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Mit einem Fuß in zweiter Runde

Am Sonntag wird in Peru ein neuer Präsident gewählt. Humala Favorit

Von Johannes Schulten *

Wen die Medien nicht mögen, der hat bei Wahlen keine Chance. So einfach und richtig diese Erkenntnis ist, beim peruanischen Linksnationalisten Ollanta Humala scheint es sich umgekehrt zu verhalten. Je stärker der ehemalige Militär von der peruanischen Presse als Populist und Strohmann des in Peru wenig beliebten venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez verrissen wird, desto höher steigt er in der Gunst der Wähler.

Das war schon bei den Präsidentschaftswahlen 2006 so, als Humala in den Wochen vor der ersten Runde mehr als zehn Prozentpunkte zulegte und als Erstplazierter in die Stichwahlen einzog, die er allerdings knapp gegen den rechten Sozialdemokraten und aktuellen Präsidenten Alan García verlor.

Und wenn am Sonntag (10. Apr.) die knapp 14 Millionen stimmberechtigten Peruaner einen neuen Präsidenten wählen, ist Humala wieder dabei. Wieder wird er von den großen Medien ignoriert, und wieder hat er innerhalb der letzten drei Wochen zur Überraschung aller Beobachter einen beispiellosen Endspurt hingelegt. Nach den letzten Umfragen vom vergangenen Wochenende führt er erstmals das Bewerberfeld an und könnte mit seinem Bündnis Gana Perú knapp 27 Prozent der Stimmen erhalten.

Selten war eine peruanische Präsidentschaftswahl so eng wie in diesem Jahr. Fünf der insgesamt zehn Kandidaten hatten über weite Strecken des Wahlkampfes reelle Chancen, die Runde der letzten zwei zu erreichen.

Der ehemalige Präsident Alejandro Toeldo (2001–2006), der lange Zeit die Prognosen anführte, käme nach den letzten Umfragen auf 20,8 Prozent, gefolgt von Keiko Fujimori mit 20,3 Prozent, deren Vater Alberto Fujimori das Land zwischen 1990 und 2000 regierte. Auf Platz drei mit 18,5 Prozent liegt der ehemalige IWF-Funktionär und Wirtschaftsminister unter Toledo Pedro Pablo ­Kuczynski (Bündnis Alianza por el gran cambio). Etwas zurückgefallen in der Wählergunst ist in den letzten Tagen der Exbürgermeister der Hauptstadt Lima, Luis Castañeda (Sociedad Nacional), der nur noch auf 13,3 Prozent kommt.

Die sozialdemokratische Traditionspartei APRA von Präsident Alan García hat wegen zahlreicher Korruptionsskandale auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichtet.

Politisch sind die Differenzen zwischen den Kandidaten weitaus geringer als es deren Anzahl nahe legt. Toledo, Castañeda sowie Kuczynski stehen für eine klare Kontinuität des auf Rohstoffexport und ausländische Investitionen ausgerichteten Modells von García. Mit Wachstumsraten von bis zu neun Prozent gilt es ökonomisch als durchaus erfolgreich. Da García jedoch praktisch auf Sozialpolitik verzichtete, konnten weder die hohen Armutsraten noch die massiven Einkommensunterschiede spürbar minimiert werden.

Die erst 35jährige Keiko Fujimori will es nach eigenem Bekunden »genau wie Papi machen« und setzt auf eine harte Hand gegen Verbrecher und alle, die den sozialen Frieden gefährden könnten. Alberto Fujimori, der momentan eine Haftstrafe wegen Korruption verbüßt und wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen während seiner Präsidentschaft angeklagt ist, verfügt noch immer über eine erstaunlich große Anhängerschaft in Peru.

Humala dagegen repräsentiert einen klassischen lateinamerikanischen Nationalismus, der auf die Stärkung des Binnenmarkts und die Betonung der nationale Souveränität setzt. Zudem ist er der einzige Kandidat, der sich positiv auf die Forderungen der in den vergangenen Jahren entstandenen Protestbewegungen gegen Garcías Freihandelspolitik bezieht. Pläne der Regierung, Teile indigener Siedlungsgebiete in der Amazonasregion für ausländische Multis zu öffnen, hatten über Monate zu massiven Protesten gegen García geführt.

Gleichwohl tritt Humala er im Vergleich zu fünf Jahren gemäßigter auf, was sich nicht nur im Verzicht auf das rote Hemd zeigt, welches er im letzten Wahlkampf ständig trug. Das erinnerte zu stark an Hugo Chávez und wurde nun gegen einen Anzug eingetauscht. Auch rhetorisch vermeidet er durch konsequenten Nichtbezug auf den venezolanischen Präsidenten, eine mediale Angriffsfläche zu bieten.

* Aus: junge Welt, 6. April 2011


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