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Machtprobe auf den Philippinen

Parlament will obersten Richter absetzen. Expräsidentin weiter in Haft

Von Thomas Berger *

Politik gegen Justiz – so lautet die neueste Konfrontation auf den Philippinen. Am Montag (12. Dez.) beschloss das Unterhaus des Parlaments mit einer breiten Mehrheit die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes, Renato Corona. Das Lager von Staatspräsident Benigno »Noynoy« Aquino wirft ihm vor, dessen Amtsvorgängerin Gloria Arroyo noch immer loyal ergeben zu sein. Deshalb versuche er, den Prozeß gegen sie wegen Amtsmißbrauch und Korruption zu verhindern. Außerdem soll Corona versäumt haben, seine Einkünfte offenzulegen.

Während sich der Beschuldigte zunächst nicht selbst zu Wort meldete, sagte der Sprecher des Obersten Gerichtshofes gegenüber der Presse, Corona sehe dem Verfahren gelassen entgegen. Die Vorwürfe seien absolut haltlos. So seien etwa Richter laut Gesetz schon seit 1991 davon ausgenommen, ihre Einkünfte öffentlich zu machen. Zugleich ereiferte sich der Gerichtssprecher, das Amtsenthebungsverfahren sei ein »Angriff nicht nur auf Chefrichter Corona als Person, sein Amt und den Obersten Gerichtshof als Institution, sondern auf das Justizsystem als Ganzes«. In der Tat ist der Vorstoß ein Novum. Viele Juristen, die persönlich nicht viel für Corona übrig haben, kritisieren, daß die Abgeordneten des Repräsentantenhauses den Bogen überspannt hätten. Für den Mittwoch waren Richter- und Anwaltskreise zu Arbeitsverweigerung und anderen Protestaktionen aufgerufen.

Die Gegnerschaft des Aquino-Lagers zu Corona besteht schon seit dem Amtsantritt des jetzigen Präsidenten vor anderthalb Jahren. Noch im Mai 2010, unmittelbar nach ihrer Wahlniederlage und sechs Wochen vor dem Ende ihrer Amtszeit, hatte Gloria Arroyo den Chefrichter ernannt. Dessen gute Beziehungen zu ihr waren kein Geheimnis. So verwundert es letztlich auch nicht, daß der Oberste Gerichtshof jetzt der ehmaligen Präsidentin, die nunmehr einfache Abgeordnete ist, Mitte November zu Hilfe zu kommen versuchte. Damals hoben die Richter ein zuvor verhängtes Ausreiseverbot für Arroyo auf. Die Politik allerdings folgte dieser Anordnung nicht und ließ das ehemalige Staatsoberhaupt, das zur medizinischen Behandlung ins Ausland fliegen wollte, am Flughafen von Manila festnehmen. Arroyo, die an einer seltenen Knochenerkrankung leidet und bereits drei Operationen hinter sich hat, soll dieser Tage von einer Spezialklinik in ein staatliches Krankenhaus verlegt werden. Ihre Rechtsanwälte kämpfen derweil hinter den Kulissen für die Aufhebung des Haftbefehls gegen sie.

Schon im Wahlkampf hatte Aquino angekündigt, im Falle eines Sieges seine Amtsvorgängerin für Verfehlungen juristisch zur Verantwortung ziehen zu wollen. Bis zur endgültigen Konfrontation mit dem Arroyo-Lager vergingen aber zunächst Monate. Offenbar halten der Präsident und seine Getreuen nun den richtigen Zeitpunkt für gekommen, es mit der immer immer noch einflußreichen Exstaatschefin aufzunehmen. Arroyo wird unter anderem Bereicherung und Wahlbeeinflussung vorgeworfen. Die Philippinen leiden bereits seit längerem an einem Korruptionsproblem: Der ehemalige Diktator Ferdinand Marcos schaffte dereinst Milliardenbeträge ins Ausland, Arroyos Vorgänger Joseph Estrada landete sogar kurzzeitig im Gefängnis, wurde aber begnadigt.

Der Angriff auf Corona entspringt offenbar dem Bestreben, mögliche Störfeuer des Obersten Gerichtshofes zu unterbinden, sollte das Verfahren gegen die Expräsidentin vor einem lokalen Gericht geführt werden. Allerdings hat Arroya im höchsten Richtergremium des Landes, das insgesamt 15 Mitglieder zählt, neben Corona noch weitere Vertraute. Sollten ihre Anwälte es schaffen, zumindest ihre Freilassung für die Weihnachtsfeiertage zu erwirken, wäre dies schon eine schwere Schlappe für ihre Gegner.

* Aus: junge Welt, 15. Dezember 2011


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