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Kommandoaktion gescheitert

Nach dem Tod von 64 Polizisten im Süden der Philippinen schwindet die Hoffnung auf Frieden

Von Rainer Werning *

Für die philippinischen Sicherheitskräfte war der vergangene Sonntag ein schwarzer Tag. Nie ist es in der jüngeren Geschichte des Inselstaates vorgekommen, dass an nur einem einzigen Tag 64 Polizisten erschossen wurden – die Regierung spricht indes nur von 44 geborgenen Leichen. Am 25. Januar hatten Mitglieder der Special Action Force (SAF), einer Eliteeinheit der philippinischen Nationalpolizei, versucht, in Mamasapano in der Provinz Maguindanao zwei »Topterroristen« zu ergreifen. Doch die geheime Kommandooperation endete in einem Desaster. Sie fand in einem Gebiet statt, wo u. a. Einheiten der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) stationiert sind.

Von beiden Parteien, der Regierung unter Präsident Benigno Simeon Aquino III. und der MILF, wurde Ende März 2014 ein Friedensvertrag unterzeichnet. Dieser soll bis zum Ende der Amtszeit Aquinos Ende Juni 2016 umgesetzt und die autonome Region Bangsamoro Wirklichkeit sein. Zwischenzeitlich aber gilt ein beidseitig ausgehandelter Waffenstillstand mit klaren Regularien, wonach Truppenbewegungen strikt in gemeinsamer Absprache erfolgen. In beiden Kammern der Legislative, im Kongress und dem Senat, laufen derweil Verhandlungen über das Bangsamoro-Grundgesetz (BBL).

Für Hardliner und rechte Politiker bietet der Tod der Polizisten einen willkommenen Anlass, den Friedensprozess zu torpedieren. Den Anfang machte Expräsident Joseph E. Estrada, der seit 2013 als Bürgermeister von Manila amtiert. In mehreren Interviews kurz nach dem Anschlag erinnerte Estrada an die Strategie, die er als Präsident im Frühjahr 2000 verfolgte. Damals hatte er der MILF den »totalen Krieg« erklärt und ihr gedroht, sie »zu Asche zu pulverisieren«. Eine Sicht, die er noch heute für angemessen hält. Sein markiges Fazit: »Der MILF kann man nicht vertrauen.«

Estrada vertritt keineswegs die Position einer kleinen, radikalen Minderheit. Auch im Kongress und Senat scheint die Stimmung langsam zugunsten der Skeptiker zu kippen. Ghazali Jaafar, Vizevorsitzender der MILF und verantwortlich für politische Angelegenheiten, warnt eindringlich vor einer politischen Instrumentalisierung. Ähnlich äußerte sich Präsident Aquino in seiner am Mittwoch abend eigens angesetzten Rede an die Nation. Ohne die Hintergründe des Todes der SAF-Einheiten zu beleuchten, beschwor er seine Landsleute, den Weg des Friedens mit der MILF nicht zu verlassen. Im Gedenken an die Toten erklärte er den heutigen Freitag zum landesweiten Trauertag.

Sollte ein von der Tageszeitung Manila Standard Today am Mittwoch veröffentlichter Bericht zutreffen, befände sich Aquino in der Bredouille: Der Präsident soll seinem engen Freund, Polizeidirektor Alan Purisima, einen Persilschein ausgestellt haben, der beiden »Topterroristen« Zulkifli bin Hir alias Marwan und Abdul Basit Usman habhaft zu werden.

Purisima gilt laut dem Informanten der Zeitung, einem namentlich nicht genannten hohen Polizeioffizier, seit langem als bestens vertraut mit der »Akte Marwan«. Börden in Manila und Washington gilt der Mann als südostasiatischer Osama bin Laden. Die Crux: Purisima ist seit Dezember aufgrund mehrerer Korruptionsvorwürfe für sechs Monate vom Dienst suspendiert. Sein eigentlicher Vorgesetzter, Innenminister Manuel Roxas, aber war in die SAF-Aktion indes ebensowenig eingeweiht wie die Führung der nahe des Tatorts beheimateten 6. Infanteriedivision der Armee. Deren Soldaten organisierten erst nach dem Feuergefecht gemeinsam mit US-Spezialeinheiten, die dort ebenfalls stationiert sind, die Bergung und den Transport geborgener Leichen und Verletzter.

Präsident Aquino befand sich am vergangenen Wochenende in Zamboanga City, wo er laut dem Informanten des Manila Standard Today nahe des Tatorts war. Wäre die SAF-Aktion geglückt, hätte er sich sofort vor Ort als strahlender »Terroristenjäger« feiern lassen können. Für Purisima wäre die Präsentation Marwans einem Befreiungsschlag gleichgekommen und hätte sein Image beträchtlich aufpoliert.

* Aus: junge Welt, Freitag, 30. Januar 2015

Schwerer Rückschlag im Friedensprozess
64 Polizisten einer Eliteeinheit bei Gefecht im Süden der Philippinen getötet. Von Rainer Werning (29. Januar 2015)




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