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Wahlen mit beschränkter Wirkung

Philippinen: Abstimmung über zahlreiche politische Ämter. Linke wird militärisch bekämpft

Von Rainer Werning *

Am heutigen Montag finden in den Philippinen Halbzeitwahlen statt. Nach der Hälfte der sechsjährigen Amtszeit von Präsident Benigno Simeon Aquino III sind landesweit gut 18000 politische Ämter neu zu besetzen. Gewählt werden unter anderem 292 Abgeordnete des Kongresses, 80 Provinzgouverneure und ihre Stellvertreter, die Hälfte des 24köpfigen Senats sowie die Bürgermeister und Stadträte samt Stellvertretern. Zwei politische Hauptblöcke wetteifern um die Gunst der Wähler: auf der einen Seite das der Regierung nahestehende Team PNoy, auf der anderen Seite die Vereinigte Nationalistische Allianz (UNA). Während UNA darauf spekuliert, mit ihrem noch immer populären Exschauspieler und Expräsidenten, doch vorzeitig seines Amtes enthobenen Joseph E. Estrada (1998–2001) zur Nummer eins aufzurücken, setzt das Team PNoy auf dem Präsidenten loyal verbundene Politiker. »PNoy« ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus »Pinoy«, eine unter Filipinos gebräuchliche und liebevolle Selbstbezeichnung, und dem Kosenamen »Noynoy« für Präsident Benigno Aquino.

Die Kandidatenliste liest sich wie das Who is Who der politischen Dynastien des Landes, deren Familienmitglieder turnusmäßig Ämter rochieren. Wie stets ist bei der Vergabe der Posten in Kongreß und Senat sehr viel Geld im Spiel, was das ganze Unterfangen als Showdown einer »Elitendemokratie« demaskiert, wie es der einstige Senatspräsident Jovito Salonga formuliert hatte. Linke Gruppierungen treten zwar zur Wahl an, doch ihre Chancen sind gering. Bestenfalls können sie diese nutzen, um auf eine andere Kultur von Wahlprozessen hinzuwirken, in denen tatsächlich Probleme diskutiert und angepackt werden.

Blutige Wahlkämpfe, Wahlbetrug und Stimmenkauf sind Konstanten in der Landespolitik. Erst kürzlich veröffentlichte die philippinische Menschenrechtsallianz Karapatan ein ernüchterndes Resümee der Politik unter Aquino. Laut der Generalsekretärin der Organisation, Cristina Palabay, wurden seit Sommer 2010 137 Personen Opfer »außergerichtlicher Hinrichtungen« im Rahmen der staatlichen Aufstandsbekämpfung Oplan Bayanihan (Operationsplan Nachbarschaftshilfe), mit der das Regime die Linke militärisch bekämpft. Außerdem gab es 14 Fälle von »Verschwindenlassen« und 498 illegale Verhaftungen. Bei den Opfern handelt es sich durchweg um Personen, die von staatlichen Behörden als »Kommunisten« gebrandmarkt werden. Die Zahl der landesweit eingesperrten politischen Gefangenen beziffert Karapatan mit mindestens 300 – darunter über ein Dutzend Berater des politischen Untergrundbündnisses der Nationalen Demokratischen Front (NDFP). Deren Inhaftierung bildet denn auch einen Hauptstreitpunkt zwischen Aquinos Emissären und NDFP-Unterhändlern bei den bis vor kurzem stattgefundenen Friedensverhandlungen. Während Manila der NDFP vorwirft, nicht ernsthaft zu verhandeln, kontert letztere mit dem Argument, die Regierung mißachte vereinbarte Sicherheits- und Immunitätsgarantien für ihre Berater.

Seit 1986 verhandeln Regierung und NDFP über Waffenstillstand und Frieden. Wenig deutet darauf hin, daß es – wie ursprünglich avisiert – bis zum Ende der Amtszeit Aquinos im Sommer 2016 zu einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis kommt. Ende April beging das Internationale Informationsbüro der NDFP das 40jährige Bestehen des Bündnisses. Nach eigenen Angaben operiert die NDFP in über hundert Guerillafronten in 70 von 80 philippinischen Provinzen. Gemeint sind damit Gebiete, in denen bereits Keimformen einer Gegenregierung entwickelt werden – vom Aufbau eines eigenen Bildungs- und Gesundheitsbereichs bis hin zur Senkung von Pachtabgaben.

* Aus: junge welt, Montag, 13. Mai 2013


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