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Kampf um Jungwähler

Peru: Nach wochenlangen Protesten lehnt Kongress ein kontrovers diskutiertes Jugendarbeitsgesetz ab

Von Benjamin Beutler, Lima *

Es ist ein Schlag ins Gesicht für die Mitte-links-Regierung von Präsident Ollanta Humala. Nach fünf Stunden Sondersitzung, einberufen vom Staatschef selbst, stimmte der Kongress der Republik Peru in Lima am Montag (Ortszeit) für die Rücknahme eines von der Humala-Administration eingebrachten Gesetzes über Jugendarbeit. Die im Dezember verabschiedete Novelle, die mit 91 zu 18 Stimmen und fünf Enthaltungen zu Fall gebracht wurde, sah erstmals die Einführung eines Jugendarbeitsgesetzes vor. Arbeitslosen oder informell arbeitenden Jugendlichen im Alter von 18 bis 24 Jahren solle der Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialleistungen ermöglicht werden. Jugendliche und Gewerkschaften hatten allerdings kritisiert, das Gesetz schreibe eine strukturelle Benachteiligung gegenüber regulär Beschäftigten fest sowie den Abbau von Arbeits- und Sozialrechten.

»Heute gibt es das Gesetz nicht mehr, aber der Kongress hat es verpasst, eine Alternative zu formulieren«, erklärte am Montag Humala am Rande der Einweihung eines Sozialprojekts in der Provinz Cañete. Eine Auslandsreise zum Gipfel der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) in Costa Rica hatte der Präsident, der auch Chef der »Peruanischen Nationalistischen Partei« (PNP) ist, kurzfristig gestrichen.

Zwei Millionen Jugendliche würden weiter schwarzarbeiten, mit Ausbeutung, ohne Recht auf Bezahlung und Sozialversicherung, befand Humala. »Die haben überhaupt gar nichts. Wenn sie krank werden, verlieren sie ihre Arbeit, das heißt, sie haben kein Recht auf Krankheit«, betrauerte der 52jährige das Ende seiner Initiative. Im Dezember 2014 hatte der Kongress noch grünes Licht gegeben – die Zielgruppe aber lief Sturm. »Wir sind Peru, nicht Bangladesch«, war auf Plakaten zu lesen. Auch am Montag, dem Tag der Entscheidung, hatten Tausende Schüler, Studenten und Gewerkschafter die Hauptstadt lahmgelegt.

Die Kritik der Demonstranten an dem Gesetz ist schwer von der Hand zu weisen. Unternehmern wollte Humala die Anstellung junger Leute mit Steuererleichterungen, Halbierung des Urlaubsanspruchs auf 15 Tage im Jahr, Wegfall bezahlter Überstunden, Sonderzahlungen, Familiengratifikationen und Lebensversicherung schmackhaft machen. Erwartungsgemäß feierten die Demonstranten es als ihren Sieg, dass das Gesetz kassiert wurde.

Ein kurzfristiges Angebot des links-nationalen Humala-Bündnisses »Gana Perú« (GP) an die Jugendlichen, geforderte Sonderzahlungen doch zu gewähren und das Gesetz so zu retten, scheiterte nicht nur am Widerstand der Opposition. Auch im eigenen GP-Lager gab es Abweichler, der christlich-liberale Koalitionspartner »Perú Posible« von Expräsident Alejandro Toledo ging komplett fahnenflüchtig. Vor der Abstimmung hatte der Harvard-Ökonom vor Entlassungen älterer Angestellter gewarnt, seine Fraktion werde für die Annullierung stimmen. Für Daniel Abugattás von Humalas Partei PNP eine falsche Entscheidung, auf die fehlende Formalisierung der Arbeit sei nicht zu verzichten: »Erklären Sie den Jugendlichen, dass Sie ihnen alle Vergünstigungen vorenthalten«.

Über Twitter sprach Alan García, neoliberaler Humala-Vorgänger aus der APRA-Partei, von einem »jugendlichen Triumph«. »Der von Diskriminierung bedrohten Jugend ist Gerechtigkeit wiederfahren«, so García. Elizabeth Mendoza von der Sozialistischen Jugend ist den Kongressabgeordneten nicht dankbar: »Bevor sie abstimmen und ein Gesetz annehmen, sollten sie dieses auch analysieren«. Sie habe Zweifel an der Aufrichtigkeit der Parlamentarier, denn Anfang 2016 stünden Wahlen an. Es ginge im begonnenen Wahlkampf nur um die Stimmen der Jugendlichen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 29. Januar 2015


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