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Geringe Fortschritte

Philippinen: Kaum konkrete Ergebnisse bei Friedensgesprächen mit muslimischen Rebellen von Mindanao

Von Thomas Berger *

Von einem Durchbruch im Friedensprozeß zwischen der phi­lippinischen Regierung und den muslimischen Rebellen auf der südlichen Insel Mindanao kann weiterhin keine Rede sein. Die jüngste Runde von Gesprächen zu Wochenbeginn wurde einen Tag früher als geplant und ohne konkretes Ergebnis beendet. Die von der Regierung vorgelegten Vorschläge für eine dauerhafte Lösung reichten der Gegenseite nicht aus. Von einem Scheitern des Dialogs kann dennoch keine Rede sein.

Seit mindestens vier Jahrzehnten kämpfen die Moros, wie sich die Angehörigen der auf Mindanao dominierenden muslimischen Gemeinschaft nennen, gegen die von ihnen als Fremdherrschaft gesehene Regierung in Manila. Die übrigen Philippinen sind seit der spanischen Kolonialära katholisch und damit eine Ausnahme in ganz Südostasien. Die Moros wiederum fühlen sich ihren Glaubensbrüdern in Indonesien und Malaysia sowie im arabischen Raum verbunden. Von der Moro National Liberation Front (MNLF), die zunächst den Aufstand für Selbstbestimmung anführte, spaltete sich 1978 die etwas radikalere Moro Islamic Liberation Front (MILF) ab. Mit der MNLF konnte 1996 ein Friedensabkommen ausgehandelt werden, eine Autonomieregelung gibt es bereits seit den achtziger Jahren. Bis heute sind bei Kämpfen etwa 150000 Menschen umgekommen.

Der Verhandlungsprozeß mit der MILF war zuletzt zu Jahresbeginn wieder aufgenommen worden. Wie nach den Runden in Februar und April bleibt auch nach den jüngsten Gesprächen in Malaysia zumindest das Bewußtsein, daß sich beide Seiten an die Waffenstillstandsvereinbarung gebunden sehen und weiter nach einer friedlichen Lösung für den Konflikt streben.

Was genau die jüngste Offerte aus Manila beinhaltete, blieb vorerst geheim. An Informationen sickerte lediglich durch, daß in einem zentralen Punkt des Papiers vorgeschlagen wird, die Einnahmen aus den natürlichen Ressourcen des Autonomiegebietes zwischen beiden Seiten zu teilen. Die Autonome Region des Muslimischen Mindanao (ARMM) besteht auf der Insel aus fünf Provinzen.

Die Rebellen wiesen den Vorstoß zwar nicht sofort zurück, ihre Vertreter machten aber keinen Hehl aus ihren Vorbehalten. Die Verhandlungsführer werden dem Oberkommando der Bewegung vermutlich empfehlen, das Angebot nicht anzunehmen, hieß es am Dienstag.

Ansonsten können die nur zwei- statt wie geplant dreitägigen Gespräche bestenfalls als weitere Stärkung der Vertrauensbasis angesehen werden. Gesprochen wurde auch über Ameril Umbra Kato. Der vormalige Kommandeur einer MILF-Einheit, der vor einigen Monaten durch die Führung von seinem Posten abberufen wurde, hat inzwischen seine eigene Bewegung gegründet. Nach gescheiterten Versuchen des MILF-Oberkommandos, Kato wieder in seine Reihen zurückzuholen, ist der Bruch nun von beiden Seiten vollzogen. Katos neues Bangsamoro Islamic Freedom Movement (BIFM) besteht dem Vernehmen nach aus etwa 300 Kämpfern, wobei bei einigen Subkommandeuren noch unklar ist, ob sie sich ihm dauerhaft anschließen oder doch wieder in den Schoß der Mutterbewegung zurückkehren. Diese hat etwa 12000 Mitglieder.

Benigno »Noynoy« Aquino, der erst voriges Jahr zum Präsidenten der Philippinen gewählt wurde, hat bislang keinen handfesten Erfolg bei den Verhandlungen vorzuweisen. Daß er sogar so weit gegangen ist, in einer geheimen Begegnung in Japan den MILF-Vorsitzenden Al Haj Murad zu treffen, wird von Vertretern der Opposition im Parlament als »gefährlich und sinnlos« kritisiert. Aquino und seine engsten Vertrauten sehen den Dialog zwar weiter auf gutem Weg, sind aber auch sichtlich enttäuscht. Sie hatten sich schnellere Fortschritte erhofft. Wie es mit dem Friedensprozeß konkret weitergehen kann, ist zunächst offen.

* Aus: junge Welt, 27. August 2011


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