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Perus Präsident setzt auf Härte

Regierungsumbildung bestätigt den jähen Rechtsschwenk von Ollanta Humala

Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *

Ausnahmezustand in der Minenregion Cajamarca, ein Exmilitär als neuer Kabinettschef: Viel spricht dafür, dass der Rechtsschwenk des peruanischen Präsidenten Ollanta Humala in den letzten Wochen unumkehrbar ist.

Noch nicht einmal fünf Monate nach Amtsantritt hat Perus Präsident Ollanta Humala mehr als die Hälfte seines Kabinetts ausgewechselt. Am Sonnabend war Premier Salomón Lerner Ghitis zurückgetreten und mit ihm, wie in Peru üblich, sämtliche Minister. Am Sonntagabend vereidigte Humala zehn neue Ressortleiter, überwiegend Technokraten. Prominentestes Opfer der Kabinettsumbildung ist die afroperuanische Sängerin Susana Baca, die das Kulturressort aufgeben musste. Als Premier setzte der Staatschef den 62-jährigen Exmilitär Óscar Valdés ein, der bereits in den vergangenen Wochen als Innenminister den Hardliner herausgekehrt hatte. In den 80ern war Valdés an der Militärakademie von Lima Dozent des jungen Humala, in den 20 Jahren vor seiner Politkarriere betätigte er sich als Industriemanager.

»Der Staat verhandelt nicht mit Terroristen«, erklärte Valdés zu seinem Antritt - gemeint war ein Anführer der dezimierten Guerillatruppe Sendero Luminoso. Valdés' Ernennung sei aber auch eine »Botschaft der Verhärtung« an jene Akteure, die an den rund 250 Ressourcenkonflikten in Peru beteiligt sind, meint Alfredo Torres vom Umfrageinstitut Ipsos Apoyo. Bislang hatte Humala erklärt, bei großen Bergbau-, Öl- oder Infrastrukturprojekten die Rechte der betroffenen Bevölkerung und der Umwelt mehr zu achten als sein Vorgänger Alan García. Im September unterzeichnete er das jahrelang verschleppte »Gesetz über die vorherige Konsultation« indigener Völker bei Großprojekten.

Expräsident Alejandro Toledo wehrte sich jetzt gegen die »Militarisierung der Regierung«, die zwei Minister seiner Partei Perú Posible schieden aus. Nachdem Toledo beim ersten Wahlgang im April unterlegen war, unterstützte er in Stichwahl den Linksnationalisten Humala gegen die Rechtskandidatin Keiko Fujimori.

Auslöser der Regierungskrise ist der monatelange Streit um ein neues Bergbauprojekt in der Provinz Cajamarca. Dort will der US-Multi Newmont, dessen Kupfer-Gold-Mine Yanacocha bereits seit Jahren für Konflikte sorgt, seine Aktivitäten ausweiten und 4,8 Milliarden Dollar in das Megaprojekt Conga stecken. Die Kleinbauern in der Region fürchten um ihre Wasservorräte - auf dem anvisierten Gelände liegen vier Lagunen.

Am 6. November hatte Humala klargemacht, dass er an Conga festhält. Die Folge waren wochenlange Proteste in und um Cajamarca; Newmont legte das Projekt vorübergehend auf Eis. Am 4. Dezember verhandelte der als kompromissbereit geltende Premier Lerner mit den Protestierern. Der anwesende Innenminister Valdés torpedierte jegliche Annäherung, dann verhängte Humala den Ausnahmezustand über drei Landkreise und schickte Soldaten.

* Aus: neues deutschland, 13. Dezember 2011


»Die Konflikte intensivieren sich«

In Peru protestieren tausende Menschen gegen ein geplantes Bergbauprojekt **

In Peru eskaliert der Streit um ein geplantes Bergbauprojekt. In der vergangenen Woche rief Präsident Ollanta Humala einen Notstand für 60 Tage in mehreren Provinzen im Norden aus. Die Versammlungsfreiheit ist eingeschränkt, das Militär erhält weitreichende Befugnisse.
José de Echave war bis zum 28. November Vize-Umweltminister im Kabinett von Perus Staatschef Ollanta Humala. José de Echave ist Wirtschaftswissenschaftler, war zwischenzeitlich Berater der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und wird auch weiterhin im Bereich Bergbau arbeiten. Mit ihm sprach für das "neue deutschland" (nd) Knut Henkel.



nd: Herr de Echave, die Regierung hat in Cajamarca den Ausnahmezustand verhängt. Ist das ein probates Mittel, um die breiten Proteste der Bevölkerung gegen die Ausweitung der Bergbauaktivitäten durch die Yanacocha Mine zu unterbinden?

de Echave: Nein, die Verhängung des Ausnahmezustands hilft sicherlich genauso wenig wie kürzlich die vorübergehende Festnahme der Oppositionsführer. Das sind keine angemessenen Reaktionen, aber ich hoffe sehr, dass sich die Dinge wieder in vernünftige Bahnen lenken lassen. Für die Regierung ist das allerdings eine enorme Herausforderung, denn die Bevölkerung will eine definitive Annullierung des Bergbauprojekts Conga. Gleichzeitig steht die Regierung unter großem Druck, weil sie eine ganze Reihe von Freihandelsabkommen unterzeichnet hat, die Direktinvestitionen schützen. Sollte es zu einer Annullierung des Bergbauprojekts kommen, dann besteht das Risiko, dass Newmont Mining, eines der Mitglieder des Konsortiums, das die Goldmine betreibt, Klage einreicht und Entschädigungen im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar verlangt. Das ist ein sehr pikantes Thema.

Den Konflikt in Cajamarca, um den Ausbau des Bergwerks und die Wasserversorgung der Bevölkerung gibt es bereits seit Jahren. Hat die Regierung die Situation unterschätzt?

Richtig, das sind keine neuen Konflikte, sie begleiten uns schon länger. Allerdings schreitet der Ausbau des Bergbaus voran und die Konflikte nehmen rein zahlenmäßig, aber auch in der Intensität zu. Die Leute nehmen den Bergbau als Bedrohung wahr und er nimmt immer größere Flächen des Landes in Besitz. Der Bergbau konkurriert mit der Bevölkerung ganz direkt um den Boden, die Anbauflächen, das Wasser. Von der Regierung Humala hatte man allerdings erwartet, dass sie mit dieser Problematik anders umgehen würde.

Es hat den Anschein, dass die Regierung keine neue Strategie entwickelt hat. Gibt sie dem Druck der Bergbau-Lobby nach?

Nein, es gibt keine Strategie. Der Staat ist in den Konfliktregionen oft nicht präsent, er wird nicht als neutral angesehen, er verteidigt nicht die Rechte der Bevölkerung, und genau das ist die Basis des Konflikts. Daran hat sich auch unter der neuen Regierung nichts geändert, und das ist die Krux.

So wird die Regierung der immensen Erwartungshaltung eines Neuanfangs aber nicht gerecht ...

Genau, aber es ist ja nun auch nicht alles verloren. Es gibt durchaus Optionen den Kurs zu korrigieren.

Aber die scheinen nicht gerade populär, sonst wären Sie doch kaum am 28. November zurückgetreten?

Ich bin zurückgetreten, weil mir ein Konzept fehlt, um Konflikte wie in Cajamarca zu lösen, und weil ich keine Perspektiven sah, um - wie geplant - ein starkes Umweltministerium aufzubauen. Ausschlaggebend dafür war die Entscheidung, wichtige Funktionen des Umweltministeriums auszulagern und eine neue Behörde einzurichten, die dem Ministerrat unterstellt sein sollte. Dort sollten die zentralen Wasserfragen geklärt werden, die Umweltgutachten und einiges mehr erstellt werden. De facto wäre so ein zweites Umweltministerium entstanden - da bin ich zurückgetreten. Man verpasst in Peru die Chance, eine echte Umweltinstitution zu gründen, die eben auch Entscheidungsbefugnisse hat.

Hat es einen Rechtsruck in Peru gegeben, wie auch behauptet wird?

Der Bergbau ist ein wesentlicher Einflussfaktor in Peru, aber die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist auch in unseren Nachbarländern wie Bolivien, Brasilien oder Venezuela die Basis, um Entwicklungsprogramme anzuschieben. Wir alle leben von der Förderung von Rohstoffen und daher brauchen wir starke Umweltministerien, um die Förderung zu regulieren - im Interesse der Menschen und der Umwelt. Wir drohen derzeit das Gleichgewicht zu verlieren zwischen Förderung, Ressourcenschutz und den Rechten der Bevölkerung - nicht nur in Peru, sondern in vielen Staaten Lateinamerikas. In Peru ist es dringend Zeit, einen neuen und ernsthaften Dialog anzuschieben - nicht nur im Fall des Projekts Conga, sondern auch darüber hinaus.

** Aus: neues deutschland, 12. Dezember 2011


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