Peru
Grundinformationen zu Geschichte, Wirtschaft und Politik
Staatsname: Republik Peru
Hauptstadt: Lima, 6 Mio. Einwohner
Nationalität: Peruaner, Peruanerin
Geografie:
- Fläche:
- 1.285.216 qkm
- Bevölkerung:
- Einwohner:
- 27 Mio. (Juli 2000)
- Bevölkerungsdichte:
- 19,6 Menschen je qkm
- Bevölkerungswachstum:
- 1,75% (2000)
- Urbanisierung:
- 71,2%
- Lebenserwartung:
- Männer 67,63 Jahre; Frauen 72,5 Jahre (2000)
- Säuglingssterblichkeit:
- 4,3% (1998)
- Analphabetenrate:
- 6% (Männer), 16% (Frauen) (1998)
- Religion:
- katholisch (89%), protestantisch (3%), Anhänger von Naturreligionen
- Ethnische Gruppen:
- Indianer (47%), Mestizen (32%), Weiße (12%), Minderheiten von Schwarzen, Mulatten, Japanern und Chinesen
- Sprachen:
- Spanisch, Ketschua, Aimará
- Politik:
- Staatsform:
- Präsidialrepublik
- Staatschef:
- Alejandro Toledo
- Regierungschef:
- Alejandro Toledo
- Parlament:
- 120 Mitglieder, für fünf Jahre gewählt
- Politische Parteien:
- Cambio 90 - Nuevo Mayoría (C90-NM), Uníon por la Perú (UP),
Alianza Popular Revolucionaria Americana (APRA), Frente Independiente Moralizador (FIM),
Coordinación Democrática - Perú País Posible (CODE-PP), Acción Popular (AP),
Partiso Popular Christiano (PPC), Izquierda Unida (IU)
- Guerillaorganisationen:
- Movimiento Revolucionario Tupac Amaru (MRTA, dt. Revolutionäre Bewegung),
Sendero Luminoso (SL, dt. Leuchtender Pfad), Frente Anti-imperialista de Liberación (FAL,
dt. Antiimperialistische Befreiungsfront)
- Wirtschaft:
- Währung:
- 1 nuevo Sol = 100 centimos; 1 US-$ = 3,535 S
- BIP:
- 62,7 Mio. US-Dollar (1998)
- BIP/Einw.:
- 2.069 US-Dollar
- Auslandsverschuldung
- 32,4 Mio. US-$ (1998)
Geographie
Peru - im Westen Südamerikas gelegen - gehört zu den größten Ländern Lateinamerikas.
Mit 1,2 Mio. qkm ist das Land größer als Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland
zusammen. Im Westen grenzt es an den Pazifik, im Norden an Ecuador und Kolumbien, im Osten
an Brasilien, im Südosten an Bolivien und im Süden an Chile.
Physisch läßt sich Peru in drei Regionen aufteilen: die Küste (Costa), das Hochland (Sierra) und das Tiefland. Der Küstenstreifen umfaßt lediglich 11% des peruanischen Staatsgebietes und doch ist er die am dichtesten besiedelte Landschaft Perus. Hier leben mehr als die Hälfte aller Peruaner und Peruanerinnen. Dies liegt zum einen an der Hauptstadt Lima mit ihren fast 6 Millionen Einwohnern, zum anderen ist dieses Gebiet aber auch die fruchtbarste Gegend Perus. Über 60 Flüsse, die aus dem Gebirge kommend in den Pazifischen Ozean fließen, bilden im küstennahen Tiefland Flußoasen, an denen sich die exportorientierte Landwirtschaft angesiedelt hat. Entlang der Küste zählt man 28 kleinere Häfen, doch nur Callao, der Hafen von Lima, hat es zu dauerhafter wirtschaftlicher Bedeutung gebracht.
Das Hochland Perus wird gebildet von den peruanischen Anden, den sogenannten
"Cordillera Blanca" (den weißen Kordilleren) und den "Cordillera Huayhuash". Die höchste
Erhebung der weißen Kordilleren ist der "Huascaráu". Mit 6.700 m Höhe ist er ein beliebtes
Ziel für lateinamerikanische und europäische Bergsteiger. Dieser Gebirgsstreifen zieht
sich von Norden nach Süden durch das Land, wobei er sich von ca. 120 km Breite an der
Grenze zu Ecuador auf ca. 300 km Breite im Süden erweitert. Hier, an der Grenze zu
Bolivien, liegt der größte Binnensee Lateinamerikas, der Titicacasee, vielen aus den
Erzählungen Astrid Lindgrens über Pippi Langstrumpf und ihre Abenteuer bekannt. Der
Titicacasee ist der höchst gelegene See der Welt, sein Wasserspiegel liegt 3.800 m über
dem Meeresspiegel. In den 'Sierra' genannten Tälern des Hochlands gibt es
zwischen 2.000 m und 3.500 m Höhe zahlreiche größere Siedlungen und Städte. Bis 5.000 m
finden sich noch kleinere Dörfer und Einzelgehöfte. Oberhalb von 4.200 m ist keine
Landwirtschaft mehr möglich. Die spärlich bewachsenen Höhenzüge werden als Viehweiden
für Lamas und Alpacas genutzt.
An das Hochland schließt sich im Osten das peruanische Tiefland an, das über 60% des
peruanischen Staatsgebietes ausmacht, doch nur sehr dünn besiedelt ist. Es wird
durchzogen von einem Netz größerer und kleinerer Flüsse, die die wichtigsten Verkehrswege
darstellen. Alle größeren Städte sind Flußhäfen. Neben tropischen Früchten gedeihen hier
vor allem Tee, Kaffee, Kakao und die Coca-Pflanze. Der tropische Regenwald liefert außer
Edelhölzern wie Mahagoni und Zeder auch Gummibäume. Landwirtschaft ist hier nur in sehr
geringem Umfang möglich. Die seit alters her hier lebenden Indianervölker betreiben
Brandrodungsbau.
Entlang der peruanischen Küste verläuft eine Spalte in der Erdkruste, die immer wieder
schwere Erdbeben verursacht. Seit der spanischen Eroberung im Jahre 1532 zählte man
mindestens 45 Erdbebenkatastrophen. Die schwerste ereignete sich am 31. Mai 1970 im
Norden des Landes und forderte ca. 50.000 Menschenleben. Die jüngste geschah am
24. Juni 2001 im Süden des Landes. Betroffen war vor allem die zweitgrößte Stadt Perus,
Arequipa, 750 km südöstlich von Lima gelegen.
Politische Geschichte
Frühe Hochkulturen
Die Ureinwohner Nord- und Südamerikas kamen über die Beringstraße von Asien her auf den
amerikanischen Kontinent. Sie breiteten sich in mehreren Wellen allmählich nach Süden aus.
Um 20.000 v. Chr. erreichten sie das heutige Peru. Archäologische Funde aus dieser Zeit
sind allerdings nur aus Ecuador und Argentinien bekannt. Die frühesten menschlichen
Zeugnisse auf peruanischem Boden sind etwa 12.000 Jahre alt. Vor etwa 7.000 Jahren wurden
diese Jäger- und Sammlergesellschaften seßhaft und begannen mit dem Anbau von Pflanzen und
der Haltung von Haustieren.
Die erste große Kultur Perus hatte ihr Zentrum in Chavín da Huántar im nördlichen
Hochland. Das Chavín-Reich existierte von 800-300 v. Chr. Nach dem Untergang der
Chavín-Kultur entwickelten sich entlang der Küste verschiedene lokale Kulturen, die zwar
alle dasselbe technische Niveau aufwiesen, doch auch charakteristische Eigenarten
entwickelten. Die wichtigsten waren: Moche (200 - 600 v. Chr.), Paracas (800 v. Chr. -
200 n. Chr.) und Nazca (200 - 600 n. Chr.). Das letzte große Reich der peruanischen
Ureinwohner war das Reich der Inka, benannt nach dem Titel, den sich die Herrscher dieses
Reiches zugelegt hatten. Mit Inka bezeichnet man heute die Epoche, das Reich und das Volk.
Das Inka-Reich erstreckte sich von Nord-Chile bis zur heutigen Grenze zwischen Ecuador und
Kolumbien, seine Hauptstadt war Cuscos. Über die ersten 200 Jahre der Inka-Herrschaft ist nur sehr wenig bekannt. Die
wirtschaftliche Grundlage des Inka-Reiches war die Landwirtschaft mit ihren charakteristischen Bewässerungsanlagen und Terrassenfeldern. Die Gesellschaft der Inkas war - ähnlich wie die
europäischen Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit - ständisch gegliedert.
An der Spitze standen die Adligen, die Priester und die Militärs, dann folgten Beamte,
Handwerker und Bauern. Das berühmteste Relikt dieser peruanischen Hochkultur ist die
Ruinenstadt Machu Picchu, hoch über dem Tal des Urubamba gelegen.
Die spanische Kolonisation
Die spanische Eroberung Perus, beginnend 1532 mit der Landung Francisco Pizarros und
seinen fast 180 Begleitern in Tumbes an der heutigen Grenze zu Ecuador bedeutete das
Ende der Inka-Herrschaft. Innerhalb weniger Jahre eroberte Pizarro das Inka-Reich und
machte es für fast 300 Jahre (bis 1821) zum Zentrum der spanischen Kolonisation.
Die überlegene Waffentechnik der Spanier und die Benutzung von Reitpferden
erleichterten die Eroberung des südamerikanischen Subkontinents ebenso wie ein
Erbfolgekrieg unter den Söhnen des Inkas Huayan Capac. 1544 wurde das Vizekönigreich Peru
mit der Hauptstadt Lima gegründet, die gleichzeitig Sitz des vizeköniglichen Hofes war.
Dieses Vizekönigreich umfaßte im Laufe des 17. und
18. Jahrhunderts das gesamte spanische Süadamerika, einschließlich Panamas. De jure waren
diese Gebiete rechtsgleiche Reiche innerhalb des spanischen Imperiums, doch de facto waren
sie abhängige Kolonien, auch wenn sie nie so bezeichnet wurden. Um die Verwaltung zu
straffen und einen besseren Schutz vor Angriffen europäischer Mächte zu gewährleisten, teilte
man das Vizeköngireich Peru im 18. Jahrhundert auf. 1739 wurden die Gebiete der
heutigen Staaten Ecuador, Kolumbien und Panama ausgegliedert und im Vizekönigreich
Neugranada vereint. 1776 faßte man die heutigen Staaten Bolivien, Uruguay, Chile und
Argentinien zum Vizekönigreich Río de la Plata zusammen. Das Ziel der spanischen
Verwaltung war nicht die ausgewogene Versorgung der Bevölkerung, wie das unter den Inka
der Fall gewesen war, sondern die Ausbeutung der reichen Gold- und Silberminen. So kam es,
daß in wenigen Jahrzenten die gesamte landwirtschaftliche Infrastruktur wie z. B.
Bewässerungskanäle und Terrassen verfielen. Der Höhepunkt der Ausbeutung der reichen
Edelmetallvorkommen lag Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts. Im Laufe des
17. Jahrhunderts wurden die Grenzen der Edelmetallgewinnung erreicht. Neue
Einkommensquelle wurde die Landwirtschaft. Für den Verbrauch innerhalb der Kolonie wurden
Nahrungsmittel und Gebrauchsgürter, z. B. Textilien, produziert. Für den Export produzierte
man Rohstoffe, z. B. an der Küste Zuckerrohr, Wein und Getreide, im Hochland und in
geschützten Tälern Zuckerrohr, Mais und Wolle.
Durch Zwangsarbeit, Unterernährung und die von den Spaniern eingeschleppten Krankheiten
wurde die indigene Bevölkerung auf ein Zehntel reduziert. Um den dadurch entstandenen
Arbeitskräftemangel auszugleichen, begann man im Laufe des 17. Jahrhunderts afrikanische
Sklaven nach Südamerika zu verschiffen. 1790 waren 46% der Einwohner Limas Schwarze oder
Mulatten, alle Sklaven. So waren ethnische und sozial-ökonomische Ungleichheit prägend für
die peruanische Gesellschaft. Die ethnischen Schranken in den spanischen Kolonien wurden
rigide eingehalten. Indianer durften keine Waffen tragen, sie durften nicht reiten und
nicht Gitarre spielen. Mischehen waren streng verboten, Indios und Weiße durften nicht
dieselbe Kirche besuchen oder auf demselben Friedhof begraben werden. Zwar verfügten die
Indios über eine relativ autonome Selbstverwaltung in ihren Dörfern, so daß oft auch von
einer "Republik der Indios" gesprochen wurde, doch im Zusammenstoß mit den Weißen waren
die Indios immer in der unterlegenen Position, sei es vor Gericht, beim Abschluß von
Verträgen oder bei der Möglichkeit zur Teilnahme am öffentlichen Leben.
Ethnische und sozial-ökonomische Ungleichheiten waren der Grund für immer wiederkehrende
Indianeraufstände während der spanischen Kolonialherrschaft. Einer der bekanntesten war
der Aufstand von 1742, in dessen Folge im Laufe von zehn Jahren die gesamte Missions-
und Erschließungsarbeit der Spanier im östlichen Tiefland Perus zunichte gemacht wurde.
Der Führer dieses Aufstandes war der Hochlandindianer Juan Santos Atahualpa, der von sich
behauptete, ein Nachfahre der letzten Inka-Herrscher zu sein. Die angewandte Taktik war
nicht der offene Kampf, sondern die Indianer besiegten die spanischen Kolonialherren im
Urwald. Auf ihren Strafexpeditionen ertranken die Spanier in Flüssen, verhungerten oder
starben an Krankheiten. Juan Santos Atahualpa und seine Anhänger blieben im peruanischen
Urwald unbesiegt und so fand der spanische Vorstoß im östlichen Tiefland eine Grenze.
Der letzte große Indianeraufstand fand 1780/81 unter der Führung von José Gabriel
Condorcanqui statt, einem Nachfahren des letzten großen Inka-Herrschers. Condorcanqui
nannte sich daher auch Tupac Amaru II. Unter ihm kam es zu einer breiten
Unabhängigkeitsbewegung, der sich neben Indianern und Schwarzen auch städtische
Kreolen und Priester anschlossen. Gefordert wurden die Abschaffung der Sklaverei und der
Tributzahlungen. Das Ziel war eine Republik, in der Weiße, Mestizen, Indios und Schwarze
gleichbrechtigt nebeneinander leben sollten. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen,
Tausende von Indianern starben. Tupac Amaru II., seine Frau und seine engsten Mitstreiter
wurden öffentlich gefoltert und hingerichtet. Die indianische Aristokratie verlor alle
ihr noch verbliebenen Privilegien und die einheimische Sprache Ketschua wurde verboten.
Unabhängigkeit
Im Vergleich zu den anderen südamerikanischen Staaten löste sich Peru erst relativ spät
vom spanischen Mutterland (Ecuador 1809, Kolumbien 1810, Argentinien 1816, Chile 1818).
Am 28. Juli 1821 erklärte der argentinische General José de San Martín die formale
Unabhängigkeit des Vizekönigreichs Peru als souveräner Staat. Zuvor hatten die unter San
Martíns Befehl stehenden Befreiungstruppen die Stadt Lima eingenommen. Doch erst die Siege
des überzeugten Republikaners Bolívar und seines Generals de Sucre brachten nach den
Schlachten bei Junín (6. August 1824) und Ayacucho (8. Dezember 1824) die endgültige
Loslösung Perus von Spanien. Die Entstehung des peruanischen souveränen Staates war aber
nicht gleichzusetzen mit dem Vorhandensein einer peruanischen Nation. Während in Europa
Staatsgründungen das Ergebnis von Nationalbewegungen waren, d. h. aus einem bestehenden
Nationalbewußtsein bestimmter Bevölkerungsteile heraus die Forderung nach einem die
Nation repräsentierenden Staatsgebiet entstand, setzte in Peru die Nationbildung erst nach
der Staatsgründung ein. Dies war umso schwieriger als innerhalb der neu entstandenen
peruanischen Staatsgrenzen lokale Interessen fortbestanden und in sozialer Hinsicht die
Gesellschaft immer noch hierarchisch gegliedert war. Erkennbar war dies u. a. an einer
ungleichen und ungerechten Verteilung des Besitzes an Grund und Boden, wovon vor allem
die Indiobevölkerung betroffen war. Der Prozess der Nationbildung prägte die
Geschichte Perus im 19. und 20. Jahrhundert.
Nach der Unabhängigkeit gab es eine Zeit der inneren Wirren und Bürgerkriege.
Die provinziellen Eliten waren zu schwach, um eine einheitliche politische Herrschaft
aufzubauen, die Oberschicht der Hauptstadt Lima war durch ihre Kooperation mit den
spanischen Kolonisatoren in Mißkredit geraten und die Generäle des Befreiungskrieges
kämpften um Macht und Pfründe. Innerhalb von 40 Jahren hatte Peru 34 verschiedene
Präsidenten. Erst mit dem Regierungsantritt des bedeutenden Militärführers Ramón Castilla
(Präsident von 1845-51 und 1855-62) kam Peru für kurze Zeit innenpolitisch zur Ruhe.
Castilla führte die Schulpflicht ein und schaffte den Indianertribut ab. Unter seiner Präsidentschaft setzte ein wirtschaftlicher Aufschwung ein, der im wesentlichen
auf den steigenden Guano-Export zurückzufahren war. Zwar blieb auch nach der
Unabhängigkeit der Export von Edelmetallen und Rohstoffen die wichtigste Einkommensquelle
des Landes, doch kam seit Mitte des 19. Jahrhunderts Guano - der salpeterhaltige Dung der
Seevögel - als bedeutender Exportzweig hinzu. Guano wurde in Europa, vor allem in England,
zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität verwendet. Durch diesen "Guano-Boom"
erreichte Peru die Anbindung an die internationalen Märkte. Gleichzeitig führten die
rapide wachsenden Staatseinnahmen dazu, daß die in- und ausländischen Gläubiger ihre
Forderungen präsentierten, die die peruanische Regierung seit der Unabhängigkeit
eingegangen war. Da man darauf vertraute, daß die Einnahmen aus dem Guanopexport auch
weiterhin konstant blieben, nahm man erneut Kredite im Ausland auf, um die Gläubiger
auszahlen zu können. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts verlor der Guano-Export
an Bedeutung. Eine Alternative boten die Salpetervorkommen im Süden Perus. 1879 führte
der zwischen Bolivien und Chile schwelende Konflikt um die Nutzung der Salpetervorkommen
zum sogenannten "Salpeterkrieg" in den auch Peru verwickelt wurde. 1881 wurde Lima von
chilenischen Truppen besetzt, und im Frieden von Ancón am 20. Oktober 1883 mußte Peru
seine Salpeterprovinzen an Chile abtreten. Der Krieg hatte Peru an den Rand des
Staatsbankrotts getrieben. Die Auslandsschuld, die sich zwischen 1868 und 1872 bereits
vervierfacht hatte, war während des Krieges weiter angestiegen, was bedeutete, daß das
Land zunehmend abhängig wurde von internationalem Kapital. Die Gläubiger schlossen sich
in der "Peruvian Corporation" zusammen und handelten mit der peruanischen Regierung
Vereinbarungen über die Rückzahlung der Schulden aus. Als Sicherheiten erhielten sie
Anteile am Guano-Export, das Eigentum am peruanischen Eisenbahnnetz für die Dauer von
66 Jahren und größeren Landbesitz im östlichen Tiefland. Ausländische Banken und
Handelshäuser ließen sich in Peru nieder, und die aufstrebende Industrie war in
ausländischem Besitz. Seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde der Guano-Boom vom
Kautschuk-Boom abgelöst, der vor allem den Provinzen des Amazonastieflands östlich der Anden enormen Reichtum bescherte.
Das Zwanzigste Jahrhundert
Nachdem Peru unter den Präsidenten Nicolás Piérola (1895-99) und José Pardo y Barreda
(1904-08) eine Phase der Ruhe und Konsolidierung durchlaufen hatte, übernahm 1919
A. Leguía nach einem Staatsstreich die Regierungsgeschäfte. Unter seiner Präsidentschaft
(1919-1930) fand eine rapide Modernisierung der peruanischen Wirtschaft statt.
Gleichzeitig wurden aber auch kritische Zeitschriften verboten, Gewerkschafts- und
Studentenführer sowie regiemkritische Journalisten aus dem Land gewiesen.
Wegen der engen Verflechtung der peruanischen mit der nordamerikanischen Wirtschaft wurde Peru von der Wirtschaftskrise der 20er Jahre stark getroffen. Durch den Verfall der Rohstoffpreise halbierten sich Perus Exporteinnahmen, was Entlassungen bei den großen Minenbetrieben, den Baumwoll- und Zuckerplantagen und der Textilindustrie zur Folge hatte. Kaufkraft und Nachfrage sanken, so daß große Teile der Bevölkerung immer mehr verarmten. Präsident Leguía verlor die Unterstützung der Bevölkerung und wurde im August 1930 durch einen Putsch des Militärkommandanten von Arequipa, Luis S. Sánchez Cerro, gestürzt, der von der Mehrheit der Peruaner und Peruanerinnen befürwortet wurde. Doch die Hoffnung, die die Menschen in ihren neuen Präsidenten gesetzt hatten, erfüllte sich nicht. Als es im selben Jahr zu massenhaften Streiks unter den arbeitslosen Bergleuten kam, ließ Leguías die Demonstrationen vom Militär zusammenschießen und die Anführer verhaften.
In den folgenden Jahren blieb die innenpolitische Situation Perus instabil. Die Kluft zwischen den regierenden Militärs und der APRA (Alianza Popular Revolucionaria Americana), der einzigen politischen Partei, die die Interessen der Arbeiter, der Arbeitslosen und der verarmten Mittelschicht vertrat, vergrößerte sich immer mehr. Die sozialistisch und imperialistisch ausgerichtete APRA setzte sich für die Durchführung einer Landreform ein und forderte die Verbesserung der politischen, sozialen und kulturellen Stellung der Indianer Lateinamerikas. Die Partei wurde verboten und ihre Mitglieder verfolgt. Erst während der Amtszeit von Manuel Prado (1939-45) kam es zu einer Annäherung zwischen Regierung und Opposition, bedingt u. a. durch eine gemeinsame Unterstützung der Alliierten während des Zweiten Weltkrieges. Für die Präsidentschaftswahlen von 1945 durften zwar weder die APRA noch die KP kandidieren, doch wurde der Führer der APRA Haya de la Torre unter dem liberalen Präsidenten José Luis Bustamante y Rivero Mitglied der Regierung. Während der Regierung Riveros genoß die peruanische Bevölkerung Freiheiten unbekannten Ausmaßes. Die Arbeiter in den Städten und auf dem Land erkämpften Lohnerhöhungen, die Anzahl der Gewerkschaften stieg und es entstanden Vereinigungen von Bauern, Studenten und Oberschülern. Doch der innenpolitische Frieden im Land war nur von kurzer Dauer. Mitte 1948 putschte das Militär unter General Manuel Arturo Odría und Präsident José Luis Bustamente y Rivero wurde zum Rücktritt gezwungen. General Odría ließ Vertreter und Mitglieder der linken Parteien und Gewerkschaften verhaften und deportieren. Odrías Alleinherrschaft hatte 1956 ein Ende. In der Bevölkerung war der Widerstand gegen seine Militärdiktatur gewachsen, und so sah er sich gezwungen, freie Wahlen zuzulassen. Der bürgerliche Kandidat Manuel Prado, der sich die Unterstützung der APRA gesichert hatte, konnte die Wahlen für sich entscheiden. Doch seiner Regierung gelang es nicht, die angestrebten Reformpläne gegen den Widerstand der reichen Landaristokratie durchzusetzen. Bei den Wahlen von 1962 erhielt Haya de la Torre, der Kandidat der APRA, die meisten Stimmen, doch verhinderte das Militär durch einen Putsch seinen Amtsantritt. Eine Militärjunta übernahm die Regierung und ließ 1963 Neuwahlen durchführen. Sieger war der Architekt Fernando Belaúnde Terry, Führer der Acción Popular (AP). Die 1956 gegründete AP wollte die Modernisierung der sozialen und politischen Strukturen unter Berufung auf "typisch peruanische" Traditionen der Gemeinschaftsarbeit erreichen. Doch auch Belaúndes Politik war kein Erfolg beschieden, und ihn ereilte dasselbe Schicksal wie bereits mehrere seiner Vorgänger, er verlor am 3. Oktober 1968 die Regierungsgewalt an das putschende Militär unter dem Oberkommando von General Juan Velasco Alvarado, der bis 1975 der Präsident Perus blieb.
Während der Regierungszeit von General Alvarado wurden nordamerikanische Erdölgesellschaften - gegen großzügige Entschädigungen - enteignet, Teile der Industrie, der Landwirtschaft und die ausländischen Banken wurden verstaatlicht. Diese Wirtschaftspolitik und die 1969 durchgeführte Agrarreform, die privaten Grundbesitz auf 100 ha (an der Küste) bzw. 60 ha (im Hochland) begrenzte, wirkten sich positiv auf die Lebensverhältnisse der unteren Bevölkerungsschichten aus: die Arbeitslosigkeit ging leicht zurück und die Löhne und Gehälter stiegen. Im Rückblick muß heute festgestellt werden, daß sich unter der Präsidentschaft Alvarados die materiellen Lebensverhältnisse der peruanischen Bevölkerung auf einem Höhepunkt befanden, der seitdem nicht wieder erreicht wurde. Neben den Reformen in Wirtschaft und Politik verfolgte die Regierung im Rahmen ihres Modells einer "nationalen Entwicklung" das Ziel, eine - über soziale und ethnische Unterschiede hinwegsehende - nationale peruanische Identität zu fördern. Ethnische Diskriminierung und Rassenvorurteile sollten ebenso überwunden werden wie die Klassenspaltung. Die Vermischung unterschiedlicher kultureller Elemente wurde zum bestimmenden Merkmal der spezifischen peruanischen Identität erklärt und fand ihren Ausdruck in dem Satz: "Wir sind alle Mestizen." Die vorkoloniale Vergangenheit Perus, die politischen, organisatorischen und technischen Leistungen der Inka-Gesellschaft erfuhren eine neue Wertschätzung, und die indianischen Aufstände während der kolonialen und republikanischen Epoche wurde dem vergessen entrissen und als Beispiel für einen ungebrochenen nationalen Selbstbehauptungswillen interpretiert. Quechua wurde als Amtssprache anerkannt und der Begriff "indio" wegen seiner negativen Konnotation durch die Bezeichnungen "indígenas" für die Hochlandindianer und "nativos" für die Bewohner des Amazonastieflandes ersetzt. Neben den wirtschaftlichen Prioritäten hatten sich auch die moralischen Wertmaßstäbe verändert, was vor allem die traditionelle weiße Elite zu spüren bekam. Importbeschränkungen auf Luxusgüter und die immense Besteuerung von Auslandsflügen zwangen sie zum Konsumverzicht. Verhaltensweisen, die früher die Zugehörigkeit zur gehobenen Bevölkerungsschicht bewiesen, wurden jetzt als soziale Taktlosigkeit empfunden. Doch hatte auch das Modell der mestizischen Nation seine Schattenseiten. Die Nachkommen der aus Afrika verschleppten Sklaven waren ebensowenig damit gemeint wie die der asiatischen Zwangsarbeiter.
1973/74 wurden erste Anzeichen wirtschaftlicher Schwierigkeiten sichtbar. Die Verschuldung war durch gesteigerte Sozialausgaben, durch prestigeträchtige, staatlich geförderte Großprojekte und den Kauf teurer Waffensysteme in die Höhe getrieben worden. Eine steigende Inflation und ein Handelsbilanzdefizit waren die Folge. Die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung und gleichzeitige Konflikte innerhalb der Streitkräfte zwangen Velasco im August 1975 zum Rücktritt. Die Führung des Landes übernahm General Francisco Morales Bermúdez, der viele der von seinem Vorgänger durchgeführten wirtschaftlichen Maßnahmen zurücknahm zugunsten der Stärkung der Privatwirtschaft. Dies war notwendig, um weitere Kredite der internationalen, privaten Banken zu erhalten, deren Vergabe seit 1977 zunehmend an das Einverständis des IWF geknüpft wurde. Zur Erfüllung der IWF-Bedingungen wurden Subventionskürzungen, Sol-Abwertungen und Benzinpreiserhöhungen vorgenommen. Die Folge waren Preissteigerung, Entlassungen, Schließung kleinerer Unternehmen, Anstieg der Arbeitslosigkeit und ein Sinken der Reallöhne in der Zeit von 1975 bis 1978 um 50 %. In vielen Familien wurde wieder gehungert. Die Annahme der IWF-Bedingungen wurde zum Auslöser landesweiter Proteste und Demonstrationen, die von seiten der Polizei und des Militärs blutig niedergeschlagen wurden. Gegen den Generalstreik am 19. Juli 1977 ging die Regierung mit aller Schärfe vor. Es kam zu Straßenkämpfen mit Toten, Verletzten und über 2.000 Verhaftungen. Doch blieb der Generalstreik nicht ohne Wirkungen. Die wichtigste war wohl die vom Militär öffentlich verkündete Absicht, die politische Verantwortung wieder in zivile Hände zu übergeben. Hierfür war ein Stufenplan vorgesehen, nach dem 1978 eine Verfassunggebende Versammlung eingerichtet wurde, die ein Grundgesetz erarbeitete, das als Basis für die 1980 stattfindende Wahl eines Parlaments und eines zivilen Präsidenten diente.
Die 80er Jahre
Die Präsidentenwahlen von 1980 gewann Belaúnde. Wirtschaftlich war seine Amtszeit (1980 - 1985) für Peru eine Katastrophe: das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf fiel auf den Stand von 1964 zurück, die Einkommen betrugen 40 % von 1973, Kriminalität und Korruption nahmen in unvostellbarem Ausmaß zu, der Schuldendienst betrug 1983 ein Drittel des Staatshaushaltes und 1984 stand das Land am Rande der vollständigen Zahlungsunfähigkeit.
Zu diesem wirtschaftlichen Desaster kamen erschütternde politische Ereignisse. Während der Amtszeit der beiden demokratisch gewählten Regierungen der 80er Jahre verloren etwa 15.000 Peruaner ihr Leben in politisch motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nach Belaúndes Regierungsübernahme machte zum ersten Mal die bewaffnete Gruppe "PC del P" (Partido Comunista del Peru, Kommunistische Partei Perus) mit Sabotageakten auf sich aufmerksam. Diese Gruppe wurde auch "sendero luminoso" (Leuchtender Pfad) genannt. Sie hatte ihre Basis im Departement Ayacucho, einem der ärmsten Landstriche Perus. Ihr Ziel war der Sturz der - von ihnen so bezeichneten - "faschistischen" Zivilregierung. Ihr Anführer, der Philosophieprofessor Abímael Guzmán, ließ sich von seinen Anhängern "Presidente Gonzalo" nennen, worin sein Anspruch auf die Führung des Landes zum Ausdruck kam. Mit Hilfe von Terroranschlägen versuchten die Aufständischen das Ende der Regierung Belaúnde herbeizuführen. Sie überfielen Dörfer und Bergwerkssiedlungen oder griffen - wie 1982 geschehen - das Gefängnis von Ayacucho an und befreiten 300 Häftlinge. Als Reaktion stationierte die Regierung Militär und rief für das Departement Ayacucho den Ausnahmezustand aus. Die bäuerliche Bevölkerung sah sich nun von zwei Seiten drangsaliert. Auf der einen Seite der sendero luminoso, von dessen Anhängern die Bauern der Kooperation mit dem Militär und des Verrats bezichtigten wurden, auf der anderen Seite die militärischen Sondereinheiten zur Terrorismusbekämpfung, die die Bewohner der Dörfer der Zuammenarbeit mit sendero luminoso bezichtigten. Viele der Dorfbewohner, die die gegenseitigen Vergeltungsschläge der sich bekämpfenden Parteien überlebten, flohen in die Städte, so daß ganze Dörfer entvölkert wurden. Der Regierung gelang es weder die Menschenrechtsverletzungen durch den sendero luminoso, noch durch das Militär zu verhindern.
Mit dem Regierungsantritt von Alan García Pérez schöpfte das Land neue Hoffnung. Bei der Präsidentschaftswahl von 1985 hatte er 48 % der Stimmen erhalten. Er nahm ein anspruchsvolles wirtschaftspolitisches Programm in Angriff, das bereits nach kurzer Zeit erste Früche trug: die "Dollarisierung" wurde gestoppt und das Vertrauen in die Landeswährung gestärkt, durch zwei staatliche Beschäftigungsprogramme wurde die Arbeitslosigkeit verringert und die Nachfrage angekurbelt und der gesetzlich festgelegte Mindestlohn wurde erhöht. Doch leider war der wirtschaftliche Aufschwung nicht von Dauer. Seit 1987 verzeichnete die peruanische Wirtschaft eine schwindelerregende Talfahrt, die die Inflationsrate von 1.722 % im Jahr 1988 auf 7.657 % im Jahr 1990 ansteigen ließ.
Die Ära Fujimori
Für die Präsidentschaftswahlen 1990 traten mehrere Kandidaten an, von denen aber nur der Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der Spitzenkandidat der FREDEMO (Frente Democrático, Demokratische Front) eine realistische Chance auf den Wahlsieg hatte. Allgemein hielt man seinen Sieg bereits für eine ausgemachte Sache, bis etwa zwei Monate vor der Wahl praktisch "aus dem politischen Nichts" Alberto Fujimori als Kandidat einer unabhängigen Liste, der CAMBIO 90 (Wende 90), auftauchte. Fujimori, der wegen seiner japanischen Abstammung auch "el chino" genannt wurde, warb für Arbeit, Ehrlichkeit und Technologie und versprach eine schrittweise und nicht überstürzte Durchführung der notwendigen Reformen. Sehr schnell wurde er, der nicht, wie sein Gegenkandidat Vargas Llosa, zur weißen, europaorientierten Oberschicht gehörte, zum Repräsentanten des mestizischen, nicht-weißen Peru. Die Wahlen gewann er im zweiten Wahlgang mit einer Mehrheit von 57 % der Stimmen. Während seiner Amtszeit konzentriete Fujimori die staatliche Macht auf die Überwindung der Wirtschaftskrise und die Bekämpfung des Terrors. Gnadenlos und brutal ging er dabei gegen Regimekritiker vor; mutmaßliche Terroristen wurden ohne Prozeß ermordet und viele unschuldige Menschen landeten ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Am 5. April 1992 löste Fujimori das von der Opposition beherrschte Parlament auf und setzte die Verfassung außer Kraft. Dieser Verfassungsbruch wurde von der Bevölkerung begrüßt oder doch stillschweigend geduldet. International fiel das Echo allerdings negativer aus. Peru wurde aus verschiedenen Konferenzen ausgeladen und Zahlungen ausländischer Investoren wurden ausgesetzt. Am 22. November 1992 ließ Fujimori einen Kongress wählen, der gleichzeitig eine Verfassung ausarbeiten sollte. Diese Verfassung, die in einem Referendum von 55 % der Wähler angenommen wurde, trat am 29. Dezember 1993 in Kraft. Sie gestattet die Wiederwahl des Präsidenten nach fünfjähriger Amtszeit, was vorher nicht möglich war, die freie Marktwirtschaft ist nun verfassungsrechtlich verankert, und die Todesstrafe kann bei bestimmten Delikten wieder verhängt werden. Am einschneidensten aber war wohl die Abschaffung des Senats, der ursprünglich den 24 Departements eine Vertretung in der Legislative garantierte.
Trotz grober Menschenrechtsverletzungen und einer weiterhin bestehenden massiven Verarmung weiter Teile der Bevölkerung wurde Fujimori 1995 mit großer Mehrheit wiedergewählt. Vor allem die bäuerliche Bevölkerung dankte es ihm, daß er sie von den immer wiederkehrenden Überfällen der Terroristen, allen voran der "Leuchtende Pfad", befreit hatte. Zu den Wahlen im April 2000 kandidierte Fujimori erneut, obwohl die Verfassung nur zwei Amtsperioden in Folge vorsah. Die von Fujimori eingesetzte Wahlkommission erlaubte seine Kandidatur mit der Begründung, daß die erste Amtszeit von 1990-1995 nicht angerechnet werden dürfe, da er seinerzeit nach den Bestimmungen der alten Verfassung gewählt worden sei. Die Diskussion über eine dritte Amtszeit Fujimoris polarisierte die peruanische Gesellschaft. Die oppositionelle peruanische Linke rief die Bevölkerun zum "zivilen Ungehoram" gegen den autokratisch regierenden Fujimori auf. Es kam zu heftigen Protesten, und Vermutungen über einen bereits im Vorfeld der Wahlen geplanten Wahlbetrug wurden laut. Im In- und Ausland geriet die Regierung Fujimori wegen eklatanter Menschenrechtsverletzungen immer stärker in Mißkredit. Berichte über Drogenkriminalität, Folterung, Morde und Kidnapping wurden laut und lösten Empörung in der Bevölkerung aus. Im November 1996 war die Zahl der Gegner Fujimoris erstmals größer als die seiner Anhänger.
Für die Präsidentschaftswahlen im April 2000 stellten sich neun Kandidaten zur Wahl. Das Ergebnis war eine schwere Niederlage für die Regierung Fujimori. Mit 49,87 % der gültigen Stimmen verfehlte der Präsident im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit. Als stärkster Gegner erwies sich der Wirtschaftswissenschaftler Alejandro Toledo, der als "Cholo" (Mestize) "Heimvorteile" gegenüber dem japanischstämmigen Fujimori hatte. Nach den Wahlen vom 9. April 2000 waren von den Wahlbeobachtern eine Vielzahl von Unregelmäßigkeiten gemeldet worden. Die massive Präsenz von Militär und Polizei bei den Wahllokalen empfand man als Einschüchterung, und außerdem wurden Fehler bei der Registrierung von Wählern festgestellt. Die Wahlhelfer waren ungenügend ausgebildet, die Stimmzettel häufig nicht vollständig, die Wahlurnen fehlerhaft oder zu spät installiert, Wahlakten verschwanden. Nicht funktionierende technische Geräte und ein nicht einwandfrei arbeitendes Programm zur Stimmenauszählung gaben Anlaß zu Klagen. Zu guter letzt wurde nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlresultats festgestellt, daß eineinhalb Millionen mehr Stimmen zur Auszählung gekommen waren als es überhaupt Wähler gab. Da keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Stimmenmehrheit im ersten Wahlgang erreicht hatte, mußte laut Verfassung eine Stichwahl zwischen Fujimori und Alejandro Toledo stattfinden, den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich vereinigten. Vor diesem Hintergrund warnten die USA, Großbritannien, Belgien und die Niederlande vor einem Wahlbetrug und drohten für den Fall, daß keine Stichwahl erfolgen sollte, mit wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen. Fujimori und das oberste Wahlgericht des Landes setzten den Termin für die Stichwahl für den 28. Mai 2000 fest. Bei dieser sehr umstrittenen Stichwahl erzielte Fujimori 75 % der Stimmen. Die Wahl wurde in vielen Landesteilen von massiven Protesten begleitet, die von Polizei und Militär brutal niedergeschlagen wurden. Vor der Vereidigung Fujimoris als Staatspräsident demonstrierten in Lima 200.000 Anhänger der Opposition und kündigten einen "Sturz der Diktatur" an. Nachdem auch noch ein Korruptionsskandal um den peruanischen Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos für Aufsehen gesorgt hatte, sah sich Fujimori gezwungen, Neuwahlen anzusetzen. Während eines Staatsbesuchs in Japan gab er überraschend seinen Rücktritt bekannt. Bis zum Zeitpunkt der Neuwahlen im April 2001 und dem im Juli 2001 folgenden Amtsantritt des neuen Präsidenten wurden die Regierungsgeschäfte von einer Übergangsregierung unter der Präsidentschaft von Valentín Panigua geführt.
Bei den Neuwahlen setzte sich Alejandro Toledo in einer Stichwahl mit 51,99 % der Stimmen gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Alan García durch. Am 28. Juli 2001 übernahm Toledo die Regierungsgeschäfte. Er hat den Anspruch "Präsident aller Peruaner" zu sein und bezeichnete seine Wahl als "Sieg der Demokratie". Er kündigte "mehr Arbeitsplätze, mehr Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit und Dezentralisierung" an. Außerdem will er die Refinanzierung der Auslandsschulden und mehr Rechtssicherheit zum zentralen Anliegen seiner Regierung machen. Fraglich ist, wieviel von seinen Vorhaben er tatsächlich wird umsetzen können. International ist man über die demokratisch abgelaufenen Wahlen vom April sehr zufrieden, doch ist diese Zufriedenheit gepaart mit Skepsis gegenüber der Zukunft des Landes. Im Vergleich mit der Regierung Fujimori kann es allerdings nur besser werden. Als Absolvent der Universitäten Stanford und Harvard, ausgewiesener Wirtschaftswissenschaftler und Mitarbeiter der Vereinten Nationen, der Weltbank und der OECD traut man Toledo in wirtschaftspolitischer Hinsicht einiges zu. Ob er es aber tatsächlich schafft, Perus rechtsstaatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau voranzubringen bleibt unsicher. Auch er ist nicht frei von Skandalgeschichten. Man wirft ihm u. a. Kokainkonsum und persönliche Bereicherung durch Spendengelder vor. Positiv zu vermerken ist aber, daß er sowohl dem Rechtsprofessor Valentin Paniagua als auch Javier Perez de Cuellar die Mitarbeit in seinem Kabinett angeboten hat. Die weitere Entwicklung Perus bleibt spannend, auch angesichts der Tatsache, daß nicht lange nach Toledos Regierungsübernahme die Rebellen vom "Leuchtenden Pfad" wieder von sich reden machen. Erstmals seit fast zehn Jahren griffen sie wieder Sicherheitskräfte an und töteten vier Polizisten. Bleibt abzuwarten, wieviel Toledo die Menschenrechte Wert sind, wenn auch er sich mit terroristischen Angriffen auseinandersetzen muß.
Wirtschaft
Peru erlebte seit seiner Unabhängigkeit nacheinander stattfindende und zeitlich befristete Boom-Phasen von Guano, Zucker, Baumwolle, Kautschuk, Kupfer, Erdöl und Fischprodukten. Die Industrialisierung gewann erst 1959 mit dem Industrieförderungsgesetz der Regierung Prado y Ugarteche (1956-62) und den steuerlichen Anreizen der Regierung Belaúnde (1963-68) an Bedeutung. Es entstand eine kapitalintensive, importabhängige Industriestruktur, die es aber nicht schaffte, die Krisenanfälligkeit und die Abhängigkeit der peruanischen Volkswirtschaft von ausländischen Geldgebern zu reduzieren.
Trotz umfangreicher Rohstoffvorkommen (Kupfer-, Silber-, Gold-, Blei-, Eisen-, Zinn- und Uranminen, Erdöl, Ergas) und günstiger Voraussetzungen für die Landwirtschaft (Anbau von Baumwolle, Zuckerrohr, Reis, Obst, Tee, Kaffee, Bananen, Naturkautschuk; 6 % der Anbaufläche werden für den illelgalen Kokaanbau genutzt) befindet sich Peru seit den 70er Jahren in einer Krise, die 1989/90 ihren bisherigen Höhepunkt in einer Hyperinflation erreichte (1990: 7.650 % Inflationsrate). Zwar gelang es der Regierung Fujimori durch neoliberale wirtschaftspolitische Maßnahmen - sämtliche staatlichen Beschränkungen von Ein- und Ausfuhr wurden aufgehoben, alle Kontrollen des ausländischen Kapitals beseitigt, die Zölle gesenkt, der Bodenmarkt freigegeben und Arbeitsschutzbestimmungen abgeschafft - die Hyperinflation zu bekämpfen und der Wirtschaft beachtliche Wachstumsraten zu bescheren, doch gehen Beobachter davon aus, daß dieser Trend nicht anhalten wird, denn bei dem wirtschaftlichen Aufschwung Perus handelt es sich um eine Belebung nach einer Rezension. Es wird auf vorhandene Kapazitäten zurückgegriffen, ohne Strukturreformen zum Ausgleich der sektoralen und regionalen Ungleichgewichte der peruanischen Wirtschaft einzuleiten. Das Land bleibt auch weiterhin auf den Export von Rohstoffen angewiesen, deren Preise auf dem Weltmarkt sinken.
Noch ein Wort zum Anbau der Cocapflanze. Peru gilt als einer der wichtigsten Lieferanten für Rohkokain. Die Einnahmen aus diesem Geschäft werden auf ca. 67 % der legalen Exporterlöse geschätzt, d. h. ca. 2 Milliarden US-Dollar. Traditionell wurden die Blätter der Coca-Pflanze wegen ihrer stimulierenden Wirkung gekaut, als Schmerzmittel verwendet und bei religiösen Kulthandlungen und schamanischen Heilzeremonien eingesetzt. Diese Funktion haben die Coca-Blätter bis heute in fast allen Gegenden Perus behalten, weshalb sie ein wichtiger Bestandteil der kulturellen und ethnischen Identität der Peruaner und Peruanerinnen sind. Die verschwindend geringe Menge Kokain, die beim Kauen der Blätter neben Vitaminen und Alkaloiden freigesetzt wird, verwandelt sich sogleich in Ecgocin, einer Substanz, die in ihrer anregenden Wirkung mit Tee oder Kaffe zu vergleichen ist. Schätzungen gehen davon aus, daß ca. 2 Mio. Menschen in Peru regelmäßig Coca konsumieren, was einem Jahresverbrauch von etwa 4.000 t Blätter entspricht. Weitere 1.000 t werden für die pharmazeutische Industrie und die Firma Coca Cola angebaut. Der Rest, ca. 15.000 t Coca, fließt in den internationalen Drogenhandel. Durch Zugabe von Lösungsmitteln (Kerosin, Säuren) zu den Blättern erhält man Rohkokain, die sogenannte "pasta básica de cocaína" (PBC), das dann in Lima oder Kolumbien zu Kokain veredelt wird. Man schätzt, daß jährlich ca. 50 bis 80 t Kokain aus peruanischen Coca-Blättern gewonnen werden, was etwa der Hälfte des internationalen Bedarfs entspricht.
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Helke Dreier
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