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Rückschlag für die radikale Linke

Philippinen: Führungskader der KP verhaftet. Friedensverhandlungen rücken in weite Ferne

Von Rainer Werning *

Der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III zeigte sich am Wochenende sichtlich gut gelaunt und verkündete, in Kürze werde man »einen großen Fisch fangen«. Kurz darauf lüftete sein Sprecher Edwin Lacierda das Geheimnis. Am vergangenen Samstag nachmittag, so Lacierda, hätten kombinierte Einheiten von Geheimdienstbeamten, Polizisten und Militärs etwa 60 Kilometer südwestlich von Cebu City auf den Zentralphilippinen mehrere hochrangige Kader der Kommunistischen Partei (CPP) und ihrer Guerillaorganisation, der Neuen Volksarmee (NPA), gefaßt. Unter den Festgenommenen befänden sich mit Benito Tiamzon und seiner Frau Wilma Austria auch der CPP-Vorsitzende und Oberkommandierende der NPA sowie die Generalsekretärin der Partei. General Emmanuel Bautista, Stabs­chef der philippinischen Streitkräfte, zeigte sich besonders erfreut über den »Coup« und legte den Einheiten der NPA nahe, ihre »Waffen endgültig zu strecken und sich friedvoll in das politische Leben einzugliedern«.

Die Festnahme von Tiamzon und Austria ist für die radikale Linke im Land ein herber Rückschlag. Vor allem trübt das deutlich die Stimmung im Vorfeld des bevorstehenden 45. Geburtstages der NPA. Diese entstand am 29. März 1969 – drei Monate nach Gründung der CPP – und verfolgt im Rahmen des gegenwärtig aus 17 Mitgliedsorganisationen bestehenden politischen Untergrundbünisses der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen (NDFP) als oberstes Ziel die Schaffung einer volksdemokratischen Republik. Der Weg dorthin soll – im Sinne Mao Tse-tungs – über einen langwierigen Krieg führen, in dessen Verlauf die Städte schrittweise vom Hinterland her eingekreist und schließlich in einer Serie militärischer Endoffensiven eingenommen werden sollen. Bevor der langjährig amtierende Diktator Ferdinand E. Marcos Ende Februar 1986 gestürzt wurde, war die NPA nach Einschätzung US-amerikanischer Militärexperten »die weltweit am schnellsten wachsende Guerillabewegung«. Damals betrug die Stärke der NPA etwa 27000 Mann. Erbitterte parteiinterne Auseinandersetzungen über die künftige Strategie und Taktik zu Beginn der 1990er Jahre schwächten allerdings die Bewegung. Die Regierung geht von gegenwärtig schätzungsweise etwa 4000 noch aktiven NPA-Kombattanten aus.

Während der Amtszeit von Corazon C. Aquino, der Mutter des jetzigen Präsidenten und der Nachfolgerin von Marcos, kam es 1987 dennoch zur Aufnahme von Friedensverhandlungen mit der NDFP. Nach ständigem Auf und Ab fanden die Verhandlungen zuletzt unter der Schirmherrschaft des norwegischen Außenministeriums in Oslo statt. Wenngleich ein Durchbruch bislang ausblieb, hatten sich beide Seiten immerhin auf zwei wegweisende Vereinbarungen verständigt – nämlich das Gemeinsame Abkommen über Sicherheits- und Immunitätsgarantien (JASIG) und das Umfassende Abkommen zur Wahrung der Menschenrechte.

Die Gefangennahme von Tiamzon und seiner Frau und die zuvor erfolgte Inhaftierung von NDFP-Mitgliedern, die eigentlich durch das JASIG hätten geschützt sein sollen, wird wohl dazu führen, daß bis zum Ende der Amtszeit Aquinos Ende Juni 2016 der Gesprächsfaden gekappt ist. Die Regierung will die Verhafteten wegen Mordes und versuchten Mordes anklagen, während die NDFP auf deren »sofortige und bedingungslose Freilassung« insistiert. Am Wochenende erklärte der im niederländischen Utrecht im Exil lebende Gründungsvorsitzende der CPP und Chefberater der NDFP, José Maria Sison, die Verhaftung von Revolutionären bedeute keineswegs ein Ende der Revolution. Sollte die Regierung nicht einlenken und die Verhafteten freilassen, schlüge sie damit die Tür für weitere Verhandlungen endgültig zu. Luis G. Jalandoni, NDFP-Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen, hieb in die gleiche Kerbe und sprach von einer »flagranten Verletzung des JASIG«. Derweil erklärte Verteidigungsminister Voltaire Gazmin in Manila, die Sicherheitskräfte des Landes seien für Vergeltungsmaßnahmen der NPA angemessen gerüstet.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 25. März 2013


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