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Späte Suche nach Gerechtigkeit

Peru: Massakeropfer aus Andendorf Putka 26 Jahre nach der Tat exhumiert

Von Angel Paéz (IPS), Lima *

Dutzende Familien aus dem Dorf Putka in der südwestlichen Andenprovinz Huanta brachten im August etliche Nächte unter freiem Himmel zu. Sie wollten die Gräber nicht verlassen, in denen sich die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen befanden. Inzwischen wurden die 37 Opfer des sogenannten Weihnachtsmassakers exhumiert. Nach Aussagen von Überlebenden handelte es sich bei den Tätern um Mitglieder der bäuerlichen »Selbstverteidigungsgruppen« (»rondas de autodefensa«), die während des peruanischen Bürgerkriegs von 1980 bis 2000 mit Rückendeckung der Streitkräfte gegen Rebellen und vermeintliche Sympathisanten vorgingen. Hauptschauplatz des blutigen Konflikts war die südwestliche Region Ayacucho, in der auch das »Weihnachtsmassaker« begangen wurde.

Die Mörder von Putka kamen im Morgengrauen des 25. Dezember 1984. Zeugenaussagen zufolge wurden zahlreiche Bewohner von den Angreifern mitgenommen. Vor dem Eingang einer alten Mine seien die Männer gefoltert und Frauen vergewaltigt worden, hieß es. Dann hätten die Mörder ihre Opfer erstochen und in die Mine geschafft. Den Eingang hätten sie danach verschlossen, um die Leichen zu verstecken. Überlebende des Massakers informierten jedoch die Familien, die die Opfer, einschließlich einer Schwangeren und 13 Kindern unter 15 Jahren, bargen und in acht Gräbern bestatteten. Sie schwiegen über die schrecklichen Geschehnisse, da sie Racheakte der Milizen und des Militärs fürchteten. Erst viele Jahre später nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. Mitte Februar 2010 lagen Gutachten mit den Angaben vor, wo sich die Gräber befinden. Anfang August konnten sie im Beisein der Angehörigen der Opfer geöffnet werden.

Angenommen wird, daß die Täter die Unterstützung von den in der Gegend stationierten Militärtruppen erhalten hatten. Zum Zeitpunkt des Massakers waren Angehörige von Heer und Marine in der Provinz Huanta postiert. Im Kampf gegen die Organisation »Leuchtender Pfad« konnten die Soldaten auf die Hilfe von Einwohnern mehrerer Gemeinden zählen, die sich mit Waffen gegen gewalttätige Rebellen zur Wehr setzten. Massaker folgten dicht aufeinander. Nur wenige Wochen vor den Morden in Putka hatte das Militär bereits 123 Bewohner der Nachbargemeinde Putis getötet. Beobachter sehen einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Verbrechen. Schätzungen zufolge sollen insgesamt 4600 Massengräber die Skelette von 15000 »Verschwundenen« bergen. Die Familien der Opfer von Putka fürchten, daß die Täter auch weiter straffrei bleiben werden.

* Aus: junge Welt, 31. August 2010


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