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"Proteste sind häufiger, schärfer, wirkungsvoller"

Immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden und Bergbaukonzernen in Peru. Ein Gespräch mit José de Echave *


José de Echave ist peruanischer Umweltaktivist und Mitbegründer der Umweltorganisation CooperAcción. 2011 trat er aus Protest gegen die Regierungpolitik als Umweltvizeminister zurück.


In Peru kommt es regelmäßig zu Konflikten rund um den Bergbau. Was sind die Hauptursachen der Auseinandersetzungen?

Ein riesiges Problem ist die Erweiterung des Bergbaus. Die beanspruchten Flächen werden immer größer, so daß er den ländlichen Kommunen den Boden streitig macht. Ein weiteres Problem ist die Wasserversorgung, der Abbau von Bodenschätzen braucht viel Wasser. Das ist aber ein rares Gut, auch in Peru. Drittens fördert die peruanische Gesetzgebung Investitionen – sie stellt die Interessen der Bevölkerung aber hintenan.

Wie haben sich die Konflikte in den vergangenen Jahren entwickelt?

Die Proteste sind häufiger, schärfer und wirkungsvoller geworden. Die Menschen stellen zunehmend den Kurs der Regierung infrage und wollen Alternativen. Auseinandersetzungen wie die um die Goldminen im Conga-Gebiet haben dafür gesorgt, daß Probleme auf den Tisch kommen wie etwa die Verbesserung des Umweltschutzes, der Ausbau der Bürgerbeteiligung oder die Wasserfrage. Die Konflikte schaffen also die Notwendigkeit für eine andere Politik.

Was muß getan werden?

Die Proteste zeigen uns, daß etwas im Land nicht funktioniert. In Umweltnetzwerken und Menschenrechtsorganisationen fordern wir, daß die Rohstoffausbeutung anders organisiert werden muß. Sie fördert den Raubbau und schafft soziale Konflikte. Der Umweltschutz muß verbessert werden, es braucht dafür effektive Institutionen, die jetzigen sind wirkungslos. In Peru setzt sich zum Beispiel bisher das Bergbauministerium mit Umweltschäden auseinander – das eigentlich dafür zuständige Ministerium hat wenig zu sagen. Wir wollen die Bürgerbeteiligung verstärken, Territorialkonflikte lösen und dafür sorgen, daß die Kriminalisierung der Proteste aufhört. Wir wollen keineswegs den Bergbau abschaffen – aber wir verlangen eine Diskussion darüber, wo er gut ist und wo nicht.

Anfang Oktober gab es Proteste gegen die Regulierung des »informellen« Bergbaus. Ist der Eindruck richtig, daß sich der Staat eher auf diese Minibetriebe konzentriert, statt gegen Konzerne vorzugehen?

Auch der »informelle« Sektor hat Auswirkungen auf Natur und Bevölkerung, die mich beunruhigen. In der Amazonasgegend zum Beispiel gibt es schlimme Umweltschäden und Kinderarbeit, es werden toxische Substanzen wie Quecksilber verwendet. Das zu bekämpfen, finde ich nicht schlecht. Allerdings wird nicht mit demselben Maß gemessen und die Probleme, die die Großkonzerne verursachen, werden nicht angegangen.

In den 90er Jahren gab es in vielen Ländern Lateinamerikas Privatisierungen, die neoliberale Wirtschaftsideologie setzte sich durch. Wie hängt das mit den heutigen Konflikten zusammen?

Diese Privatisierungen haben Lateinamerika für große Investoren geöffnet, auch im Bergbau. Dennoch haben wir heute eine andere Lage: Es gibt nicht nur neoliberale, sondern mittlerweile auch linke Regierungen. Beide beuten die Bodenschätze aus, unabhängig von ihrer politischen ­Orientierung. Der Unterschied ist, daß in den neoliberalen Ländern der Abbau vorrangig von transnationalen Konzernen betrieben wird, während es in den linksregierten Ländern eine größere staatliche Kontrolle gibt. Aber in beiden Fällen gibt es soziale und Umweltkonflikte.

Peru unterschreibt Freihandelsabkommen, in denen oft die Investoren geschützt werden. Wie funktioniert das?

Ohne Zweifel sind diese Verträge ein Instrument, das politische Reformen verhindert. Damit werden dem Staat praktisch die Hände gebunden – es ist dann schwieriger, Umwelt- oder Sozialstandards zu heben. Es zeigt sich, daß Länder, die Freihandelsabkommen abgeschlossen haben, gegebenenfalls vor internationale Gerichtshöfe gestellt werden.

Peru ist dafür ein Beispiel, gegen unser Land bestehen Forderungen von sechs Milliarden Dollar aus verschiedenen Urteilen. Diese ergeben sich unter anderem aus den Passagen zur »indirekten Enteignung«. Das bezeichnet jede staatliche Maßnahme, die die Gewinnerwartungen eines Unternehmens betrifft. Wenn der Staat also den Umweltschutz stärken will, kann ein Konzern sagen, daß seine Gewinnerwartungen sinken, weil er wegen des Umweltschutzes mehr investieren muß. Solche Verträge widersprechen der staatlichen Souveränität.

Interview: Lena Kreymann

* Aus: junge Welt, Montag, 21. Oktober 2013


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