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Rückschlag für Aquino

Oberster Gerichtshof der Philippinen behindert Ermittlungen gegen Expräsidentin

Von Thomas Berger *

Die Verfolgung von Korruptionsvergehen unter der früheren philippinischen Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo wird schwieriger, als von der neuen Regierung angenommen. Ihr im Mai gewählter Amtsnachfolger Benigno »Noynoy« Aquino hat jetzt eine herbe Niederlage einstecken müssen. Der Supreme Court, Oberster Gerichtshof des südostasiatischen Inselstaates, erklärte die erst vor kurzem eingerichtete Wahrheitskommission für illegal. Das Votum ging zehn zu fünf aus, neben SC-Chefrichter Renato Corona stimmten auch neun seiner Kollegen dafür, daß der Präsident mit der Einrichtung der Kommission seine Befugnisse überschritten habe.

Es waren mehrere Arroyo-Loyalisten aus Politik und Wirtschaft, die den Gerichtshof in der Angelegenheit angerufen hatten. Da der Supreme Court bis auf eine Ausnahme aus Mitgliedern besteht, die ihr Amt unter der Expräsidentin erhielten, verwundert die Entscheidung nicht. Wie unter anderem die Tageszeitung Philippine Star darlegt, ist damit aber noch lange nicht entschieden, ob Gloria Arroyo für schwere Verfehlungen nicht doch noch zur Verantwortung gezogen wird. Gerichtssprecherin Victoria Gleoresty Guerra verwies auf das Widerspruchsrecht, das der unterlegenen Seite 15 Tage nach Vorliegen des schriftlichen Bescheides zustehe. Unter Umständen müßten sich die Richter damit erneut mit dem Fall befassen und bisher nicht vorgebrachte neue Argumente zur Kenntnis nehmen.

Ob die Regierung diesen Einspruchsweg beschreitet oder gleich als relativ aussichtslos verwirft, scheint noch nicht festzustehen. Zumindest werden bereits alternative Wege geprüft, die Korruptionsvorwürfe weiter zu untersuchen. Die unter einem ehemaligen Diplomaten eingerichtete Wahrheitskommission sei längst nicht die einzige Möglichkeit, verlautete aus dem Präsidentenpalast. Die Richter hatten begründet, daß das Staatsoberhaupt nur seine nachgeordnete Verwaltung umstrukturieren kann, nicht aber ein solches völlig neues Gremium erschaffen dürfe.

Gloria Arroyo war seinerzeit selbst angetreten, die ausufernde Korruption auf den Philippinen zu bekämpfen. Gerade in der Endphase ihrer Amtszeit hatten sich allerdings die Vorwürfe aufgetürmt, sie selbst und ihre Familie hätten sich bereichert. Zahlreiche fragwürdige Ernennungen wurden gerade noch in den letzten Wochen vor dem Machtwechsel in Manila vorgenommen, und der neue Präsident hat Mühe, die in einflußreiche Ämter gehievten Arroyo-Vertrauten wieder von dort zu entfernen. Nicht einmal das Oberste Gericht hinter sich zu haben, ist deshalb besonders hinderlich. Aquino weiß aber auch, daß er von den Bürgern wesentlich daran gemessen wird, wie weit er sein Versprechen von mehr Sauberkeit in Politik und Verwaltung sowie Aufarbeitung vergangener Delikte umsetzen kann.

* Aus: junge Welt, 9. Dezember 2010


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