Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Einseitig und vage

Peru: Untersuchung des Massakers von Bagua endet in Fiasko

Von Milagros Salazar (IPS), Lima *

Der Koordinator der Sonderkommission zur Aufklärung des verheerenden Polizeieinsatzes im Juni gegen demonstrierende Ureinwohner in der nordperuanischen Amazonasortschaft Bagua hat seine Unterschrift unter den Abschlußbericht verweigert. Der Report sei einseitig und vage und nenne die für die Eskalation des Konflikts verantwortlichen Politiker und Sicherheitskräfte nicht beim Namen, erklärte Jesus Manacés Ende vergangenen Jahres. Der von ihm koordinierten Kommission, so der Awajún-Ureinwohner weiter, seien weder genügend Zeit noch die erforderlichen Mittel gewährt worden, um die Hintergründe der Auseinandersetzungen zu klären, denen zehn Indigene und 24 Polizisten – einschließlich eines Verschwundenen – zum Opfer fielen. Etwa 200 Menschen waren verletzt worden.

Auslöser der Kundgebung waren gesetzwidrige Dekrete zugunsten einer Anpassung an Auflagen des Freihandelsabkommens mit den USA. Die Erlasse, die unter anderem eine Öffnung der indigenen Territorien für Landwirtschaft, Bergbau und Holzindustrie vorsahen – ein Freibrief für US-Konzerne –, waren ohne Rücksprache mit den betroffenen Ureinwohnern verabschiedet worden, wie dies im Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation festgeschrieben ist.

Unterschiedlichen Quellen zufolge wurden am 5. Juni die Proteste von Tausenden Ureinwohnern gewaltsam aufgelöst, obwohl diese mit zwei lokalen Polizeichefs Waffenstillstandsverträge ausgehandelt hatten, die ihnen Zeit für den friedlichen Rückzug einräumten. Doch bereits vor Ablauf der Frist rückten 600 Polizisten an, die das Feuer auf die friedlich demonstrierende Menge eröffneten. Der Verstoß gegen das Waffenstillstandsabkommen führte zu einer Eskalation der Gewalt und der Hinrichtung von zwölf Polizisten, die von den Ureinwohnern als Geiseln gehalten worden waren. Bei den sich anschließenden Kämpfen kamen weitere zwölf Sicherheitskräfte und zehn Ureinwohner ums Leben.

Manacés erläuterte zusammen mit dem Kommissionsmitglied Carmen Gómez in einem Brief an den Vorsitzenden der Nationalen Koordinationsgruppe zur Entwicklung der indigenen Völker, den Landwirtschaftsminister Adolfo de Córdova Vélez, warum sie auf Distanz zu dem Untersuchungsbericht gegangen sind. Darüber hinaus kündigten sie die Erstellung eines Alternativberichts an, der mit neuen Erkenntnissen über die Hintergründe des Massakers aufwarten soll.

Die beiden abtrünnigen Kommissionsmitglieder kritisierten beispielsweise, daß sie aus zeitlichen oder anderen Gründen für den Fall relevante Schlüsselpersonen nicht zu den Ereignissen in Bagua befragen konnten. Dazu zählt beispielsweise der damalige Regierungschef Yehude Simon, der die Dekrete und die Niederschlagung des Indigenenaufstandes scharf kritisierte und aus Protest gegen den Umgang mit den Ureinwohnern wenige Wochen später von seinem Amt zurücktrat.

Ebenso wenig gelang es den Kommissionsmitgliedern im Verlauf ihrer Ermittlungen, die ehemalige Außenhandelsministerin Mercedes Aráoz zu befragen, die die Dekrete stets als »Notwendigkeit zur Rettung des Freihandelsabkommen« mit den USA verteidigt hatte. Manacés bemängelte ferner, daß auch das Gespräch mit der damaligen Innenministerin Mercedes Cabanillas unergiebig geblieben sei, die den Polizeichef für die Auflösung der Straßenblockade verantwortlich macht. »Die Ministerin und höchste Instanz in Fragen der nationalen Sicherheit wird wohl kaum der Polizei das Handlungsfeld überlassen haben«, kommentierte Manacés.

Der Koordinator der Untersuchungskommission monierte ferner, keinen Zugang zu wichtigen Papieren des Innenministeriums erhalten zu haben.

* Aus: junge Welt, 6. Januar 2010


Zurück zur Peru-Seite

Zurück zur Homepage