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Streik radikalisiert

Peru: Konflikte um Bergbauprojekte

Von Anne Grit Bernhardt und Jorge R. Abanto Rodríguez, Cajamarca *

Trotz der seit Monaten anhaltenden Proteste will das Bergbauunternehmen Minera Yanacocha so früh wie möglich wieder mit Aktivitäten im Nordwesten Perus beginnen. Am vergangenen Freitag (Ortszeit) erklärten Sprecher des Unternehmens, sie hätten einen Vorschlag der peruanischen Regierung akzeptiert, zwei der fünf direkt betroffenen Bergseen im Conga-Gebiet nicht in eine Abraumhalde zu verwandeln. Nur einen Tag zuvor war es in der Region zu den bislang gewalttätigsten Auseinandersetzungen seit Beginn eines unbefristeten Generalstreiks gegen das Gold- und Kupferbergbauprojekt »Minas Conga« am 31. Mai gekommen. Die brutalen Übergriffe der Polizei auf die Demonstranten forderten dabei mindestens 70 Verletzte, vier davon schwer. Die Betroffenen, größtenteils Bauern aus den Gemeinden Huambocancha, Samana Cruz und Tual, wurden von der Polizei mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten angegriffen. Als Bewohner ihre Häuser für die flüchtenden Demonstranten öffneten, schoß die Polizei sogar Gas in das Innere der Gebäude.

Amparo Abanto, Rechtsanwältin der Nichtregierungsorganisation GRUFIDES aus Cajamarca, berichtete, daß sieben Personen festgenommen worden seien. Diese hätten ihr später berichtet, daß sie auf der Polizeistation geschlagen worden seien. Auch mehrere Journalisten wurden von Polizisten attackiert, teils wurden ihnen Kameras und Aufnahmegeräte entwendet.

Trotz der Übergriffe wollen die Einwohner ihren Streik fortsetzen, der die gesamte Region erfaßt hat. Seit 20 Tagen sind alle Institutionen und Geschäfte geschlossen, die Zufahrtsstraßen in die Städte Cajamarca, Celendín und Bambamarca werden blockiert. In der vergangenen Woche beschlossen die Streikenden zudem eine weitere Radikalisierung ihrer Proteste. Alle noch geöffneten Märkte und Geschäfte sollen von einer Bauernwehr zur Schließung gezwungen, weitere Straßen blockiert und die Ankunft neuer Delegationen aus anderen Provinzen vorbereitet werden.

Unterdessen wächst in Peru die Sorge über die gefährlichen Zunahme von Konflikten im ganzen Land. Der von der peruanischen Ombudsstelle für Menschenrechte veröffentlichte 99. Bericht über soziale Konflikte für Mai 2012 zählte allein in diesem Monat 245 Zwischenfälle auf, von denen es bei 149 um Umweltfragen ging. Im Monat Februar waren es 229 Konflikte gewesen. Als Präsident Ollanta Humala im vergangenen Juli sein Amt antrat, hatte die Zahl noch bei 214 Konflikten im Monat gelegen. Die Ombudsstelle forderte die Regierung auf, nach Lösungen zu suchen und den Dialog zu fördern, um gewalttätige Auseinandersetzungen bei Demonstrationen und Protesten zu verhindern.

Auch am peruanischen Amazonas steigt die Zahl der Umweltkonflikte. 70 Prozent des Gebietes wurde ohne Absprache mit den dort lebenden Ureinwohnern an Bergbau- und Erdölfirmen zur Ausbeutung übergeben. Eine Delegation der Völker Awajún und Wampis machte deshalb in der vergangenen Woche in der Hauptstadt Lima auf ihre Lage und die Praktiken der Bergbaufirma Minera Afrodita aufmerksam zu machen. Rund 15000 Awajún und Wampis seien im Gebiet Cordillera del Cóndor, nahe der Grenze zu Ecuador, von den Arbeiten des Unternehmens betroffen. Mehrere Flüsse, die einst den Ureinwohnern Trinkwasser und Fisch zur Verfügung stellten, seien bereits mit Quecksilber und Cyanid vergiftet worden, kritisierte Häuptling Zebelio Kayap in Lima. In dem Gebiet der beiden Stämme habe der Staat ohne Einverständnis der betroffenen Völker 103 Minenkonzessionen vergeben. »Und ohne staatliche Genehmigung werden dort bereits mehrere Hektar Regenwald illegal abgeholzt, um Hubschrauberlandeplätze bauen zu können. So werden auch Wassereinzugsgebiete, Flüsse und Wasserfälle geschädigt«, so der Häuptling. Die Cordillera del Cóndor ist ein geschütztes Naturreservat und wird schon seit Jahrhunderten von den Awajún und Wampis bewohnt.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 19. Juni 2012


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