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Peru im Geist von 1979

Amtseinführung in Lima: Präsident Humala verspricht "Beginn einer neuen Epoche". Gewerkschaften zufrieden

Von Benjamin Beutler *

Peru hat einen neuen Präsidenten. Und Ollanta Humala sorgte bereits bei seiner Amtseinführung am Donnerstag (28. Juli) in Lima bei Anwesenden und politischen Beobachtern für Staunen. Er werde »den Geist, die Prinzipien und Werte der Verfassung von 1979« in Ehren halten«, schwor der 49jährige Linksnationalist im Nationalkongreß.

Während die angereisten Amtskollegen aus Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Ecuador, Chile, Bolivien und Uruguay verwundert reagierten, erntete er von der Opposition Entsetzen und laute Buhrufe. Die Anhänger der bei der Präsidentschaftsstichwahl Anfang Juni unterlegenen rechtskonservativen Keiko Fujimori rumorten nicht ohne Grund. Denn in Peru gilt nicht die Verfassung von 1979, sondern die von 1993.

Diese wurde pikanterweise von Fujimoris Vater, dem damaligen Präsidenten Alberto Fujimori, eingesetzt, nachdem er 1992 den Kongreß mit Hilfe des Militärs auflösen ließ. Zahlreiche Abgeordnete beider Kammern hatten sich geweigert, einer Reihe von ihm eingebrachter wirtschaftsliberaler Gesetzesvorhaben zuzustimmen. Fujimori sitzt heute wegen 25fachen Mordes, schwerer Korruption und Folter im Gefängnis.

Unberührt vom Tumult legte Kongreßpräsident Daniel Abugattás Humala die rot-weiße Präsidentenschärpe um. Eigentlich wäre diese Aufgabe seinem Vorgänger Alan García zugekommen. Doch dieser hatte bereits zuvor angekündigt, nicht an der Amtseinführung teilzunehmen.

Humalas erste Rede als Staatsoberhaupt blieb frei von großen Überraschungen. »Unser Wille ist nicht das Kopieren von Modellen, sondern ein peruanisches Modell des Wachstums mit Stabilität, Demokratie und sozialer Inklusion«, sagte der ehemalige General in Anspielung auf das sozialistische Experiment in Venezuela. Eine »neue Beziehung zwischen Staat und Markt« werde in Peru, das in den vergangenen Jahren dank explodierender Rohstoffpreise Wachstumsraten um acht Prozent feiert, den »Beginn einer neuen Epoche« einläuten. Dieses »neue Verhältnis« bedeute »Staat als Förderer der Investitionen und der Entwicklung, Garant für die Ausübung des Rechts und der Freiheiten, Impulsgeber von Möglichkeiten für alle«, legte Humala in seiner 50minütigen Rede dar.

Er kündigte Sozialprogramme, eine Anhebung der Renten, höhere Gehälter für Armee, Polizei und Lehrer und einen Ausbau der Gasversorgung für Haushalte an. Zudem solle die Entwicklung des ländlichen Raumes gefördert und der Straßenbau intensiviert werden. Finanziert würden die Maßnahmen aus einer höheren Besteuerung der Gewinne von Bergbauunternehmen. Diese müßten »in einer nationalen Anstrengung zum Kampf gegen Armut beitragen«, so der Appell des Präsidenten.

Der peruanische Gewerkschaftsverband CGTP bezeichnete Humalas Antrittsrede als »hoffnungsvoll«. Man erwarte bald ein Treffen mit dem Präsidenten, um die Beziehungen zu intensivieren, so Generalsekretär Mario Huamán. Die CGTP hatte zuvor die Initiative zu einem neuen Bergbaugesetz zur Bedingung für die weitere Unterstützung des Präsidenten gemacht.

Im gleichen Atemzug zerstreute Humala einmal mehr die Sorge ausländischer Investoren, in Peru werde es bald Verstaatlichungen im Bergbau und Ölgeschäft nach dem Vorbild Boliviens und Venezuelas geben. »Bestehende Verträge werden respektiert«, stellte er klar. Nichtsdestotrotz würden »die Bauern Perus und die Armen auf dem Land an erster Stelle stehen«. Jeder »nachhaltige Wandel« müsse »Schritt für Schritt und rational« angegangen werden. Zufrieden mit Humalas Rede zeigte sich auch der peruanische Unternehmerverband.

* Aus: junge Welt, 30. Juli 2011


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