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Etappensieg für Indigene

Peru: Abgeordneter vom Volk der Awajún fordert Einbeziehung von Gemeinden in nationale Entscheidungen

Von Angel Páez, IPS *

Zum ersten Mal ist in Peru ein Vertreter der Amazonas-Indigenen in den Kongress eingezogen. Eduardo Nayap vom Volk der Awajún ist landesweit bekannt, seit er vor zwei Jahren Proteste gegen Investitionserleichterungen für ausländische Minenunternehmen im Urwald anführte. Dem Volk der Awajún gehören rund 332000 Menschen an, die knapp über ein Prozent der peruanischen Bevölkerung ausmachen. Die auch als Aguaruna bekannten Ureinwohner machten von sich reden, als sie gegen die Politik der damaligen Regierung von Präsident Alan García rebellierten. García wollte Nutzungsrechte an ausländische Firmen ohne Rücksprache mit den Ureinwohnern in der Amazonasregion vergeben. Daraufhin kam es zu schweren Unruhen. Im Juni 2009 wurden in der nördlichen Ortschaft Bagua bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Awajún und der Polizei 23 Uniformierte und zehn Indigene getötet.

Die Chefs der 281 Awajún-Gemeinden ermunterten den Theologen, Soziologen und Mathematiker Nayap, für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Nayap ließ sich für die Partei Gana Perú des inzwischen amtierenden Staatspräsidenten Ollanta Humala aufstellen und gewann genügend Stimmen. Kurz nach seiner Vereidigung am 25. Juli reichte er den Entwurf eines Gesetzes ein, das die Behörden verpflichten soll, die indigenen Gemeinden vor allen sie betreffenden Entscheidungen zu Rate zu ziehen.

Nayap ist zuständig für das Departement Amazonas, wo mehr als drei Viertel der Angehörigen seiner Ethnie beheimatet sind. Amazonas ist eine der 14 ärmsten Regionen Perus. Dem nationalen Amt für Statistik zufolge lebt mehr als die Hälfte der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Wie der neugewählte Abgeordnete versicherte, wird er nicht nur die Interessen der Awajún, sondern die aller seiner »Amazonasbrüder« wahrnehmen. Er gilt mittlerweile als Hoffnungsträger für alle 51 indigenen Gemeinschaften Perus. Nayap zufolge hat sich die Öffentlichkeit bisher nicht für die Geschichte der Awajún interessiert. Während des Aufstandes in Bagua seien die Indigenen in den meisten Medien als »Wilde« dargestellt worden. Nach den Motiven für die Rebellion habe niemand gefragt.

Peru erlebe ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum, das an den Ethnien vorbei gehe. »Die indigenen Völker am Amazonas sind gesellschaftlich ausgegrenzt. Es gibt dort weder Straßen noch Krankenstationen oder Schulen«, so Nayap.

Die Tatsache, daß er nun als erster Awajún im Parlament sitzt, sieht Nayap als großen Sieg der Indigenen. »Die Herausforderung besteht jetzt darin, Gesetze zu schaffen, die unseren Völkern nutzen«. Nayap hebt zugleich hervor, daß es nicht darum gehe, ausländische Investoren per se von den Territorien der Ethnien fernzuhalten. »Wir fordern jedoch Respekt für diejenigen, denen das Land von jeher gehört«, sagte er. Die Unternehmen interessierten sich für das Gold, nicht aber für die Menschen am Ort. Mit dem Aufstand der Awajún verbindet Nayap zwiespältige Erinnerungen. Auf der einen Seite empfinde er Schmerz über den unnötigen Tod so vieler Menschen, nur weil die Behörden den Dialog verweigert hätten. Andererseits seien die Anliegen der Ureinwohner seit den Zusammenstößen von nationaler Bedeutung: »Alle nehmen uns jetzt wahr, weil sie wissen, wer wir sind.«

* Aus: junge Welt, 22. August 2011


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