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Verbrechen werden vertuscht

Peru behindert Aufklärung der Morde bei den Protesten gegen Bergbauprojekte

Von Anne Grit Bernhardt *

Die peruanische Regierung versucht alles, um die Aufklärung der von Polizei und Militär begangenen Verbrechen gegen die Bevölkerung der Krisenprovinzen Espinar (Cusco) und Celendín bzw. Bambamarca (Cajamarca) zu behindern. Die Staatsanwaltschaft verlegte die Akten über die Toten in den Zuständigkeitsbereich anderer Departements des Landes. So wurde die Staatsanwaltschaft Ica mit der Untersuchung der Tode von Rudecindo Manuelo Puma (28) und Walter Sencia Ancca (25) beauftragt, die am 28. Mai dieses Jahres in Espinar bei einem Streik erschossen wurden. Espinar liegt rund 800 Kilometer von Ica entfernt, und die Angehörigen der Toten beklagen, daß sie aufgrund finanzieller Hürden nicht nach Ica reisen können, um sich an der Aufklärung der Morde zu beteiligen oder Informationen über den Fall zu bekommen. Rudecindo Manuelo Puma und Walter Sencia Ancca wurden am achten Streiktag gegen die Schweizer Bergbaufirma Xstrata von Sicherheitskräften erschossen, obwohl sie sich an den Protesten nicht beteiligt hatten.

Ähnlich wird von den peruanischen Behörden mit den Verbrechen von Celendín verfahren. César Medina Aguilar, José Silva Sánchez und Paulino García Rojas wurden am 3. Juli während des Generalstreiks gegen das Gold- und Kupferbergwerkprojekt Minas Conga erschossen. José Sánchez Huamán, ebenfalls aus Celendín, erlag zwei Tage später seinen Verletzungen, und Joselito Vásquez Jumbo wurde in Bambamarca während eines von der Regierung ausgerufenen Ausnahmezustandes erschossen. Ihre Fälle wurden an die Staatsanwaltschaft von Chiclayo übergeben, rund 270 Kilometer von Celendín entfernt. Auch hier können sich die Angehörigen der Opfer, die aus armen Verhältnissen stammen, die Fahrt nach Chiclayo ebensowenig leisten wie einen Anwalt. Walter Aguilar Guzmán, Onkel des sechzehnjährigen César Medina Aguilar, der an einem Kopfschuß starb, versicherte, daß sein Neffe von einer Kriegswaffe des Militärs erschossen wurde. Er hatte die auf dem Hauptplatz von Celendín gefundenen Patronenkugeln aufgesammelt und wies als ehemaliger Militär nach, daß diese aus Armeewaffen stammten.

Währenddessen befinden sich die Dialogversuche zwischen der protestierenden Bevölkerung in Cajamarca und der Zentralregierung in Lima auf neuem Tiefstand. Dabei gab die Regierung am vergangenen Donnerstag bekannt, daß es nun eine eigene Arbeitsgruppe gäbe, die sich mit dem Konflikt in Cajamarca auseinandersetzen und an den von den offiziellen Vermittlern im Konflikt – dem Erzbischof von Trujillo, Miguel Cabrejos, und dem Priester Gastón Garatea – ausgerufenen Versammlungen teilnehmen sollen. Doch sowohl Gregorio Santos, Regionalpräsident von Cajamarca, als auch Wilfredo Saavedra, Präsident der Umweltverteidigungsfront von Cajamarca, erklärten im staatlichen Rundfunk RPP in der vergangenen Woche, daß die Arbeit der beiden Kirchenvertreter beendet sei und nun die Zentralregierung akzeptieren müsse, daß die cajamarquinische Bevölkerung das Projekt Minas Conga ablehne, welches die Wasserreservoirs der Region gefährdet. Santos betonte, daß die Bergbauunternehmen keine soziale Lizenz hätten. »Sie haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung«, so Santos am Freitag im RPP und fügte hinzu: »Die Absage dieses Projektes ist die einzige Möglichkeit, wieder Ruhe nach Cajamarca zu bringen«.

Die Krisenregion leidet unter dem Ausnahmezustand, der am 3. Juli von der Zentralregierung verhängt wurde. Die Entmilitarisierung und das Ende des Notstandes galten als Voraussetzungen für einen erfolgreichen Dialogversuch. Dennoch verlängerte die Regierung in Lima am 3. August den Ausnahmezustand um einen weiteren Monat. Cajamarca gilt als zweitärmste Region Perus und leidet wirtschaftlich enorm unter der Militarisierung. Der Tourismus ist komplett zum Erliegen gekommen, zahlreiche Restaurants, Hotels und Souvenirgeschäfte mußten schließen. Gleichzeitig gibt es in der Provinzhauptstadt Cajamarca einen großen Wassermangel. In zahlreichen Stadtvierteln fließt das Wasser nur noch zwei Stunden am Tag.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 21. August 2012


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