García erfolgreich gegen den Trend
Perus Präsident setzt auf einen in Südamerika weitgehend diskreditierten neoliberalen Kurs
Von Rolf Schröder *
Die ersten 100 Tage im Amt zeigen: Der peruanische Präsident Alan García geht einen anderen
Weg als die Linksregierungen der Region.
Der venezolanische Präsident Hugo Chávez kann seinen neuen peruanischen Kollegen Alan García
nicht leiden. Während des peruanischen Wahlkampfs beschimpfte er García als Banditen und rührte
die Werbetrommel für dessen Gegenkandidaten Ollanta Humala. Inzwischen hat Chávez in García
den Schoßhund des US-amerikanischen Präsidenten erkannt. Diese Wortwahl macht klar: García
steht, obwohl er Vorsitzender der sozialdemokratischen Volkspartei APRA ist, in Lateinamerika für
eine grundsätzlich andere Politik als Chávez. Die ersten 100 Tage seiner Amtszeit, die heute
ablaufen, lassen sogar vermuten, dass García auch einen anderen Weg einschlagen wird als die
gemäßigt linken Regierungen in der Region.
Dabei war García einst selbst die Hoffnung der Linken. Der jugendlich und idealistisch wirkende
García, der 1985 schon einmal zum Präsidenten gewählt wurde, starb indes auf dem Scheiterhaufen
seiner Politik. Damals wollte er die Rückzahlung eines Teils der Auslandsschulden verweigern und
die Banken verstaatlichen. Aber selbst vom Diskurs Garcías im Wahlkampf 2006 ist nicht viel übrig
geblieben. So lehnte er noch vor einem halben Jahr das bilaterale Handelsabkommen seines
Vorgängers Alejandro Toledo mit den USA kategorisch ab und forderte neue Verhandlungen. Bei
seinem Antrittsbesuch in den USA zeigte er sich dagegen zufrieden mit dem Vertrag und warb
energisch für die noch ausstehende Unterzeichnung durch den US-Kongress. Damit ging er auf
deutliche Distanz zum Wirtschaftsbündnis Mercosur, das auf einen regionalen Handelspakt setzt.
Um die Gesundheits- und Bildungspolitik kümmert sich García bislang kaum. Sein knappes Budget
braucht er für andere Ressorts, zumal er die Steuern auf Extragewinne, die er im Wahlkampf vor
allem von der boomenden Minenindustrie forderte, inzwischen gestrichen hat. Stattdessen denkt er
laut über weitere Privatisierungen nach. An seiner Personalpolitik wird besonders deutlich, dass er
den neoliberalen Wirtschaftskurs seiner beiden Vorgänger Alberto Fujimori und Alejandro Toledo
nahtlos fortsetzen wird. Dafür steht neben zahlreichen anderen Ministern vor allem der neue Chef
des Wirtschaftsressorts, Luís Carranza, ehemals ein enger Mitarbeiter Fujimoris und Vizeminister
unter Toledo.
Die neue Innenpolitik läuft deutlich gegen den Trend in Südamerika: Der Präsident plant die
Wiedereinführung der Todesstrafe für Vergewaltigungen von Minderjährigen mit tödlichem Ausgang.
Das ist purer Populismus, denn aufgrund einer rasanten Zunahme dieser Verbrechen rufen laut
Meinungsumfragen fast drei Viertel der Bevölkerung nach einem Henker. Darüber hinaus will García
die Anführer der letzten, im Urwald versprengten Gruppen der maoistischen Guerilla Sendero
Luminoso am Galgen sehen. Mehr noch: Anders als die Regierungen Argentiniens, Chiles und
Uruguays deckt García schwere Menschenrechtsverletzungen der Armee. So sollen Offiziere, die
wegen der Beteiligung an Massakern gegen die Zivilbevölkerung im peruanischen Bürgerkrieg der
80er Jahre angeklagt sind, auf Staatskosten verteidigt werden. Dafür hat sich besonders Garcías
Vizepräsident Luís Giampetri eingesetzt, der 1986 als Kapitän der peruanischen Marine selbst an
der Ermordung von über 150 Gefangenen des Sendero Luminoso während einer Meuterei im
Gefängnis El Frontón beteiligt war. Den Befehl zum Sturm des Gefängnisses hatte er damals vom
Präsidenten García erhalten.
Alan García hat es nach 100 Tagen Amtszeit mit Geschick und Populismus dennoch geschafft, zwei
Drittel der Bevölkerung hinter sich zu bringen. Das bestätigen Meinungsumfragen. Der Präsident,
gegen den etliche Strafverfahren wegen Korruption während seiner ersten Amtszeit nur wegen
Verjährung eingestellt wurden, konnte sein einst schlechtes Image deut-lich verbessern: Nun
präsentiert er sich als sparsamer, bescheidener Landesvater und reduziert sich, seinen Ministern
und den Kongressabgeordneten das Gehalt um satte 40 Prozent. Solche Gesten kommen an. Auch
den ärmeren Teil der Bevölkerung vergisst García nicht. Er kümmert sich persönlich um die
Wasserversorgung in Randzonen und ließ kürzlich etwa 300 000 motorisierte Rikschafahrer für
monatlich drei Dollar der staatlichen Krankenversorgung beitreten. Andere Erwerbstätige aus dem
informellen Sektor sollen folgen. García hat dazu das Glück, eine boomende Wirtschaft
übernommen zu haben: Peru gilt als das Land mit den besten Wachstumsaussichten Amerikas.
Allen Differenzen mit Hugo Chávez zum Trotz hat García eines mit seinem venezolanischen
Amtskollegen gemein: Er verfügt über Charisma, weiß, wie er bei der Mehrheit der Bevölkerung
ankommt, und hat Erfolg. Jedenfalls bislang.
* Aus: Neues Deutschland, 6. November 2006
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