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Im Inselreich auf Chavez' Spuren

Neue Linkspartei auf den Philippinen

Von Raoul Rigault *

Die zersplitterte philippinische Linke bemüht sich angesichts der Dauerkrise des Landes und der Präsidentenwahl 2010 um eine Einigung. Vorbild ist die Entwicklung in Venezuela.

Am 30. Januar riefen in Manila 920 gewählte Delegierte die Partei der Massenmacht (Partido ng Masa -- PLM) ins Leben. Die Delegierten vertraten Gewerkschaften, Bauern-, Studenten-, Frauenund Armenverbände, die nach eigenen Angaben insgesamt 300 000 Mitglieder zählen. Ihr Motto: »Eine neue Partei für unsere Zeit -- eine Partei des Wandels, eine Partei des Sozialismus«. Prominente Persönlichkeiten wie der Präsident der Universität der Philippinen, Francisco Nemenzo, ehemalige und derzeitige Parlamentsabgeordnete sandten Grußbotschaften. Auf Distanz blieb einzig die von Jose Maria Sison geführte maoistisch ausgerichtete Kommunistische Partei der Philippinen (CPP), die seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos 1986 zwar an Gewicht verloren hat, mit mehreren zehntausend Kadern und rund 6000 Kämpfern ihrer Guerillaorganisation NPA aber immer noch bedeutenden einen Faktor bildet.

Wie der PLM-Vorsitzende Sonny Melencio erläuterte, versteht sich die PLM als Kombination aus Massenbewegung und Wahlpartei: »Wir versuchen eine Massenpartei aufzubauen, die sowohl zu Wahlen antreten als auch Aufstände führen kann.« Vorbilder sieht Melencio in Bolivien und Venezuela, wo den Wahlerfolgen linker Kräfte »Volksaufstände vorausgingen, die Millionen Menschen mobilisierten«.

Ziel sind die »Abschaffung des verschlissenen kapitalistischen Systems und seine Ersetzung durch eine sozialistische Gesellschaftsordnung«. Die beschlossene Plattform fordert die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien, der Strom-, Öl- und Wasserversorgung, eine umfassende Landreform, angemessenen Wohnraum, Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung für die Masse der Bevölkerung. Nachbarschaftsversammlungen in Dörfern und Städten sollen zu Institutionen der Volksmacht entwickelt werden.

Große Hoffnungen setzt die PLM auf das Bündnis mit einer Gruppe von Soldaten und Offizieren, die wegen zweier Putschversuche gegen die korrupte Regierung unter Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo im Februar 2006 und im November 2007 interniert sind, aber weiterhin große Popularität genießen. Als Präsidentschaftskandidat gilt der inhaftierte Brigadegeneral Danilo Lim. Die PLMPlattform basiert in weiten Teilen auf dem von Lim einst als Vorsitzendem der Union Junger Offiziere (YOU) ausgearbeiteten Forderungskatalog.

Die Chancen zumindest für einen Achtungserfolg stehen nicht schlecht, wie das Beispiel Antonio Trillanes zeigt. Der ebenfalls wegen Putschversuchs einsitzende 36-jährige Marineleutnant wurde 2007 mit 11 Millionen Stimmen zum Senator gewählt, obwohl er keinen Wahlkampf führen konnte.

Gleichwohl stellen sich viele die Frage, wie ernst und dauerhaft Lims Linksschwenk ist. Auch Präsidentin Arroyo hatte sich in ihrem Wahlkampf als Freundin der Armen und Feindin der herrschenden Elite präsentiert, anschließend jedoch die Politik ihrer Vorgänger fortgesetzt. Zwar stammt PLM-Kandidat Lim aus bescheidenen Verhältnissen, doch absolvierte er im Militär eine Bilderbuchkarriere, die einen Abschluss an der US-Militärakademie West Point 1978 einschließt. Verheiratet ist der ehemalige Kommandeur einer Eliteeinheit zur Guerillabekämpfung mit der Tochter einer einflussreichen Familie aus der Provinzhauptstadt Solano.

Verankert ist die PLM bisher vor allem im Großraum Manila, wo 11,6 der 88,5 Millionen Einwohner und zwei Drittel aller Armen leben. In anderen Gebieten ist sie kaum präsent. Fraglich ist auch, ob die Partei und die Gründungsverbände gleichgesetzt werden können. Viele Mitglieder dieser Gruppen wissen womöglich noch gar nichts von der PLM. Ein Erfolg der Partei würde voraussetzen, dass diese Schwächen überwunden werden.

In die Hände spielen könnte der PLM der weltweite Wirtschaftseinbruch, der sich mit der chronischen Strukturkrise des Inselstaates verbindet. Selbst die Regierung schätzt, dass im laufenden Jahr bis zu 800 000 Beschäftigte ihre Arbeit verlieren und 500 000 im Ausland arbeitende Filipinos in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Bereits jetzt sind Unterbeschäftigung und katastrophale Wohnverhältnisse weit verbreitet. Der Mindestlohn für einen Arbeitstag beläuft sich auf umgerechnet 6 Euro. Laut dem von beiden christlichen Kirchen betriebenen EILER-Institut sind die Löhne auch wegen brutaler Repression gegen Gewerkschafter seit dem Jahr 2000 um 7 Prozent gesunken. Nicht ohne Grund warnte der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Jose Almonte kürzlich, dass »die Arroyo-Regierung der politischen Situation nicht mehr als eine künstliche Stabilität übergestülpt hat«.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Februar 2009


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