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Linksschwenk in Peru?

Präsident Garcia präsentiert Yehude Simon als neuen Premierminister

Von Andreas Knobloch *

Nach dem Rücktritt des gesamten Kabinetts wegen eines Korruptionsskandals vergangenen Freitag präsentierte der peruanische Präsident Alan García schon einen Tag später Yehude Simon als neuen Premierminister. Die Wahl des 61jährigen Veterinärmediziners und Gründers der Partei Peruanische Humanistische Bewegung (Movimiento Humanista Peruano) kommt einigermaßen überraschend, stammt er doch aus dem linken Lager. Die Regierung sah sich in den vergangenen Wochen allerdings mit zunehmenden Protesten der Bevölkerung konfrontiert, die die steigenden Lebenshaltungskosten und die neoliberale Ausrichtung der Politik kritisierte.

García hofft mit der Ernennung Simons, den sogenannten »Erdölskandal« um die irreguläre Vergabe von Konzessionen zur Erdölförderung in Peru an das norwegische Unternehmen Discover Petroleum schnell hinter sich zu lassen und nicht noch weiter an Popularität einzubüßen. Umfragen bescheinigten ihm nur noch 19 Prozent Zustimmung.

Vor allem die Gewerkschaften und Parteien der Linken begrüßten die Berufung von Yehude Simon. Unter dem früheren Präsidenten Alberto Fujimori hatte er acht Jahre wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Guerillaorganisation Movimiento Revolucionario Tupac Amaru (MRTA) im Gefängnis gesessen. Zuletzt war er Gouverneur der Provinz Lambeyeque im Norden des Landes gewesen. Es wird allgemein erwartet, daß die neue Regierung eine deutlich sozialere Politik vertreten und auch den Provinzen im Landesinneren mehr Aufmerksamkeit widmen wird. Denn obwohl seit Garcías Amtsantritt das Bruttoinlandsprodukt um knapp acht Prozent gestiegen ist, hat ein Großteil der Bevölkerung keinerlei Anteil am wirtschaftlichen Wachstum. Rund vierzig Prozent der Peruaner leben in Armut.

Wer der neuen Regierung angehören wird, wollte Simon am späten Dienstag abend (Dienstag nacht MEZ) bekannt geben. Zudem ließ er verlauten, daß er den Dialog mit der Opposition um den linksnationalistischen Ollanta Humala und die Konservative Lourdes Flores sowie den Parteigängern von Expräsident Fujimori suchen wird.

Während sich das Land in der schwersten politischen Krise seit Jahren befindet, meldete sich Ende letzter Woche auch die maoistische Guerilla Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) mit einem Angriff auf einen Militärkonvoi. Dabei starben laut Armeeangaben mindestens 19 Menschen, darunter zwölf Soldaten, und es gab viele Verletzte. Die Attacke war die schwerste in den letzten zehn Jahren. Nach der Verhaftung ihres Anführers Abimael Guzmán sowie weiterer führender Köpfe von Sendero Luminoso und MRTA im September 1992 bot die Guerilla der Regierung die Zusammenarbeit an, was zur Abspaltung einer kleinen Gruppe von der Organisation führte, die unter dem Namen Sendero Rojo den bewaffneten Kampf weiterführen wollte. Der große Teil der Kämpfer machte von der angebotenen Amnestie (dem sogenannten Reuegesetz) Gebrauch und ließ sich entwaffnen. Ende der 1990er Jahre waren nur noch geschätzte einhundert Kämpfer aktiv. Ob es sich bei dem nun erfolgten Angriff um Drogenterrorismus handelt, wie von der Regierung und den führenden Medien behauptet, oder die Gruppe ihre Guerillaaktivitäten wieder verstärkt, bleibt abzuwarten.

* Aus: junge Welt, 15. Oktober 2008


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