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Elastisch, praktisch – gut

Peking schlug beim APEC-Gipfel in China neue politische Pflöcke ein

Von Werner Birnstiel *

Die Pazifik-Anrainergruppe APEC hat sich in Peking zum Gipfelabschluss grundsätzlich auf eine künftige Freihandelszone geeinigt.

Mit das wichtigste Ergebnis des in Peking zu Ende gegangenen 26. APEC-Gipfels war, dass die USA ein weiteres Mal Verschiebungen zu ihren Ungunsten im internationalen Kräfteverhältnis auch im Asiatisch-Pazifischen Raum (APR) zur Kenntnis nehmen mussten. Deutlicher als je zuvor auf einem Gipfeltreffen umriss Chinas Präsident Entwicklungsrichtungen, die wirtschaftlichem Wachstum und politischer Zusammenarbeit eindeutig den Vorrang geben vor militärischer Aufrüstung, die von Washingtons diktiert wird. In einer Grundsatzrede skizzierte Xi Jinping einen »asiatisch-pazifischen Traum«, der Chinas weiter wachsende wirtschaftliche Stärke mit einem wechselseitigen Nutzen für die Länder des gesamten APR vereinen soll. So wird Kurs genommen auf Gründung einer asiatischen Infrastruktur-Entwicklungsbank als Teil einer »asiatischen Seidenstraße« gegen die von USA und Japan dominierte Weltbank.

Das Bestreben Pekings, ein Freihandelsabkommen für alle APEC- Mitgliedsländer aufzubauen, versuchen die USA weiterhin mit ihrer »Transpazifischen Partnerschaft« (TTP) zu kontern. Ihm sollen nur elf Mitgliedsländer unter Ausschluss Chinas angehören. Auf dem APEC-Gipfel zeigte sich, dass Peking nun seinerseits pragmatisch vorgeht und langfristig eine Annäherung an die TTP betreibt. Dieses Vorgehen wird dadurch begünstigt, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China selbst den engsten Verbündeten der USA in Asien, Japan und Südkorea, sowie Partnern wie den Philippinen und Malaysia mehr einbringt als militärisches US-Mitläufertum.

So war bemerkenswert, dass in Peking die Atmosphäre bei der Begegnung Xi Jinpings mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzō Abe weiterhin sehr unterkühlt wirkte. Aber immerhin fand das Treffen nach zwei Jahren scharfer Kontroversen statt mit der Aussicht, schrittweise eine Normalisierung der Beziehungen zu erreichen.

Wie komplex vieles ineinander greift, zeigte auch eine parallele Entwicklung zum APEC-Gipfel: Obwohl der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper seine ursprünglich geplante Teilnahme am APEC-Gipfel abgesagt hatte, weilte er samt großer Begleitung zeitgleich zum Gipfel in Peking und verhandelte die Ausweitung der Zusammenarbeit. Wichtigste Übereinkunft des Besuchs war, dass sich beide Seiten auf die Einrichtung eines Renminbi-Clearing-Zentrums in Kanada einigten. Zwischen beiden Ländern werden künftig Handelstransaktionen in Renminbi möglich sein. Chinas Währung nähert sich damit wiederum ein Stück ihrer Internationalisierung, erstmals in Nordamerika.

In der Bewertung dieses APEC-Gipfels wird gern auf den »Machtkampf« USA-China im asiatisch-pazifischen Raum verwiesen. Ignoriert wird dabei allerdings, dass China eine viereinhalb Mal so große Bevölkerung wie die USA hat, die weiterhin jährlich um über vier Millionen wächst. Der innenpolitische Druck nimmt für Chinas Führung stetig enorm zu, um den für 2020 angepeilten »bescheidenen Wohlstand für alle« zu erreichen. Unter diesem Blickwinkel ist die sichtbar weitere Vernetzung in den chinesisch-russischen Beziehungen langfristig keinesfalls von geringerer Wertigkeit als die Beziehungen zu den USA.

Präsident Wladimir Putin betonte deshalb nun gezielt auch in Peking die Entwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern, die Vertiefung ihres politischen Dialogs und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, sowohl bei der Nutzung von Gas- und Öllieferungen nach China als auch im Handel. Und er kündigte an, dass Russland mit Geld aus dem Staatsreserve-»Fonds für nationalen Wohlstand« Investoren gewinnen, Geschäftsrisiken finanziell absichern, Projekte mitfinanzieren und die Schaffung einer gemeinsamen Energie- und Telekommunikations-Infrastruktur unterstützen wird. Peking hat diese Offerten wohl vernommen. Was bleibt: Bereits auf dem G20-Gipfel am kommenden Wochenende im australischen Brisbane werden sich Entwicklungstrends des Pekinger APEC-Gipfels weiter ausprägen.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. November 2014


China setzt sich durch

Freihandel im Pazifikraum: APEC-Gipfel einigt sich auf von Peking favoritisiertes Modell FTAAP **

Die Mitgliedsländer des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (APEC) haben sich in Peking auf einen »Fahrplan« geeingt. Ziel ist die Errichtung einer Freihandelszone. Zum Abschluss des APEC-Gipfeltreffens vereinbarten die Staats- und Regierungschefs die Vorbereitung einer von China vorangetriebenen Freihandelszone Asien-Pazifik (FTAAP). Stolz verkündete Staats- und Parteiführer Xi Jinping am Dienstag, »diese Entscheidung wird in Geschichtsbüchern stehen«.

Die Einigung ist auch Ausdruck der neuen Position der Volksrepublik im internationalen Wirtschaftsgeschehen. Bislang hatten unterschiedliche Vorstellungen Pekings und Washingtons gemeinsame Diskussionen der 21 APEC-Mitglieder über mehr Freihandel und der dazugehörigen Regelungen gebremst.

China und die USA liefern sich seit Jahren ein Wettrennen um die Vorherrschaft in dem riesigen Wirtschaftraum der Pazifikanrainer. Washington stand der Freihandelszone zuletzt skeptisch gegenüber, weil die Regierung bereits mit elf Staaten der Region – allerdings nicht mit China – über eine Transpazifische Partnerschaft (TPP) verhandelt. Die soll offenbar trotzdem weiterentwickelt werden. »Die Verhandlungen über TPP sind in die finale Phase eingetreten«, verkündete in Peking denn auch Japans Regierungschef Shinzo Abe.

Einigkeit zwischen den beiden dominierenden Mächten wurde beim Zollabbau für Technologieprodukte erreicht. Sie einigten sich am Rande des Gipfels laut US-Regierung darauf, das internationale Handelsabkommen für Informationstechnologie (ITA) auf weitere Produkte auszudehnen.

Mit dem »Durchbruch« sei der Weg frei für »die Fortsetzung und den schnellen Abschluss« entsprechender Gespräche bei der Welthandelsorganisation (WTO), teilte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman mit. Nun könne der erste wesentliche Abbau von Zöllen bei der WTO in 17 Jahren erfolgen. Das ausgedehnte ITA schafft nach US-Angaben rund 200 Zölle ab. Darunter fielen auch Druckerpatronen, Navigationsgeräte, Lautsprecher, Videospielgeräte oder Maschinen für die Kernspintomographie.

Peking treibt unabhängig von TPP eine Regionale Wirtschaftspartnerschaft (RCEP) mit 15 anderen Staaten voran. Die weitergehende Freihandelszone Asien-Pazifik (FTAAP) soll auf den bisherigen Fortschritten in den laufenden Verhandlungen aufbauen, hieß es in einem zuvor von APEC-Ministern vorbereiteten Dokument. China hat 2025 als mögliches Datum für den Start von FTAAP angepeilt.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 12. November 2014


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