Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Massaker im Süden Perus

Wirtschaftspolitik der Regierung ohne Rücksicht auf Interessen der Indigenen

Von Benjamin Beutler *

Bei einem Massaker in der Gemeinde Chacayaje im Südosten Perus sind am vergangenen Wochenende mindestens zehn Einwohner getötet worden, als Vermummte in eine Bergarbeiterversammlung stürmten und in die Menge der rund 300 Anwesenden schossen. »Wären die Kugeln nicht ausgegangen, dann hätten sie uns alle getötet«, berichtet eine Überlebende aus der Gemeinde, die in der traditionellen Bergbauregion Puno liegt. Bei den Angreifern soll es sich um Angestellte einer privaten Goldmine aus der benachbarten Gemeinde Ayabaca handeln. Die mit großkalibrigen Schußwaffen ausgestatteten Maskierten hätten das Revier ihrer Chefs gegen den Zugriff der Nachbargemeinde markieren wollen, so Beobachter. Diese vermuten hinter den Morden den Bürgermeister und Eigentümer der Goldmine, Roger Saya, sowie den Kongreßabgeordneten Tomás Cenzano Sierralta, dem enge Verbindungen zum peruanischen Präsidenten Alan García nachgesagt werden. Seinen Sitz im Kongreß verdanke er nur hohen Spenden für dessen Wahlkampf.

Hintergrund der erneuten Gewalteskalation in Peru ist die auf Rohstoffexport gestützte Wirtschaftspolitik von Präsident Alan García, die dieser ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht und mit der er für ein Klima gnadenloser Konkurrenz sorgt. Ölmultis aus aller Welt beuten die Amazonasregion, die »grüne Lunge« unserer Erde, aus. Sie mißachten dabei Umweltauflagen und völkerrechtliche Bestimmungen wie das Abkommen 169 der »Internationalen Arbeitsorganisation« (ILO), in denen die Mitbestimmung der indigenen Bevölkerung garantiert werden. »Weder die Unternehmen noch der Staat leisten eine verantwortungsvolle Arbeit«, kritisiert die Indigenen-Organisation AIDESEP. Auch Regierungsstudien belegen, daß Flüsse und Boden mit hochgiftigem Kadmium und Blei verseucht sind, immer wieder lecken Ölpipelines und Förderanlagen, wie jüngst unweit des Río Corrientes beim Unternehmen PlusPetrol. Unterdessen warnte die UN-Kommission zur Bekämpfung des Rassenhasses (CERD) bereits mehrfach vor weiteren ernsthaften Spannungen für das Land sowie einer Welle der Gewalt, die von der Ausbeutung der Bodenschätze in den traditionell von den indigenen Völkern bewohnten Gebieten provoziert werde. Lima dürfe ohne deren Zustimmung keine Entscheidungen treffen, welche die Rechte und Interessen der indigenen Völker direkt betreffen, forderte die CERD.

Erst vor knapp vier Monaten war es in der nordperuanischen Provinz Bagua zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Demonstranten und der Nationalpolizei gekommen. Dieser »Baguazo« forderte mehr als 30 Menschenleben, für die der damalige Premierminister Yehude Simon und seine Innenministerin Mercedes Cabanillas verantwortlich gemacht werden. Während beide weiter auf freiem Fuß sind, werden den Familien getöteter Zivilisten »Entschädigungen« versprochen. Ganz telegen überreichte der neue Premier Javier Velásquez Quesquén persönlich sieben Tonnen Nahrungsmittel sowie 100 Laptops, Möbel, Spielzeuge und Motorräder für eine Schule. Offenbar sollen die in konservativen Medien als »Wilde« stigmatisierten Indigenen auf diese Weise wie früher mit Glasperlen besänftigt werden. Denn die gerade laufenden Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag zwischen Peru und der Europäischen Union stehen kurz vor einem »erfolgreichen« Abschluß. Der soll nicht gefährdet werden.

* Aus: junge Welt, 8. Oktober 2009


Zurück zur Peru-Seite

Zurück zur Homepage