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Magere Bilanz

Nach vierjähriger Amtszeit von Präsident Aquino preist sich die philippinische Regierung grundlos selbst

Von Rainer Werning *

Er werde die Menschenrechte achten, den Sumpf der Korruption austrocknen und für einen volksnahen, geradlinigen Regierungsstil sorgen. Das waren die Kernversprechen von Benigno S. Aquino III, als er am 30. Juni 2010 in den Präsidentenpalast Malacañang in Manila einzog. »Wenn es keine Korruption gibt, herrscht auch keine Armut. Ihr seid mein Boß«, versicherte der Präsident publikumswirksam seinen Wählern. So sollte Volksnähe suggeriert und das schlechte Image philippinischer Politik als »Trapo«-Politik abgestreift werden. »Trapo« steht für »traditionelle Politiker«, die sich schamlos bereichern und die öffentliche Domäne unter sich als private Jagdreviere abstecken.

Was ist daraus nach vier Jahren Amtszeit geworden? Bitter wenig. Das landesweit alles beherrschende mediale Thema ist der sogenannte Pork Barrel Scam – der größte Betrugs- und Bestechungsskandal in der jüngeren Geschichte des Landes. Pork Barrel ist die populäre Bezeichnung eines Sonderfonds, der jedem Kongreßabgeordneten und Senator in Höhe von jährlich 70 beziehungsweise 200 Millionen Peso (umgerechnet etwa 1,16 Millionen beziehungsweise 3,3 Millionen Euro) zusteht, um damit Entwicklungsprojekte in ihren Wahlkreisen zu finanzieren. Statt dessen landeten mindestens zehn Milliarden Peso (zirka 16,6 Millionen Euro) durch geschmeidiges Finanzgebaren der umtriebigen Geschäftsfrau und zentralen Figur der Affäre, Janet Lim-Napoles, in den Taschen von Parlamentariern. Der Trick dabei: Die Gelder wurden Schein-NGOs zugeschanzt, und von den Rücküberweisungen flossen deftige Schmiergelder an die Politiker. Zwei Senatoren sitzen bereits – wiewohl unter privilegierten Bedingungen – hinter Gittern. Weitere Senatoren und Kongreßabgeordnete sollen folgen. Für viele Menschen im Lande, die unter stetiger Verarmung und den Folgen verheerender Katastrophen Ende 2013 (Erdbeben und der Supertaifun »Haiyan«) leiden, eine unerträgliche Vorstellung.

Menschenrechte? Ja, die werden gewahrt, läßt der häufig den Realitäten entrückte Präsidentensprecher Edwin Lacierda mantrahaft verlauten. Ganz anders liest sich das im jüngsten Bericht von Human Rights Watch über Todesschwadronen in der südlichen Stadt Tagum sowie sogar im diesjährigen Menschenrechtsreport des US State Department. Darin werden die fortgesetzten und ungeahndeten außergerichtlichen Hinrichtungen ebenso angeprangert wie das Verschwindenlassen mißliebiger Personen.

Politische Gefangene? Nein, die gibt’s gar nicht, erklärt derselbe Lacierda. Für die Regierung sind die von der philippinischen Menschenrechtsorganisation Karapatan aufgelisteten 489 politischen Gefangenen schlicht »Kriminelle«. Wer sind diese? Durch die Bank Mitglieder fortschrittlicher Bauern- und Arbeiterorganisationen, Gewerkschafter, studentische Aktivisten – ja, selbst engagierte Kirchenleute, integre Richter wie zuletzt Reynerio Estacio oder couragierte Medienleute wie der Radiojournalist Rogelio Butalid.

In den meisten Fällen, beklagt Edre Olalia, Menschenrechtsanwalt und Rechtsberater des Linksbündnisses Nationale Demokratische Front (NDFP), läßt sich die Justiz als Büttel von Sicherheitskräften mißbrauchen – im Einklang mit dem explizit gegen die Linke (n) gerichteten Aufstandsbekämpfungsplan »Bayanihan« (»Nachbarschaftshilfe«). »Fabrizierte Mordanklagen, nachträglich ausgefüllte Haftbefehle, mangelnder Zeugenschutz und eine in solchen Fällen auffällig schnell agierende Justiz«, so Olalia gegenüber jW, »sind die gängigsten Methoden, um politische Aktivisten zu kriminalisieren, mundtot zu machen und wegzusperren. Auch unter Aquino bleibt die Kultur der Straffreiheit ungebrochen.«

* Aus: junge Welt, Dienstag, 1. Juli 2014


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