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Schwere Zeiten für Aquino

Der philippinische Präsident gerät wegen verfehlter Antikorruptionspolitik unter Druck

Von Rainer Werning *

In zahlreichen philippinischen Städten fanden übers Wochenende Demonstrationen gegen Präsident Benigno S. Aquino III statt, die am heutigen Montag mit Großkundgebungen in der Metropole Manila ihren vorläufigen Höhepunkt finden sollen. Ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Gruppierungen, fortschrittlichen Bürgerbewegungen, linken Parteien sowie engagierten Rechtsanwälten und Kirchvertretern, unter ihnen auch Manilas Erzbischof, Luis Antonio Kardinal Tagle, will im Rahmen einer Volksinititiative bis zu sechs Millionen Unterschriften sammeln, um gegen den »pork barrel scam«, den gemeinhin so genannten größten Betrugs- und Bestechungsskandal in der jüngeren Geschichte des Landes, zu mobilisieren. Dieser dominiert die Innenpolitik seit nunmehr einem Jahr. Selbst der Oberste Gerichtshof der Philippinen hat in zwei wegweisenden Urteilen Mitte November vergangenen Jahres sowie erst Anfang Juli gegen die fortgesetzte Zuteilung von Geldern aus präsidialen Sonderfonds an Senatoren und Kongreßabgeordnete gestimmt und diese Fonds für verfassungswidrig erklärt. Doch der Präsident macht, gestützt auf eine ihm inner- wie außerhalb des Parlaments geneigte politische Klientel, dagegen Front und erwog in den vergangenen Tagen sogar eine Verfassungsänderung. Das wiederum verhärtete die Fronten der Aquino-Gegner, die dem Präsidenten vorwerfen, so seine eigentlich im Juni 2016 endende Amtszeit zu verlängern und sich unbotmäßiger Persönlichkeiten in der Judikative zu entledigen.

Im Kern geht es um drei Sonderfonds, für deren Verwendung die Exekutive verantwortlich und letztlich rechenschaftspflichtig ist. Im ersten Fall ging es um den PDAF-Fonds, der bis zum Urteil des Obertsen Gerichtshofes Ende 2013 jedem Kongreßabgeordneten und Senator jährlich 70 beziehungsweise 200 Millionen Peso (umgerechnet etwa 1,21 Millionen beziehungsweise 3,4 Millionen Euro) zugestand, um damit Entwicklungsprojekte in deren Wahlkreisen zu finanzieren. Statt dessen landeten mindestens zehn Milliarden Peso (zirka 172,2 Millionen Euro) durch »kreatives« Finanzgebaren der zentralen Figur der Affäre, Janet Lim-Napoles, in die Taschen der Parlamentarier. Der Trick dabei: In großem Stil wurden Schein-NGOs geschmiert, und die Rücküberweisungen heimsten sich die Beteiligten als Schmiergelder ein. Zwei Senatoren sitzen bereits – wiewohl unter privilegierten Bedingungen – hinter Gittern. Ein weiterer, der ehemalige Senatspräsident Juan Ponce Enrile, befindet sich aufgrund seines hohen Alters in der Obhut eines Militärspitals. Gegen weitere Senatoren und Kongreßabgeordnete wird ermittelt.

Als sei das nicht schon schlimm genug, geriet selbst der DAP-Fonds des Präsidenten in die Kritik, mit dem beschleunigt Gelder für seiner Meinung nach sinnvolle Armutsbekämpfungsprogramme bereitgestellt werden. Auch in diesem Fall sahen das die obertsen Landesrichter ganz anders und kritisierten mangelnde Transparenz. Daraufhin fuhr man aus dem Präsidentenpalast Malacañang eine Retourkutsche und drohte eben mit Verfassungsänderungen. Wenngleich heute auch unter Politikern Lippenbekenntnisse gegen »pork barrel« en vogue sind, nimmt ihnen das öffentlich kaum noch jemand ab. Bleibt als dritter Sonderfonds noch immer der präsidiale Sozialfonds (PSF) bestehen, der sich wesentlich aus Einnahmen der staatlichen Lotterie- und Glücksspielbranche speist. Auch die daraus abgezweigten Gelder dienten traditionell einer Patronagepolitik.

Vor einem Jahr waren zig Zehntausende in Manilas ausladendem Rizal Park zusammengeströmt, um erstmals landesweit gegen »pork barrel« zu mobilisieren. Die heutigen Kundgebungen sind in der Sicht der Organisatoren ein klares Signal an Aqunio, nicht in die Fußstapfen des früheren Diktators Marcos zu treten. Mit den massenhaft gesammelten Unterschriften soll landesweit ein Referendum mit Blick auf die Verabschiedung eines »Anti-Pork-Barrel-Gesetzes« erwirkt werden.

* Aus: junge Welt, Montag 25. August 2014


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