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Die Last des Ressourcenreichtums

Bergbaumultis beuten Minen in Peru aus und graben der Bevölkerung das Wasser ab

Von Knut Henkel *

In Peru geht heute der EU-Lateinamerika-Gipfel zu Ende. Ein übergeordnetes Thema ist die »nachhaltige Entwicklung«. Doch damit tun sich die Gastgeber schwer. In Peru werden die natürlichen Ressourcen ausgeplündert, als gebe es kein Morgen.

»Agua Si, Oro No!« (Wasser ja, Gold nein) steht in dicken Lettern auf einem Aufkleber, der auf einem Laternenmast im Herzen von Cajamarca prangt. Die Provinzstadt im Norden Perus ist eine der wichtigsten Bergbauzentren des Landes. Hoch über der alten Kolonialstadt befindet sich die größte Goldmine Lateinamerikas: Yanacocha. Hier werden täglich 600 000 Tonnen Gestein bewegt, um je Tonne etwa ein halbes Gramm des Metalls zu gewinnen.

Die Geschäfte laufen angesichts des hohen Weltmarktpreises gut, doch die Bevölkerung ist alles andere als begeistert von den schürfenden Multis in der Region. »Der Bergbau schafft nur wenig Arbeit und von dem Geld bleibt doch kaum etwas«, schimpft Manuel Holman. Der 23-Jährige arbeitet in der Straßenreinigung im nahe gelegenen Touristenort Baños de Inca. Auch hier könnte das Schürfen irgendwann beginnen, denn in der ganzen Region hat die Regierung Konzessionen für die Aufnahme von Bergbauaktivitäten vergeben.

Weichen stehen auf Expansion

Auf 7 Milliarden US-Dollar wird das derzeitige Investitionsvolumen in Peru geschätzt. Rund 250 Minen gibt es bereits, noch einmal so viele sind in Planung. Präsident Alan García hat die Weichen auf Expansion gestellt. Von Peking bis Quebec wirbt er für Investitionen im wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes. Auch in Deutschland haben Garcías Botschafter die Werbetrommel gerührt. Im März tourte eine Unternehmerdelegation durch die peruanischen Anden, um sich ein Bild von den Chancen zu machen. Die meisten Firmen wollen Maschinen für den Bergbau liefern, doch auch um die Sicherstellung des mineralischen Nachschubs geht es deutschen Unternehmen, die bei der Modernisierung alter und der Eröffnung neuer Minen nur zu gern dabei wären.

Der Bergbausektor beschert dem Land nicht nur Deviseneinnahmen, er schafft auch große Probleme für die Anwohner. »Die Mine Yanacocha ist längst zur Bedrohung für die Bauern mutiert«, erklärt Mirtha Vasquez von der bergbaukritischen Entwicklungsorganisation Grufides. »Die Mine verbraucht dreimal so viel Wasser wie die gesamte Bevölkerung Cajamarcas.« Rund 180 000 Menschen leben in Cajamarca und 30 000 Bauernfamilien rund um die alte Inkastadt konkurrieren mit der Mine um das lebensnotwendige Nass. Schon drängen neue Bergbauunternehmen in die Region, die nach weiteren Goldadern und Mineralienvorkommen suchen. Über 35 Prozent der Fläche des Departamentos, vergleichbar einem Bundesland, sind durch Konzessionen für den Bergbau reserviert. Ein riesiges Geschäft, von dem nur wenig in Peru bleibt. Cajamarca ist gut zehn Jahre nach der Aufnahme der Minentätigkeit die zweitärmste Region des Landes. »Die Bergbaukonzerne zahlen für die Ausbeutung der Bodenschätze keine Gebühren. Einzig eine Gewinnbesteuerung erfolgt, zusätzlich zahlen die Unternehmen eine freiwillige Abgabe«, erläutert der katholische Geistliche Marco Antonio Arana Zegarra. »Das sind paradiesische Verhältnisse im internationalen Vergleich.«

Daran wird sich wohl auch zukünftig wenig ändern, denn die Regierung ignoriert den wachsenden Druck aus der Zivilgesellschaft gegen die hemmungslose Ausbeutung der Ressourcen und für ein nachhaltiges Wirtschaften. Bezeichnend ist die derzeit laufende Gründung eines Umweltministeriums in Lima. Es wird keine Weisungsbefugnis für die wichtigsten Exportsektoren, Bergbau und Fischverarbeitung, haben. Das Ministerium droht zum Papiertiger zu werden, sagt Ana Leyva von Red Muqui, einem Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen.

Umweltministerium auf Druck von außen

Wissenschaftler teilen diese Einschätzung. »Die Gründung des Umweltministeriums wurde nötig aufgrund der Bestimmungen des Freihandelsabkommens mit den USA, sie erfolgte nicht freiwillig«, erläutert der Biologe Rómulo Loayza Aguilar von der Universität Chimbote.

Dies dürfte auch auf dem EU-Lateinamerika-Gipfels angesprochen werden. Übergeordnetes Thema des Gipfels, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnimmt, ist nämlich die Nachhaltigkeit, und einige unbequeme Fragen hat Präsident Alan García schon zu erwarten. Angesichts knapper werdender Ressourcen könnte für Merkel und Co. die Frage nach langfristigen Liefergarantien jedoch noch wichtiger sein.

Newmont Mining

Betreiber der Yanacocha-Goldmine ist der US-Bergbaukonzern Newmont Mining Corp. mit Sitz in Denver (Colorado). Weitere Beteiligungen halten das peruanische Unternehmen Buenaventura und die Weltbank-Finanztochter IFC. Newmont gilt als Branchenprimus. Der Konzern verfügt über 86 Millionen Unzen wirtschaftlich abbaubarer Goldreserven. Trotz des hohen Goldpreises rutschte der Konzern zuletzt in die roten Zahlen gerutscht. Grund sind gestiegene Energiepreise, die die Produktion verteuert haben. Der Kurs der Aktie von Newmont ist nach einem steilen Höhenflug bis Anfang 2006 leicht gefallen. ND



* Aus: Neues Deutschland, 17. Mai 2008


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