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Perus Linke sagt Humala "Adiós"

Hoffnungen auf Kurswechsel zerstoben

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Perus Staatspräsident Ollanta Humala trifft heute Kanzlerin Angela Merkel, um den Ausbau von Geschäftsbeziehungen zu diskutieren. Unterdessen bröckelt der Rückhalt für ihn im eignen Land, linke Kabinettsmitglieder wenden sich ab.

Peru als »Land der Möglichkeiten« will Staatspräsident Ollanta Humala heute in Berlin präsentieren, über 20 Investoren sind geladen. Der Präsident wird von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen. Danach wirbt er in Brüssel und Straßburg für die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit der EU. Deutschland ist der siebtwichtigste Handelspartner des Andenlandes, im letzten Jahrzehnt haben sich die deutschen Investitionen in Peru versiebenfacht.

Auch wenn in Berlin gegen Humala protestiert wird: Der Europatrip ist für den einstigen Hoffnungsträger eine Verschnaufpause von der Innenpolitik. Genau ein Jahr nach seinem Sieg über Keiko Fujimori, die Tochter des Autokraten Alberto Fujimori, ist von der angekündigten »großen Transformation« nichts zu spüren. Gewechselt haben vor allem die Bündnispartner des Präsidenten: Er regiert mit denselben neoliberalen Technokraten wie seine Vorgänger. Linke Kabinettsmitglieder gibt es seit Dezember nicht mehr, vergangene Woche verkündeten drei Abgeordnete ihren Rückzug aus Humalas Parlamentsfraktion »Gana Perú«.

Auslöser war die gewaltsame Niederschlagung von Protesten gegen ein Kupferbergwerk in Espinar Ende Mai. Zwei Menschen wurden getötet, Menschenrechtler festgenommen, der Bürgermeister wurde zu fünf Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Über die Provinz im südlichen Andenhochland ließ Humala den Notstand verhängen. Auch in der Region Cajamarca geht die Polizei unvermindert brutal gegen Gegner des geplanten Goldminenprojekts Conga vor.

Die Politik des Rohstoffexports gehe auf Kosten von Mensch und Umwelt, begründete Veronika Mendoza ihren Austritt aus der Fraktion und Humalas Nationalistischer Partei, zu deren Gründern sie gehörte. »Empörend« findet sie es, dass Humala Kritiker als Extremisten verleumdet und sich für die Repression entschieden habe, statt auf die legitimen Forderungen der Bevölkerung einzugehen.

»Die Wahlverlierer regieren mit, sie haben ihre autoritären Kriterien der Unterwerfung unter die großen Wirtschaftsinteressen durchgesetzt«, erklärten die Dissidenten Javier Díez Canseco und Rosa Mavila León, und zwar »im Gegensatz zu dem, was dem Land versprochen wurde«. Statt auf die südamerikanische Integration unter sozialem Vorzeichen zu setzen, ziehe Humala wie sein Vorgänger Alan García die Pazifikallianz mit Chile, Kolumbien und Mexiko vor.

»Adiós Humala« überschreibt der linke Ökonom Oscar Ugarteche seine Abrechnung mit dem Präsidenten, dem er eine 180-Grad-Wende vorwirft. Er hofft, dass Humala durch Massenproteste aus dem Amt vertrieben wird. Dafür freilich gibt es nur wenige Anzeichen: Perus Linke und die sozialen Bewegungen sind uneins und schwach. Humalas sozialdemokratische Wahlplattform der »großen Transformation« sei bisher die gemeinsame Ausgangsbasis, analysiert die Soziologin Diana Ávila Paulette. Für die Regionalwahlen 2014 brauche man aber eine umfassenderes Programm mit Umwelt- und Demokratiethemen, die auch die Jugend ansprechen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 12. Juni 2012


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