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Gummigeschosse gegen protestierende Bauern

Peru: In Cañaris und Incahuasi wehren sich die Einwohner gegen ein Bergbauprojekt

Von Anne Grit Bernhardt *

Mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten hat die peruanische Polizei am Freitag eine Straßenblockade von Bergbaugegnern aus Cañaris und Incahuasi im Nordwesten Perus aufgelöst. Rund 400 mit Macheten und Stöcken bewaffneten Demonstranten standen dabei Hunderte Polizisten gegenüber. 26 Personen – allesamt Demonstranten – wurden verletzt, eine Frau und ein Mannschwebten am Sonntag noch in Lebensgefahr.

Cañaris ist ein abgelegener Distrikt im Departamento Lambayeque mit einer mehrheitlich quechuasprachigen indigenen Bevölkerung, die seit mehreren Monaten gegen ein geplantes Bergwerk in ihrer Region protestiert. Das kanadische Unternehmen Can­dente Copper plant dort nach eigenen Angaben den Abbau von 752,4 Millionen Tonnen Gestein, das Kupfer, Gold und Silber enthalten soll. Die Betreiber behaupten, im Januar 2008 eine Befragung in den betroffenen Gemeinden durchgeführt zu haben, und diese hätten dem Bergwerk zugestimmt. Cristian Castañeda vom der Umweltverteidigungsfront von Lambayeque widerspricht. An der damaligen Umfrage hätten nur 800 Personen mitgewirkt, die von Candente Copper eigens nach Cañaris gebracht worden seien und daher gar keine Berechtigung gehabt hätten, an der Versammlung teilzunehmen. Cañaris habe im übrigen rund 4000 Gemeindemitglieder. Dazu komme, daß die Erhebung nicht über die Gemeinde angekündigt worden und somit ungültig sei, so Castañeda. Demgegenüber hatten sich an einer von der Gemeinde selbst organisierte Befragung am 30. September 2012 mehr als 2500 Einwohner beteiligt, die zu 95 Prozent das Projekt ablehnten. Diese Sondierung wiederum wird jedoch durch die Regierung in Gestalt des Regionaldirektors für Energie und Bergbau in Lambayeque, Miguel Verona Velásquez, nicht anerkannt.

Die harte Haltung der Zentralregierung und des Unternehmens hat zu einer Radikalisierung der Proteste geführt. Bereits am 4. Dezember nahmen Mitglieder einer Bauernwehr zehn Arbeiter fest, darunter drei Geologen, die im Auftrag von Candente Copper in der Gemeinde tätig waren. Gleichzeitig blockierten zahlreiche Menschen die Zufahrtswege nach Cañaris, um gegen das Bergwerk zu demonstrieren. »Dieses Projekt ist groß, und was wir am meisten befürchten, ist, daß das Wasser, das Tausende Bauern hier für die Bewässerung und für ihr Vieh benutzen, kontaminiert wird«, erklärte Gemeindepräsident Cristóbal Barrios. Nach Verhandlungen zwischen der Ombudsstelle für Menschenrechte, dem Unternehmen und den Protestierenden konnte am 5. Dezember die Freilassung der entführten Arbeiter erreicht werden. Daraufhin begann die Regierung, Hunderte Polizisten nach Cañaris zu verlegen, während Perus Bergbauminister Jorge Merino Tafur erklärte, »subversive Kräfte« würden die Proteste in Cañaris anführen, um Unruhe in der Region zu stiften. Unternehmenssprecher Enrique Bernuy behauptete in der vergangenen Woche in einem Interview mit dem staatlichen Rundfunk RPP, während der Volksbefragung am 30. September habe man Flugblätter der – seit Ende der 90er Jahre als aufgelöst geltenden – Guerillaorganisa­tion MRTA (Revolutionäre Bewegung Tupác Amaru) gefunden.

* Aus: junge Welt, Montag, 28. Januar 2013


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