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Hochzeit für Friedenskrieger

Philippinen: Regierung droht Moro-Rebellen mit »unnachgiebiger Verfolgung«

Von Rainer Werning *

Am Mittwoch wurden trotz intensiver Friedensbemühungen für den Süden des Landes wieder lautstark die Kriegstrommeln geschlagen. Der Generalstabschef der philippinischen Streitkräfte (AFP), General Gregorio Pio Catapang Jr., verkündete im Gleichklang mit Präsident Benigno Simeon Aquino III., der verfassungsgemäß in Personalunion auch Oberkommandierender der AFP ist, man werde »hart und unerbittlich« gegen die Bangsamoro Islamische Freiheitsbewegung (BIFF) vorgehen. Deren Kämpfern gibt die Regierung in Manila die Hauptschuld für den desaströsen Verlauf der Kommandoaktion »Operationsplan Exodus« zur Ergreifung zweier Terroristen, in deren Verlauf am 25. Januar nach offiziellen Angaben 44 Polizisten der Special Action Force (SAF), einer im Antiterrorkampf ausgebildeten Spezialeinheit der Philippinischen Nationalpolizei, in der südlichen Provinz Maguindanao ums Leben kamen. Außerdem starb der international als Topterrorist gesuchte Zulkifli bin Hir alias Marwan, sein ebenfalls gesuchter Gefährte Abdul Basit Usman konnte entkommen.

Damit wurde die im Süden des Landes avisierte dauerhafte Friedensregelung um mindestens 15 Jahre zurückgeworfen. Im Jahr 2000 war mit der ältesten, Ende der 1960er Jahre formierten Moro-Organisation, der Moro Nationalen Befreiungsfront (MNLF), ein Friedensvertrag unter Dach und Fach gebracht worden. Den aber betrachtete die von der MNLF abgespaltene Moro Islamische Befreiungsfront (MILF) als »Ausverkauf der Moro-Interessen« und widersetzte sich einem Deal mit der Regierung in Manila. Als Reaktion darauf erklärte der damalige Präsident Joseph E. Estrada der MILF den »totalen Krieg«. Die Hauptbetroffenen waren Hunderttausende Zivilisten, die infolge der Kampfhandlungen über Nacht zu Flüchtlingen wurden.

Und heute? Nach langem politischen Tauziehen kam Ende März 2014 doch noch eine friedensvertragliche Regelung zwischen der von Al-Haj Murad Ebrahim und Mohagher Iqbal geführten MILF und der Aquino-Regierung zustande. Diese sieht vor, dass bis zum Sommer 2016, wenn die Amtszeit des Präsidenten endet, eine weitgehende Autonomie für eine zu schaffende Bangsamoro-Region in Kraft treten soll. Und genau das ist heute für die BIFF unakzeptabel, die sich ihrerseits während der Verhandlungen mit Manila von der MILF abspaltete. Die BIFF kämpft für Unabhängigkeit und wirft der MILF »Kapitulantentum« vor. Ein Vorwurf, den die MILF einst ihrerseits gegenüber der MNLF erhoben hatte.

Sprach man vor 15 Jahren von »totalem Krieg«, werden heute die Redewendungen »unnachgiebige Verfolgung« und »letzte Großoffensive« gegen die BIFF verwendet. Für die Zivilbevölkerung macht das keinen Unterschied. Allein in den letzten Tagen mussten in der Provinz Nordcotabato erneut über 25.000 Menschen ihre Häuser verlassen – aus Furcht, zwischen die Fronten zu geraten. Der BIFF-Sprecher Abu Misry Mama erklärte am Mittwoch in Telefoninterviews mit Medien in Manila, man werde »größtmöglichen Widerstand« leisten. »Wir werden die AFP gebührend empfangen«, sagte Mama weiter, »ergeben werden wir uns auf keinen Fall. Lieber sterben wir im Kampf.«

So sehr gewichtige politische Kräfte im Lande ein neuerliches martialisches Vorgehen im Süden begrüßen, so kompliziert gestaltet sich jetzt die Beziehung zwischen den beiden Friedensvertragspartnern. Das Image des Präsidenten ist selbst innerhalb seines Aquino-Cojuangco-Clans ramponiert. Er war in den »Operationsplan Exodus« eingeweiht, für dessen Scheitern allerdings Alan Purisima, sein langjähriger Intimus und mittlerweile zurückgetretener Generaldirektor der Nationalpolizei, verantwortlich gemacht wird. Purisima, so der Präsident, habe ihn angelogen, was die Endplanung, Durchführung und unterlassene AFP-Hilfe für die von Rebellen bedrängten Elitepolizisten während der Kommandoaktion betraf.

Und auf die MILF-Führung werden aus unterschiedlichen Lagern Breitseiten abgefeuert. Sie hätte mit den Behörden bei der Festsetzung von Marwan und Usman kooperieren und ihre eigenen militärischen Kräfte zügeln sollen. So gemäßigt und diplomatisch das Ebrahim-Iqbal-Tandem auch agiert, es wird ihm kaum gelingen, die eigenen Reihen auf Dauer geschlossen zu halten.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. Februar 2015


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