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Die Luft zum atmen

Peru: Beschäftigte aus Silberminen protestieren für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit unter Tage

Von Clemens Wagner *

Sechs protestierende Minenarbeiter sind am vergangenen Dienstag bei einer Demonstration vor dem Arbeitsministerium in der peruanischen Hauptstadt Lima verhaftet worden, ein weiterer wurde angeschossen. Die Beschäftigten der Uchucchacua-Silbermine nördlich von Lima, befinden sich seit mittlerweile drei Wochen im Streik und kämpfen für eine Verbesserung der Sicherheit und Arbeitsverhältnisse unter Tage. Sie sagen, insbesondere die Luftqualität sei verherrend. Die Mine wird betrieben von der Firma Buenaventura. Die Gewerkschaft geht momentan von 30 Arbeitern aus, denen aufgrund des Streiks gekündigt wurde.

Die Minenarbeiter bemühten sich vergeblich um ein Gespräch mit Vertretern des Ministeriums. Statt dessen wurden sie von der Polizei beschuldigt, öffentliche Straßen zu blockieren. Die Situation eskalierte und letztendlich feuerte ein Polizist einen Schuss auf die Gruppe ab, wie die Arbeiter berichteten. Einer von ihnen wurde schwer verletzt. Bevor es zu dem Schuss auf Protestierende kam, hatte die peruanische Gewerkschaft der Minenarbeiter (Federación Nacional de Trabajadores Mineros Metalúrgicos y Siderúrgicos del Perú, FNTMMSP) zu einem landesweiten Streiktag aufgerufen, um die Rücknahme einer Regelung durchzusetzen, die vergangenen Juli das Parlament passierte: Ein Zusatz im »Gesundheits- und Sicherheitsgesetz« macht es für Angehörige verletzter oder getöteter Arbeiter schwieriger, das Unternehmen für Unfälle zur Rechenschaft zu ziehen und eine Entschädigung oder ein Schmerzensgeld einzuklagen. Konzernverbände hatten Lobbyarbeit betrieben, um diesen Paragraphen durchzukriegen. Andere Veränderungen, die die Rechte von Beschäftigten einschränken sollen, sind momentan in Planung. So liegt unter anderem ein Gesetzentwurf vor, nach dem Konzerne bis zu zehn Prozent ihrer Belegschaft entlassen können, wenn ihre Bilanzen negativ ausfallen.

Die Arbeiter seien enttäuscht, wie sie beim Ministerium empfangen wurden, sagte ein Vetreter der streikenden Arbeiter von Uchucchacua, Ronald Ventocilla, laut Presseerklärung. Es könne nicht sein, »dass Peruaner Peruaner erschiessen. Buenaventura ist ein verantwortungsloser Arbeitgeber, der die Rechte der Beschäftigten missachtet: In unseren Minen herrscht unter anderem eine hohe Konzentration von Kohlenmonoxid, und uns wird nicht das Essen zur Verfügung gestellt, dass uns rechtlich zusteht.«

Nach Informationen von Arbeitern der Buenaventura-Mine werden die ältesten Maschinen zur Frischluftversorgung abgestellt, wenn Inspektoren die Mine überprüfen. Diese Anlagen würden zu einer besonders hohen Luftverschmutzung unter Tage führen. Die neuen Maschinen alleine können die Reinigung der Luft auf Dauer aber gar nicht gewährleisten – das müsste laut Minenarbeitergewerkschaft auch den Kontrolleuren klar sein. Die Männer arbeiten in der Regel 14 Tage am Stück in den Minen, zehn Stunden pro Tag, gefolgt von einer siebentägigen Pause. Laut Gewerkschaft beschweren sie sich über die enorme Gesundheitsgefährdung, weil sie beständig einer hohen Konzentration von giftigen Gasen ausgesetzt sind.

Ein weiteres Problem sind die geringen Löhne in den Minen: Vertragsarbeiter, die keiner Gewerkschaft angehören, verdienen umgerechnet etwa 15 Euro pro Tag. Organisierte Arbeiter, die fest angestellt sind, bekommen pro Tag etwa 20 Euro. Allerdings müssen sie fast ein Drittel wieder an das Unternehmen zurückzahlen, für Essen. Dabei ist die Buenaventura-Gruppe der größte Förderer von Edelmetallen in Peru und hat laut Presseerklärung vom 3. Mai im ersten Quartal dieses Jahres einen Profit von knapp 16 Millionen Euro gemacht. Allein in der Mine in Uchucchacua werden jährlich 324.000 Kilogramm Silber gefördert. Peru ist der drittgrößte Produzent des Edelmetalls weltweit.

Doch die Arbeiter haben kein Geld für ein Hotel, während sie in Lima für ihre Rechte demonstrieren. So übernachten sie momentan unter den Überdachungen rund um das Nationalstadion, bis Vertreter des Arbeitsministeriums bereit sind, sich mit ihnen zu treffen. Ventocilla erklärte, dass sie für ihren Protestzug in die Hauptstadt gute Gründe haben, und deshalb nicht aufgeben wollen, bis sie Gehör bei den Verantwortlichen finden. Außerdem müssten sie sich nun auch darum kümmern, dass ihre Kollegen aus der Haft entlassen werden, bevor sie sich auf den Heimweg machen können. »Wir haben gemeinsam begonnen und werden Lima auch nur gemeinsam verlassen«, stellte Ventocilla klar. Neben dem Kampf für die Arbeitsrechte, stehe nun für die Gewerkschaft auch die Auseinandersetzung mit der Polizeigewalt und den ungerechtfertigten Inhaftierungen im Mittelpunkt. Es werde die Meinungs- und Redefreiheit der Arbeiter eingeschränkt – ausgerechnet durch die eigene Polizei.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. Mai 2015


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