbot zum Kern hat. Öffnungsklauseln, die 1988 mit Artikel 36 eingeführt wurden, reichen längst nicht aus, betonen die GABRIELA-Frauen.

Um überhaupt gewisse Aussichten auf eine Mehrheit für ihre Vorschläge zu haben, haben die Parlamentarierinnen im Entwurf immer noch erhebliche Hürden für die Ehescheidung formuliert. Doch wer seit fünf Jahren dauerhaft getrennt lebt oder den gerichtlichen Nachweis einer Trennung seit wenigstens zwei Jahren vorweisen kann, die oder der soll einen Schlussstrich ziehen dürfen.

Die beiden Abgeordneten führen zur Begründung ihrer Initiative ins Feld, dass 14,4 Prozent aller verheirateten Frauen unter physischer Gewalt von seiten ihrer Ehemänner leiden. Von psychischer Gewalt seien sogar 23 Prozent betroffen. Zudem verweisen sie darauf, dass die Philippinen besonders stark vom »Arbeitskräfteexport« leben. Wenn ein Partner teilweise jahrelang fern der Heimat lebt, führt das vielfach zu zerrütteten Familien.

Die 1988 eingeführten Zusatzklauseln in Artikel 36 erlauben im Zivilrecht immerhin eine »Annullierung« von Ehen. Dies ist beispielsweise unter der Voraussetzung möglich, dass zum Heiratszeitpunkt einer der Partner »geistig nicht fit« für die Eheschließung war oder bei Minderjährigen das Einverständnis der Eltern fehlte. Auch im nachweisbaren Fall von Betrug oder Zwang kommt eine Aufhebung in Betracht, Gleiches gilt bei Impotenz oder sexuell übertragbaren Krankheiten.

Wer seine Ehe für nichtig erklären lassen möchte, muss sich aber auf ein langes und sehr teures Gerichtsverfahren einlassen. Die Mehrheit kann sich das nicht leisten. Allein die Anwälte, ohne die es nicht geht, verlangen umgerechnet 4.000 bis 6.000 Dollar. Hinzu kommen Gerichtsgebühren sowie Kosten für psychologische oder medizinische Gutachter. Jenen zwei Fünfteln der Bevölkerung, die mit gerade einmal zwei Dollar Tagesverdienst überleben, ist dergleichen völlig unmöglich. Für sie bliebe nur, dauerhaft in Trennung und gegebenenfalls mit einem neuen Partner ohne Trauschein zusammenzuleben. Beides ist aber in der konservativen philippinischen Gesellschaft nahezu unvorstellbar. Erfährt die Kirche davon, führt der »Ehebruch« zur sofortigen Exkommunizierung.

2012 gab es mehr als 10.500 Annullierungen gegenüber 4.250 im Jahr 2001, eine angesichts einer Bevölkerung von 100 Millionen verschwindend kleine Zahl. Die Gesetzesreform wäre also eine kleine Revolution. Mit ihr würde sich auch das gerichtliche Verfahren erheblich verkürzen und erleichtern. Zudem gehen die Einreicherinnen von einer Kostenersparnis von 30 bis 40 Prozent aus. Die gegenwärtige Praxis sei Heuchelei, sagen sie, denn wer genug Geld hat, kann sich die Annullierung erkaufen.

Doch Argumente sind keine Anfechtung für die höchst einflussreichen Verteidiger der »heiligen Institution« Ehe. Man könne stolz darauf sein, hatte 2013 der Chef der Katholischen Bischofskonferenz des Landes, Cebus Erzbischof Jose Palma, gesagt.

* Aus: junge Welt, Freitag, 23. Januar 2015


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