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Tote in Cajamarca

Peru: Polizei geht brutal gegen Demonstranten vor. Ausnahmezustand über Region im Nordwesten des Landes verhängt

Von Santiago Baez *

Nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei hat die peruanische Regierung in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) den Ausnahmezustand über drei Provinzen der im Nordwesten des Landes gelegenen Region Cajamarca verhängt. In Celendín, Hualgayoc und Cajamarca selbst wird damit für zunächst 30 Tage die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit der Menschen eingeschränkt, Hausdurchsuchungen sind willkürlich möglich. Justizminister Juan Jiménez rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Die Lage sei den Führern der Proteste aus der Hand geglitten, sagte er.

In den Stunden zuvor war die peruanische Polizei gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen ein von der Bevölkerung der Region abgelehntes Bergbauprojekt protestierten (jW berichtete mehrfach). Um 14 Uhr Ortszeit habe es in der Ortschaft Celendín einen »irrationalen Angriff der Nationalpolizei gegen die demonstrierende Bevölkerung« gegeben, kritisierte die Umweltverteidigungsfront von Cajamarca (FDAC) in einer Stellungnahme. Dieses Vorgehen habe drei Todesopfer und mindestens 25 Schwerverletzte gefordert. Zahlreiche Verhaftete seien per Hubschrauber in eine Militärkaserne verschleppt worden, darunter auch 150 Menschen, die in einer Kirche Zuflucht gesucht hatten. Die Regierung ihrerseits erklärte, rund 1000 Demonstranten hätten mit Steinen das Rathaus, die Polizeiwache und das Büro des Staatsanwalts in der rund 25000 Einwohner zählenden Stadt attackiert, woraufhin die paramilitärischen Aufstandsbekämfpungseinheiten der Polizei die Angreifer mit Tränengas und Schlagstockeinsätzen zurückgedrängt hätten.

Am späten Dienstag abend solidarisierten sich die Einwohner der Stadt Cajamarca mit den Opfern in Celendín. Als sich eine große Menschenmenge auf der Plaza de Armas im Stadzentrum versammelte, um für die Getöteten zu beten und als Zeichen der Trauer eine schwarze Fahne zu hissen, sei die Polizei auch hier mit Tränengas gegen die Versammelten vorgegangen, beklagte die FDAC. Zudem umstellten die Beamten den lokalen Fernsehsender Megavisión, einer Stimme der Proteste, was von den Demonstranten als Einschüchterung und Angriff auf die Meinungsfreiheit kritisiert wurde.

Nachdem monatelange Demonstrationen, Straßenblockaden und Eingaben an die Zentralregierung ohne Erfolg geblieben waren, hatten die Einwohner von Cajamarca vor gut einem Monat einen unbefristeten regionalen Generalstreik ausgerufen. Dienstag war der 33. Tag dieses Ausstands, der in der Region weitgehend befolgt wird. Die Einwohner befürchten, daß die geplanten Goldminen die Trinkwasserreserven des Gebiets im Andenhochland gefährdet, weil giftige Abwässer in die Bergseen geleitet werden sollen. Entgegen früherer Versprechungen im Wahlkampf beharrt der seit dem 28. Juli vergangenen Jahres amtierende Staatspräsident Ollanta Humala jedoch auf der Realisierung des Projekts, obwohl er noch vor elf Tagen über den Internetdienst Twitter erklärt hatte: »Wir stehen vor der Herausforderung, unser Wirtschaftswachstum zu sichern und gleichzeitig unser wertvolles kulturelles und natürliches Erbe zu bewahren. Ich versichere, daß meine Regierung kein Förderprojekt erlauben wird, das die Bevölkerung einem Wassermangel aussetzen würde.«

Der peruanische Gewerkschaftsbund CGTP, der Humala im Wahlkampf noch unterstützt hatte, reagierte am Dienstag mit einer deutlichen Stellungnahme auf das brutale Vorgehen der Polizei. Die Repression in Cajamarca habe seit dem Beginn der Proteste bereits das Leben von 15 Menschen gefordert, die nichts anderes getan hätten, als vom Staatschef die Einlösung seiner Wahlversprechen zu fordern. Das zeige, »daß die Strategie der Regierung weiter in der Kriminalisierung der Proteste und im Ausnahmezustand als einem politischen Instrument besteht, um eine Kontinuität der Wirtschaftspolitik im Interesse derselben ökonomischen Gruppen durchzusetzen, die auch von den früheren Regimen profitierten«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. Juli 2012


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