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Freihandel ohne Debatte

EU-Vertrag mit Kolumbien und Peru heute im Bundesrat

Von Harald Neuber *

Das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru ist heftig umstritten. Doch Deutschland wird voraussichtlich zustimmen.

Der Bundesrat entscheidet heute über das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kolumbien sowie Peru. Der von Menschenrechts- und entwicklungspolitischen Organisationen beiderseits des Atlantiks kritisierte Vertrag könnte dabei aufgehalten werden. Blockiert die Länderkammer das Vorhaben, wäre der gesamte Zustimmungsprozess auf EU-Ebene unterbunden. Doch Bundesregierung und Regierungsparteien setzen alles daran, das Abkommen schnell und ohne große Debatten durchzuwinken.

Dies hatte bei der Aussprache im Bundestag Ende März bereits für massive Kritik gesorgt. Die Diskussion zum umstrittenen Kontrakt war auf die Zeit nach 22 Uhr gelegt worden - wohl in der Hoffnung, dass die Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei nicht mehr anwesend sein werden. Doch das Manöver ging daneben. Alle drei Fraktionen lehnten den Freihandelsvertrag ab, er kam nur mit Regierungsmehrheit durch. Dem Widerspruch zum Trotz setzte das Sekretariat des Bundesrats das Thema zunächst auf die »Grüne Liste«, in der unstrittige Tagesordnungspunkte zusammengefasst und ohne Aussprache beschlossen werden. Diesem Vorgehen widersprachen aber einzelne Länder.

Eine Gruppe von 45 Nichtregierungsorganisationen kritisierte in einem Offenen Brief, das Freihandelsabkommen stelle die wirtschaftlichen Interessen der EU vor den Schutz von Menschenrechten. Die Unterzeichner, darunter Terre des Hommes, Attac und das Aktionsbündnis gegen Aids, sind davon überzeigt, dass die radikale Liberalisierung im Handel, beim geistigen Eigentum und im Finanzsektor die Partnerstaaten in Südamerika schädigen. Die Regeln zum Schutz von Menschenrechten seien zu schwach, dies könnte vor allem in Kolumbien verheerende Folgen haben. Das Land weist schon heute bis zu vier Millionen Binnenflüchtlinge auf, mehr hat nur Sudan.

Nach der Ablehnung durch die Opposition im Bundestag waren die NRO-Vertreter zunächst guter Dinge. Als sich der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats aber mit zwölf Stimmen für das Abkommen aussprach, wurde der Widerstand erneuert. Baden-Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein enthielten sich, nur Rheinland-Pfalz stimmte dagegen. »SPD und Grüne wollen das Freihandelsabkommen offenbar doch passieren lassen«, kritisierten die NRO, von denen viele seit Jahren in Peru und Kolumbien arbeiten.

Ganz so einfach ist die Sache jedoch nicht. Zum einen wiegen im Bundesrat die Länderinteressen schwerer als parteipolitische Belange. Das SPD-regierte Hamburg ließ sich bis zuletzt nicht von einem Votum für das Abkommen abhalten. Die Hafenstadt würde erheblich von stärkeren Warenströmen zwischen Europa und Südamerika profitieren. Ein Nein der Regierung von Olaf Scholz wäre nötig, um das Abkommen zu kippen.

Zum anderen ist die Länderkammer nach dem Lindauer Abkommen von 1957 zu »bundesfreundlichem Verhalten« angehalten, wenn Regierungsinteressen im völkerrechtlichen Sinne betroffen sind. NRO-Vertreter weisen deswegen auf die Interessen der Länder hin: Die Liberalisierung der Finanzmärkte könnte etwa Steuerflucht begünstigen.

Die Fachpolitiker der Oppositionsfraktionen halten an ihrer ablehnenden Haltung fest. Man habe die Argumente an den Bundesrat weitergeleitet und die Ländervertretung gebeten, dies in Rechnung zu nehmen, sagte der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel gegenüber »nd«. »Immerhin gibt es nun eine Debatte, das ist für uns ein großer Erfolg.« Das vom Bundestag beschlossene Abkommen sei ein Angriff auf die Existenzgrundlage hunderttausender Kleinbauern sowie kleiner und mittlerer Unternehmen in Kolumbien und Peru, erklärte Heike Hänsel von der LINKEN. Sie könnten nicht mit den massiv subventionierten EU-Produkten konkurrieren. Folge sei eine stärkere soziale Spaltung sowie die Verschärfung des Ringens um Land und Rohstoffe. »Wir werden weiterhin gegen das Abkommen kämpfen und setzen nun darauf, dass der Bundesrat es mit seiner rot-rot-grünen Mehrheit nicht bestätigt«, so Hänsel.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 3. Mai 2013



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